Endlager-Diskussion Schweizer Konzept «ausgehöhlt» – Geologe kritisiert Atommüll-Pläne

uri

23.4.2019

Radioaktive Abfällle im Zwischenlager Würenlingen AG. (Archiv)
Radioaktive Abfällle im Zwischenlager Würenlingen AG. (Archiv)
Bild: Keystone

Ein Schweizer Experte glaubt nicht mehr an ein Tiefenlager für Atommüll in der Schweiz. Er fordert deshalb ein neues sichereres Zwischenlager.

Der Geologe und Soziologe Marcos Buser hat als Mitglied der Expertengruppe Ekra Anfang des Jahrtausends das Konzept der geologischen Tiefenlagerung von Atomabfällen mitentwickelt, dass heute im Kernenergiegesetz verankert ist. Inzwischen betrachtet er es aber skeptisch und rückt davon ab, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet.

Buser kritisiere, dass das Ekra-Konzept durch die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) und das Bundesamt für Energie (BFE) «ausgehöhlt» worden sei. In seinem gerade erschienenen Buch «Wohin mit dem Atommüll?» fordert er deshalb, man müsse die Einlagerung radioaktiver Abfälle in den Untergrund und auch deren Rückholung unter realen Bedingungen in Pilotanlagen testen. Erst dann könne man überhaupt an die Umsetzung definitiver Untertagelösungen denken.

Übergangslösung gefordert

Besonders der Rückholbarkeit komme grosse Bedeutung zu, denn künftige Generationen könnten mit neuen Technologien die abgebrannten Brennelemente womöglich wieder aufbereiten – und so wieder der Energieerzeugung zuführen oder sie effektiver unschädlich machen. Die Gesellschaft brauche deshalb «mehr Zeit, um technisch und politisch umsetzbare und akzeptierbare Lösungen zu entwickeln», so Buser.

Der Experte ist dabei nach wie vor der Meinung, dass man Atomabfälle nicht dauerhaft in oberirdischen Lagern «hüten» dürfe. Zum einen könne man die Stabilität von Gesellschaften nicht einfach voraussetzen, zum anderen seien solche Lager heute stärker gefährdet – etwa durch Terroranschläge oder Abstürzen von Flugzeugen, die inzwischen deutlich grösser sind als früher. Ein Depot in der Tiefe sei deshalb sicherer.

Buser hält entsprechende Übergangslösung für zwingend notwendig. Das nicht zuletzt, um «den wachsenden Risiken von überhastet umgesetzten Tiefenlagern wie in Deutschland und den USA zu begegnen». In beiden Ländern haben entsprechende Vorhaben etliche Probleme verursacht und hohe Kosten nach sich gezogen.

Nagra hält an Konzept fest

Buser schlägt deshalb in seinem noch in der Planung befindlichen «Dual-Konzept» vor, radioaktiven Abfall im europäischen Rahmen länger in Zwischenlagern zu lassen, bis ein technisch ausgereiftes Tiefenlager für die nächsten Generationen machbar sei. Wie der «Tages-Anzeiger» schreibt, ist die Einlagerungen von hochaktivem nuklearem Abfall in der Tiefe laut dem Sachplan des Bundes bis zum Jahr 2060 geplant.

Die Nagra sieht Busers Kritik demnach als unbegründet an, denn es sei internationaler Konsens unter Experten, dass «geologische Tiefenlager die sicherste und damit beste Lösung» seien. Auch stehe es ausser Frage, dass die Rückholbarkeit der Atomabfälle garantiert sein müsse: Das Ekra-Konzept sei «im Schweizer Kernenergiegesetz aufgenommen und verankert».

Allerdings, so die Zeitung auch, sei bisher in ganz Europa noch kein Tiefenlager für hochaktiven Atommüll in Betrieb. Und weitere Verzögerungen durch politische Widerstände oder neue wissenschaftliche Erkenntnisse seien hier ohnehin nicht auszuschliessen.

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