Geringe Beteiligung Wahl im Irak stösst auf wenig Interesse

12.5.2018

Ein Mann durchsucht im Vorfeld der Stimmabgabe in Ramadi eine Wahlliste. Foto: Hadi Mizban/AP
Ein Mann durchsucht im Vorfeld der Stimmabgabe in Ramadi eine Wahlliste. Foto: Hadi Mizban/AP
Source: Hadi Mizban

Die IS-Terrormiliz ist militärisch geschlagen, aber weite Teile des Iraks sind zerstört. Die Parlamentswahl soll eigentlich den Weg in eine bessere Zukunft ebnen. Macht Trumps Alleingang im Atomkonflikt mit dem Iran einen Strich durch die Rechnung?

Bei der ersten Parlamentswahl im Irak nach dem militärischen Sieg gegen die IS-Terrormiliz zeichnet sich in vielen Gebieten nur eine geringe Wahlbeteiligung ab.

In einigen Provinzen lag sie nach Angaben der Wahlkommission bis 12.00 Uhr Ortszeit zwischen 20 und 30 Prozent, wie lokale Medien meldeten.

Der Wahlbeobachter der Friedrich-Ebert-Stiftung, Tim Petschulat, berichtete, in mehreren Wahllokalen in Bagdad hätten bis zum frühen Nachmittag nur zehn Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt. Ministerpräsident Haidar al-Abadi hob im Laufe des Tages eine Sperre für den Autoverkehr auf, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen.

Grössere Zwischenfälle wie bei der Abstimmung vor vier Jahren blieben zunächst aus. Rund 900'000 Sicherheitskräfte sollen für einen reibungslosen Ablauf sorgen.

Die Abstimmung soll nach Ansicht irakischer Politiker den Weg in eine stabilere Zukunft ebnen. Nach den Kämpfen gegen den IS sind grosse Teile des Iraks zerstört. Unter den Menschen ist Politikverdrossenheit weit verbreitet.

Mit Spannung wird erwartet, wie stark die Wahllisten abschneiden, die dem benachbarten Iran nahestehen. Beobachter befürchten, dass sich die Aufkündigung des Atomdeals mit dem Iran durch die USA negativ auf die Regierungsbildung im Irak und die Stabilität auswirken könnte. Beide Regierungen haben starken Einfluss auf die Politik in Bagdad.

Die Abstimmung gilt als wegweisend für die Zukunft des Landes. Foto: Khalid Mohammed/AP
Die Abstimmung gilt als wegweisend für die Zukunft des Landes. Foto: Khalid Mohammed/AP
Source: Khalid Mohammed

Mehr als 24 Millionen Iraker sind zur Stimmabgabe aufgerufen. Sie entscheiden unter fast 7'000 Kandidaten über 329 Sitze im irakischen Parlament. Der Schiit Al-Abadi ging als einer der Favoriten ins Rennen. Der 66-Jährige versuchte im Wahlkampf, mit dem Sieg gegen den IS unter seiner Führung zu punkten. Keine Wahlliste dürfte jedoch ausreichend Sitze gewinnen, um allein eine Regierung zu bilden. Das Endergebnis soll laut Wahlkommission bis Montag vorliegen.

Wähler präsentierten nach der Abstimmung Fotos, auf denen eine mit violetter Tinte gefärbte Fingerspitze zu sehen war. Damit wollten sie demonstrieren, dass sie an der Wahl teilgenommen haben.

Medien und Beobachter berichteten allerdings von zahlreichen Problemen bei der Abstimmung. Demnach öffneten Wahllokale zu spät. An mehreren Orten sei es zu Ausfällen des neu eingeführten elektronischen Wahlsystems gekommen. Al-Abadi rief die Iraker zu einer grossen Wahlbeteiligung auf. Die Wahl entscheide über die Zukunft des Landes, sagte er nach der Stimmabgabe in Bagdad.

Violette Tinte am Finger: Diese Frau in Bagdad hat gewählt. Foto: Ameer Al Mohammedaw
Violette Tinte am Finger: Diese Frau in Bagdad hat gewählt. Foto: Ameer Al Mohammedaw
Source: Ameer Al Mohammedaw

«Der Tag ist für die Iraker historisch nach dem, was sie an Vertreibung und Tod erlebt haben», sagte der Wähler Ahmed Adil aus der nordirakischen Stadt Mossul. «Die Iraker wollen eine Veränderung zum Besseren». Der Iraker Schakr Said blieb der Abstimmung hingegen fern. «Die Wahl wird nicht fair sein, sondern gefälscht. Der Sieger steht schon vorher fest.» Viele Wähler und Kandidaten befürchten, Stimmenkäufe könnten den Ausgang der Wahl verfälschen.

Al-Abadi hatte im Dezember den militärischen Sieg über den IS erklärt. Der Wiederaufbau kommt jedoch nur langsam voran. Der Weltbank zufolge werden dafür in den nächsten Jahren rund 88 Milliarden Dollar (rund 71 Milliarden Euro) benötigt.

Nach UN-Angaben sind zudem noch immer mehr als zwei Millionen Menschen im Land vertrieben. Auch IS-Zellen sind weiterhin aktiv. Die Terrormiliz hatte im Sommer 2014 grosse Teile im Norden und Westen des Iraks eingenommen und dort ein «Kalifat» ausgerufen.

Nach dem Sturz von Langzeitherrscher Saddam Hussein 2003 wird die Macht in Irak nach einem Proporzsystem vergeben. Viele Politiker sehen darin die Ursache für die ausufernde Korruption. Die Minderheit der Sunniten klagt zudem, sie werde von der Mehrheit der Schiiten benachteiligt. Beobachter befürchten, dass der sunnitische IS wieder erstarken könnte, sollte die neue Regierung nicht für einen Ausgleich zwischen den beiden grossen Konfessionen sorgen.

Das Internationale Rote Kreuz (IKRK) rief die Weltgemeinschaft auf, das Land angesichts der grossen Zerstörung nicht im Stich zu lassen. Der Irak befinde sich nach dem Sieg gegen die IS-Terrormiliz in einer sehr wichtigen Phase, da sich nun seine Zukunft entscheide, sagte die IKRK-Chefin im Irak, Katharina Ritz, der Deutschen Presse-Agentur. «Die internationale Gemeinschaft muss sich weiter engagieren.»

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