Begrenzungsinitiative Was kommt nach dem Ende des Freizügigkeitsabkommens?

tafu

5.8.2020

Welche Folgen wird ein Ende der Personenfreizügigkeit für die Schweiz und ihre Beziehungen zur EU haben?
Welche Folgen wird ein Ende der Personenfreizügigkeit für die Schweiz und ihre Beziehungen zur EU haben?
Bild: Keystone

Wenn am 27. September die Begrenzungsinitiative der SVP angenommen werden sollte, wird das unweigerlich Auswirkungen auf die Schweizer Beziehungen zur EU haben. 

Ende September steht die Begrenzungsinitiative zur Abstimmung. Gefordert werden Verhandlungen zur Kündigung der Personenfreizügigkeit. Doch welche Folgen wird ein «Ja» für die Schweiz haben, besonders für ihre Beziehungen zur EU?

Sollten die Schweizer für die Initiative stimmen, muss der Bundesrat in Verhandlungen mit Brüssel treten und das Freizügigkeitsabkommen ausser Kraft setzen. Aufgrund des guten Verhältnisses zur EU wird diese für Gespräche offen sein, so die NZZ.



Erst zu Beginn des Jahres hatten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga in Davos «Potenzial» und «Gesamtwert» der bilateralen Beziehungen betont. Auch wirtschaftlich ist die Schweiz ein guter Partner: Mit einem Anteil von sechs Prozent war sie 2018 der viertwichtigste Warenlieferant der EU.

Abkommen ist zentraler Bestandteil

Allerdings kann deswegen noch lange nicht davon ausgegangen werden, dass die Schweiz bei etwaigen Verhandlungen einen positiven Bescheid erwarten kann, so die NZZ. 



Auch sind bereits zuvor ähnliche Verhandlungen ungünstig ausgefallen: 2014 verlangte die Masseneinwanderungsinitiative eine Neuverhandlung, eingeführt werden sollten Höchstzahlen, Kontingente und Inländervorrang. Doch die EU erklärte sich nicht bereit, darauf einzugehen.

Die Freizügigkeit ist Kernelement der EU und umfasst vier Freiheiten: Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital. Das verdeutlichten die EU-Mitgliedstaaten als Antwort auf die damaligen Bemühungen der Schweiz: «Der Rat bekräftigt, dass die Freizügigkeit eine tragende Säule der EU-Politik ist und dass der Binnenmarkt und seine vier Freiheiten unteilbar sind.»

Binnenmarkt ohne Freizügigkeit?

Eine Integration in den Binnenmarkt sei aber durchaus auch ohne Personenfreizügigkeit möglich, so die Meinung einiger Ökonomen. Bei der Verknüpfung der Freiheiten handle es sich lediglich um ein politisches Dogma, aus wirtschaftlicher Sicht seien sie keinesfalls voneinander abhängig. Das sei deutlich an den Beispielen Kanada und Japan zu sehen: Der Warenverkehr ist durch ein Freihandelsabkommen liberalisiert, Personenfreizügigkeit werde dagegen nicht eingeführt.



Allerdings wirke sich die Personenfreizügigkeit durchaus positiv auf den Handel aus. Der Markt funktioniere wesentlich effizienter, insbesondere, da man für den Handel von komplizierteren Produkten meist Informationen über das andere Gebiet benötige, so der Chefökonom des Londoner Centre for European Reform, Christian Odendahl. Menschen seien seiner Aussage nach dafür die beste «Informationsbrücke».

Unter dem Strich glaubt Odendahl nicht daran, dass die EU positiv auf eine Aufkündigung der Personenfreizügigkeit durch die Schweiz reagieren werde.

Nach dem Ende der Freizügigkeit

Würde tatsächlich das Abkommen über die Personenfreizügigkeit aufgekündigt, so könnten davon weitere Verträge, nämlich das Dublin- und das Schengen-Abkommen, betroffen sein, hiess es Mitte Februar durch den Bundesrat. Ganz unbegründet ist diese Aussage nicht, wie das eidgenössische Justizdepartment (EJPD) auf Nachfrage der NZZ bestätigte.



Schengen und Dublin seien zwar formell nicht mit der Personenfreizügigkeit verknüpft, allerdings habe aus Sicht der EU das Abkommen bei den Verhandlungen eine «Grundlage für die Assoziierung der Schweiz an den Schengen-Besitzstand» dargestellt. Indem sie den Reiseverkehr im Schengen-Raum erleichterten, ergänzten das Dublin- und das Schengen-Abkommen das Freizügigkeitsabkommen.

Auch Eveline Widmer-Schlumpf, damalige Vorsteherin des EJPD, hatte kurz vor dem Beitritt der Schweiz im Jahr 2008 diesen Zusammenhang bestätigt. Kommt das «Nein» tatsächlich, werde die Guillotine-Klausel der bilateralen Verträge I alle dazugehörigen Abkommen ausser Kraft setzen. Allerdings müsste die Schweizer Schengen-Mitgliedschaft dann mit einem einstimmigen Beschluss der EU-Mitgliedstaaten gekündigt werden.

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