Immer wieder reisen Flüchtlinge per Flugzeug in die EU ein. Aber nur wenige, die bei uns Zuflucht suchen, haben das nötige Kleingeld dafür. (Archivbild)
Hintergrund ist die Schliessung der Balkan-Route (Archivbild).
Auch die Reise über das Mittelmeer ist immer schwieriger geworden (Archivbild).
Vom Schlauchboot in den Privatjet: Schlepper testen neue Tricks
Immer wieder reisen Flüchtlinge per Flugzeug in die EU ein. Aber nur wenige, die bei uns Zuflucht suchen, haben das nötige Kleingeld dafür. (Archivbild)
Hintergrund ist die Schliessung der Balkan-Route (Archivbild).
Auch die Reise über das Mittelmeer ist immer schwieriger geworden (Archivbild).
Die illegale Einreise in die Staaten Westeuropas wird immer schwieriger. Tausende Flüchtlinge hängen deswegen in Griechenland fest. Denen, die genügend Geld haben, bieten sich verlockende Optionen.
Den eisigen Grenzfluss zwischen der Türkei und Griechenland überquerte Mohammad al-Dscharad in einem überfüllten Gummiboot. Einen Monat später startete der Syrer in die nächste Etappe – mit einem eigens gecharterten Kleinflugzeug. Gemeinsam mit fünf anderen Flüchtlingen wollte er nach Frankreich fliegen. Und wegen der Freizügigkeit im Schengen-Raum hätte sie daran im Normalfall auch niemand gehindert. Doch gerade bei Flügen aus Griechenland schauen die Behörden inzwischen genauer hin.
Not macht erfinderisch – und seit die Landgrenzen auf der Balkan-Route dicht sind, sind viele der in Griechenland gestrandeten Flüchtlinge verzweifelt. Schlepperbanden probieren es daher mit immer neuen Methoden. Der Trick mit dem Privatjet ist eine davon. Wer sich diese Luxus-Version nicht leisten kann, wird mit falschen Papieren in einen Linienflieger gesetzt.
Nach Angaben der griechischen Polizei wurden im vergangenen Jahr insgesamt 1672 Flüchtlinge bei dem Versuch erwischt, mit einem regulären Flug das Land zu verlassen – eine deutliche Steigerung gegenüber 2016. Die gefälschten Ausweise werden demnach überwiegend im Land selbst angefertigt. Die Masche ist inzwischen so weit verbreitet, dass die deutschen Behörden seit November bei allen ankommenden Flügen aus Griechenland wieder Kontrollen vornehmen.
Nur noch wenige Kontrollen
Bei Flügen innerhalb des Schengen-Raums werden die Papiere der Passagiere seit Jahren sonst kaum kontrolliert. Meist prüfen lediglich Mitarbeiter der Fluggesellschaft, ob die Namen auf den Tickets mit denen auf den Ausweisen übereinstimmen. Auch an vielen griechischen Flughäfen sind inzwischen aber wieder Polizisten an den Gates im Einsatz. Ausserdem wird das Personal der Fluggesellschaften darin geschult, gefälschte Dokumente besser zu erkennen.
«Die Schlepper versuchen gezielt, die im Schengen-Raum geltenden Regeln auszunutzen», sagt Zaharoula Tsirigoti, die bei der griechischen Polizei für die Grenzkontrollen zuständig ist. In den meisten Fällen würden die Flüchtlinge aufgrund der zusätzlichen Massnahmen aber gestoppt. Auch der Syrer al-Dscharad wurde geschnappt – gerade als er dachte, er hätte es geschafft.
Der Privatjet war am 19. Januar in der nordgriechischen Stadt Kozani gestartet. Neben al-Dscharad waren vier weitere Syrer und ein Mann aus Kuwait an Bord. Al-Dscharad hatte am Schalter einen falschen argentinischen Pass vorgezeigt. Gemäss der Regularien war dieser vor dem Einsteigen mit keiner der Datenbanken abgeglichen worden, die Hinweise auf gestohlene oder gefälschte Papiere liefern. Als die Maschine in Thessaloniki einen Tankstopp einlegte, wurden die Passagiere dann aber doch noch von der Polizei überprüft.
«Sie gaben uns Pässe»
«Wir waren wirklich erstaunt, dass sie ein kleines Flugzeug aus Ägypten gechartert hatten», sagt Tsirigoti. «Es war der erste – und bisher einzige – Fall dieser Art. Ich vermute, dass es ein Testlauf war, bei dem die Schlepper schauen wollten, ob so etwas funktioniert.» Weiter als bis Thessaloniki kam die Maschine aber nicht. Die sechs Flüchtlinge wurden am Flughafen der Stadt festgenommen und später vor Gericht gestellt.
Nach Angaben von Al-Dscharad hatten die Schlepper von jedem der Flüchtlinge 4000 bis 5000 Euro kassiert, um sie nach Frankreich zu bringen. «Sie gaben uns Pässe – mexikanische, brasilianische, argentinische», sagte der Syrer am Rande des Gerichtsverfahrens der Nachrichtenagentur AP. Sein Ziel sei es gewesen, nach Grossbritannien zu kommen, wo bereits zwei Brüder lebten, und dann seine Frau und seine vier Kinder nachzuholen. Die Bezahlung sei über ein Mitglied der Schlepperbande in London abgewickelt worden.
Für die Überquerung des türkisch-griechischen Grenzflusses Evros sowie für eine anschliessende Fahrt nach Athen hatte Al-Dscharad zuvor anderen Schleppern bereits 1700 Euro gezahlt. Hinzu kommen etwa 1000 Dollar (800 Euro), die er für die Reise von Syrien in die Türkei hatte ausgeben müssen. In Griechenland wurden er und die fünf anderen Passagiere des Privatjets schliesslich zu drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
Alternative zur Balkan-Route
Trotz der hohen Kosten scheint die Weiterreise nach Westeuropa per Flugzeug für Flüchtlinge, die es sich leisten können, attraktiv zu sein. Auf der Balkan-Route, über die 2015 etwa eine Million Menschen Richtung Deutschland und weiter in andere Länder kamen, stehen inzwischen kaum zu überwindende Zäune. Auf den Fähren von Griechenland nach Italien werden die Identitäten der Passagiere deutlich genauer überprüft als im Normalfall bei Flügen. Die Erfolgschancen sind auf dem Luftweg also immer noch am grössten.
In Griechenland gibt es zudem eine gut organisierte Schattenwirtschaft für illegale Papiere. Im Februar konfiszierte die Polizei von Athen in Zusammenarbeit mit Europol fast tausend gefälschte oder gestohlene Ausweise. Alle waren für die Ausreise von Flüchtlingen aus Griechenland bestimmt. Elf Verdächtige wurden festgenommen. Und bereits im November hatte die Polizei in Athen vier Werkstätten geschlossen, die gut zahlenden Kunden hochwertige falsche Papiere auf Bestellung angefertigt haben sollen. Geliefert wurde innerhalb weniger Stunden.
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