«Es ist der absolute Albtraum» ETH-Professor und sein Sohn leiden an Long Covid

aru

1.2.2024

Am Tag seiner Impfung infizierte sich Sohn Kai mit dem Coronavirus.
Am Tag seiner Impfung infizierte sich Sohn Kai mit dem Coronavirus.
Quelle: Keystone/Archivbild

Ein ETH-Professor und sein Sohn leiden an einer extremen Form von Long Covid. Sie geben Einblicke in ihren Alltag, der von Rückschlägen und Erschöpfung geprägt ist.

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1.2.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Ein Informatikprofessor an der ETH Zürich erkrankt gemeinsam mit seinem Sohn an Long Covid.
  • Die Leidensgeschichte der beiden ist lang und steinig.

Weil Otmar Hilliges nicht mal das Licht an der Wand im abgedunkelten Zimmer erträgt, hat er eine Augenbinde auf, als er Besuch vom «Tages-Anzeiger» erhält. Seit fast einem halben Jahr liege Hilliges hier. Der Informatikprofessor an der ETH ist so erschöpft, dass er es kaum aus dem Zimmer schafft.

Seine Mahlzeiten nimmt Hilliges liegend im Bett zu sich. Weder im Beruf noch im Freundeskreis kann er Aktivitäten nachgehen, seit er an Long Covid leidet. Er sagt: «Es ist der absolute Albtraum.»

Auch sein Sohn Kai, der elfjährig ist, leidet an Long Covid. Er kann nicht mehr stehen, musste eine Zeit lang sogar durch die Wohnung getragen werden. Seit über einem Jahr war er nicht mehr in der Schule.

Angefangen habe alles im Januar 2022. Just an dem Tag, an dem Sohn Kai geimpft werden soll, erkranken er und sein Bruder an Corona. Kurz darauf wird auch der Vater infiziert. Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sind nach einigen Tagen vorüber, die Krankheit scheint überstanden zu sein.

Eltern lassen ihren Sohn auf alles Mögliche testen

Einige Monate später hat Kai wieder Kopfschmerzen und Schwindel. Die Symptome sind schwach und gehen vorbei, kehren jedoch immer wieder zurück. Schliesslich werden sie stärker und anhaltender. In der Schule kann er sich immer weniger konzentrieren, sein Gang wird schleppender.

Die Eltern horchen auf und lassen ihren Sohn auf alles Mögliche untersuchen. Doch Fehlalarm: Keine Entzündungsherde und keine Tumore lassen sich ausmachen. 

Im Oktober 2022 erkrankt Kai ein zweites Mal an Corona. Fortan verschlechtert sich sein Gesundheitszustand zusehends. Als er im Januar 2023 Corona und Grippe gleichzeitig bekommt, muss er ins Spital.

Er kann nicht mehr Treppensteigen, was für die Familie besonders beschwerlich ist, da sie in einer Mietwohnung im vierten Stock eines Hauses ohne Lift am Zürichberg wohnt. Er braucht rund um die Uhr Hilfe.

«Es fühlte sich an, als würde mein ganzes System abstürzen»

Auch der Vater fühlt sich einige Monate nach der Infektion noch nicht ganz gesund. Er sei oft müde und die Muskeln würden schmerzen. Im Januar 2023 wird auch er nochmals an Corona erkranken. Nach wenigen Tagen ist die Krankheit vorüber, doch Beschwerden bleiben. Es kommen kognitive Probleme hinzu. Denn bei einer Vorlesung fallen ihm plötzlich gängige Fachbegriffe nicht mehr ein.

Schliesslich kam der 24. März 2023. Nach einer Mountainbike-Tour und Besuch am Abend fühlt sich Hilliges so schlecht wie noch nie. Er hatte pochende Kopfschmerzen und kalter Schweiss. «Es fühlte sich an, als würde mein ganzes System abstürzen», sagt er zum «Tages-Anzeiger».

Inzwischen ist er krankgeschrieben. Bei Sohn und Vater wurde die Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS) diagnostiziert. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung, die oft die Folge von Pfeifferschen Drüsenfiebers, einer Grippe oder eben von Long Covid ist.

Unterstützung von aussen gebe es kaum, sagt Ehefrau Amy, die ihr Pensum als Texterin in einem Techunternehmen reduziert hat und nun fast nur noch von zu Hause aus arbeitet.

Kai machte seit den Sommerferien 2023 grosse Fortschritte. So kann er hin und wieder mit dem Rollstuhl in die Schule gehen, um dort seine Schulkameraden wiederzusehen.

Vater Otmar Hilliges geht es anders. Bei ihm gehe es immer weiter abwärts. Die Hoffnung habe er aber nicht verloren. Es überrasche ihn, wie psychisch stabil er nach wie vor sei. «Meinen inneren Antrieb habe ich nicht verloren», sagt er.

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