Ukraine-KonfliktUSA und Europäer rufen Russland zur Deeskalation auf
SDA
25.1.2022 - 04:47
Ukraine-Konflikt spitzt sich weiter zu
Im Ukraine-Konflikt haben sich die Fronten weiter verhärtet: Die Nato kündigte eine Verstärkung ihrer Militärpräsenz in Osteuropa an.
24.01.2022
Angesichts der angespannten Lage im Ukraine-Konflikt folgt ein Krisentreffen auf das nächste. US-Präsident Biden und Verbündete aus Europa geben sich geschlossen in ihren Appellen an Moskau.
25.01.2022, 04:47
25.01.2022, 08:36
dpa
Die Staats- und Regierungschefs der USA und ihrer europäischen Verbündeten haben Russland gemeinsam zu sichtbaren Schritten der Deeskalation im Ukraine-Konflikt aufgefordert. Bei einer Videokonferenz am Montagabend äusserten die Teilnehmer – unter ihnen US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) – erneut den Wunsch nach einer diplomatischen Lösung und drohten Moskau im Fall weiterer Aggression gegenüber der Ukraine mit schwerwiegenden Konsequenzen, wie die Regierungen in Washington und Berlin mitteilten. In den nächsten Tagen stehen weitere hochrangige Beratungen an. Scholz empfängt an diesem Dienstag Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron in Berlin. Auch bei ihrem Treffen ist der Ukraine-Konflikt Thema.
Angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarschs in der Nähe der Ukraine wird im Westen befürchtet, dass Russland einen Einmarsch in das Nachbarland planen könnte – was Moskau dementiert. Für möglich wird auch gehalten, dass nur Ängste geschürt werden sollen, um die Nato-Staaten zu Zugeständnissen bei Forderungen nach neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen. Erklärtes Ziel Russlands ist etwa, dass die Nato auf eine weitere Osterweiterung verzichtet und ihre Streitkräfte aus östlichen Bündnisstaaten abzieht. Die Nato, die USA als mit Abstand mächtigster und militärisch wichtigster Bündnisstaat sowie die EU lehnen diese Forderungen als inakzeptabel ab.
Am Montagabend schalteten sich Biden, Scholz, Macron, der italienische Regierungschef Mario Draghi, der polnische Präsident Andrzej Duda, der britische Premierminister Boris Johnson, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel zu einer Videokonferenz zusammen, um über die Lage zu beraten.
Der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit teilte im Anschluss mit, die Runde habe «ihre uneingeschränkte Unterstützung für die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine» versichert. Alle seien sich einig gewesen, dass Fragen der Sicherheit und Stabilität in Europa durch Verhandlungen gelöst werden müssten.
Biden sprach von einem «sehr guten Treffen» und «völliger Einigkeit» mit den europäischen Staats- und Regierungschefs. Das Weisse Haus erklärte, die Runde habe die gemeinsamen Bemühungen zur Abschreckung weiterer russischer Aggressionen gegen die Ukraine erörtert, einschliesslich der Vorbereitungen, um Russland für solche Handlungen «massive Konsequenzen und hohe wirtschaftliche Kosten aufzuerlegen sowie die Sicherheit an der Ostflanke der Nato zu verstärken».
Die US-Regierung hatte kurz zuvor bekannt gegeben, dass sie als Reaktion auf die eskalierende Ukraine-Krise rund 8500 Soldaten in den Vereinigten Staaten in erhöhte Bereitschaft versetzt habe. Eine Entscheidung über eine Verlegung dieser Truppen nach Europa ist nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums noch nicht gefallen.
Mehrere Nato-Mitgliedsländer schicken unterdessen Schiffe und Militärflugzeuge in Richtung Osten. Nato-Generalsekretär Stoltenberg habe die Entsendung von zusätzlichen Streitkräften von Alliierten in den östlichen Teil des Bündnisses bei der Videokonferenz am Montagabend begrüsst, hiess es in einer Mitteilung. Er habe dafür geworben, angesichts der derzeitigen Situation die Fähigkeiten der Allianz bei der Lageüberwachung zu verbessern und die kollektive Verteidigung und Abschreckung zu verstärken.
Die EU-Kommission teilte mit, die Diskussionsteilnehmer wünschten sich einen Erfolg der Diplomatie, bereiteten sich aber auf alle Fälle vor. Von der Leyen habe in der Schalte die starke Unterstützung der EU für die Ukraine bekräftigt. Dabei sei es auch um den Plan für ein neues Kreditpaket im Umfang von 1,2 Milliarden Euro und 120 Millionen Euro an zusätzlichen Zuschüssen gegangen. Michel twitterte nach den Beratungen: «Wir werden standhaft und geschlossen bleiben.»
Scholz hatte vor der Videoschalte gesagt, das Gespräch sei «ein gutes Zeichen für die enge Zusammenarbeit» der Verbündeten in dem Konflikt. «Die Lage ist ernst, aber nicht erst heute, sondern seit vielen, vielen Tagen, Wochen und Monaten schon.» Deswegen sei es wichtig, geschlossen zu handeln. Bei Scholz' Treffen mit Macron an diesem Dienstag dürfte die Ukraine-Krise eine wesentliche Rolle spielen.
Am Mittwoch wiederum wollen sich Vertreter Russlands und der Ukraine in Paris zu Gesprächen treffen. Gemeinsam mit Frankreich und Deutschland solle eine Zusammenkunft auf Beraterebene im sogenannten Normandie-Format stattfinden, hiess es am Montag aus Élyséekreisen. Inhaltlich solle es darum gehen, humanitäre Massnahmen auszuhandeln und ein Datum zu bestimmen, an dem die Ukraine und Separatisten über ein Gesetz zum Status des Donbass diskutieren. Ebenso soll es um Überlegungen der Ukraine für die Zeit nach der angestrebten Reintegration der abtrünnigen Gebiete in der Ostukraine gehen.
Frankreich und Deutschland vermitteln in dem seit 2014 währenden Konflikt im Rahmen des Normandie-Formats zwischen der Ukraine und Russland. Ihr 2015 in Minsk vereinbarter Friedensplan liegt aber auf Eis. UN-Schätzungen zufolge wurden bei Kämpfen zwischen ukrainischen Regierungstruppen und kremltreuen Separatisten in der ukrainischen Region Donbass mehr als 14'000 Menschen getötet. Jüngst hatten westliche Staaten immer wieder die Sorge geäussert, der Konflikt könne mit einem Einmarsch russischer Truppen militärisch eskalieren.
Russland macht dagegen den Westen für die erhöhten Spannungen in dem Konflikt mit der Ukraine verantwortlich. Der Kreml bestritt zuletzt immer wieder, einen Überfall auf die Ukraine zu planen. Er warf dem Westen eine antirussische «Informationskampagne» und «Hysterie» vor. Die wachsende Gefahr eines «Überfalls» gehe vielmehr von ukrainischer Seite aus.
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