Happiges Politjahr 2024Gesucht: Parteichefs, Klarheit zur AHV und ein Deal mit Brüssel
Von Gil Bieler
6.1.2024
Arbeiten wir bald länger oder gibt es eine 13. AHV-Rente? Gelingt endlich eine Einigung mit Brüssel? Und wer übernimmt das Steuer bei SVP und Grünen? Das Schweizer Jahr 2024 bietet politisch einigen Zündstoff.
Von Gil Bieler
06.01.2024, 23:55
07.01.2024, 14:27
Gil Bieler
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Im Jahr 2024 harren mehrere gewichtige politische Brocken einer Lösung.
An Abstimmungsvorlagen mangelt es nicht: Unter anderem befindet das Volk über die Einführung einer 13. AHV-Rente und die Erhöhung des Rentenalters auf 66 Jahre.
Auch zwei Volksinitiativen von SP und Mitte-Partei, die sich mit den steigenden Gesundheitskosten befassen, kommen an die Urne.
Zwei der grossen Parteien suchen neue Präsident*innen: Bei der SVP tritt Marco Chiesa zurück, bei den Grünen Balthasar Glättli.
Der Bundesrat will ausserdem eine Einigung mit der EU finden, wie die bilateralen Beziehungen künftig aussehen sollen.
Die Ankündigung kam überraschend: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gab vor knapp einem Monat bekannt, dass in der Schweiz Friedensgespräche stattfinden würden. Das Treffen wird am 14. Januar in Davos durchgeführt, wo tags darauf das diesjährige Weltwirtschaftsforum (WEF) beginnt.
«Die definitive Teilnehmerliste wird erst sehr kurzfristig vor der Konferenz feststehen», erklärt Elisa Raggi, Mediensprecherin des Eidgenössischen Aussendepartements (EDA), auf Anfrage von blue News. Die Vorbereitungen seien in vollem Gange.
Das Treffen werde gemeinsam von der Ukraine und der Schweiz organisiert, erklärt die EDA-Sprecherin weiter, wobei Selenskyjs Zehn-Punkte-Plan für ein Ende des Krieges im Zentrum stehe. Dieser Plan sieht unter anderem den Abzug aller russischer Truppen aus der Ukraine vor, inklusive der seit 2014 besetzten Krim. Zudem sollen alle Kriegsgefangenen freigelassen werden.
Dass Aussenminister Ignazio Cassis oder gar Selenskyj selbst vor Ort sein werden, ist fraglich: Laut früheren Angaben des EDA ist ein Treffen auf technischer Ebene geplant, nicht auf politischer Ebene. On vera.
24. Februar: Wermuth kehrt aus Auszeit zurück
Am 24. Februar ist die Parteiführung der SP wieder komplett: Dann endet der knapp zweimonatige Familienauszeit von Co-Parteipräsident Cédric Wermuth. Wie der Aargauer Nationalrat auf X erklärt hat, will er zum SP-Parteitag vom 24. Februar wieder ins politische Geschäft einsteigen. Bis dahin ist Co-Präsidentin Mattea Meyer allein am Drücker.
3. März: Abstimmungen über die AHV
Gleich zwei Vorlagen, die sich mit der finanziellen Absicherung der AHV befassen, kommen am 3. März zur Abstimmung. Zum einen die Initiative zur Einführung einer 13. AHV-Monatsrente der Gewerkschaften. Diese wird von bürgerlichen Parteien abgelehnt, Ja sagen dagegen SP und Grünen. In der Bevölkerung geniesst das Vorhaben gemäss Umfragen aber auch bei bürgerlichen Wähler*innen breiten Rückhalt.
Die zweite Vorlage ist die Renteninitiative der Jungen FDP. Diese sieht eine Erhöhung des generellen Rentenalters auf 66 Jahre vor. Danach soll das Pensionsalter an die Lebenserwartung gekoppelt werden, in der Tendenz also schrittweise weiter ansteigen. Unterstützung erhält der Jungfreisinn bislang nur von der Mutterpartei, der FDP.
Die beiden Vorlagen werden auch zum ersten Formtest für Elisabeth Baume-Schneider, die Anfang Jahr das Innendepartement übernommen hat: Die SP-Bundesrätin muss die Haltung des Gesamtbundesrats vertreten, der beide Initiativen ablehnt – das bringt Baume-Schneider in Clinch mit ihrer eigenen Partei. Politgeograf Michael Hermann hat eine Vermutung, wie sie diesen Spagat lösen will: «Sie wird immer klar erkennen lassen, wo ihr Herz schlägt – nämlich links», sagte er im Gespräch mit blue News.
9. März: Wer übernimmt bei der Jungen SVP?
Wer wird neuer Chef der Jungen SVP? Das entscheidet sich an der Hauptversammlung vom 9. März. Der bisherige Präsident David Trachsel legt nach vier Jahren sein Amt nieder. Gemeinsam mit dem 29-jährigen Basler nehmen fünf weitere Mitglieder der Parteileitung ihren Hut. Bleiben wird dagegen Nils Fiechter, der schon heute der Parteileitung angehört. Der 27-jährige Berner gilt als Favorit auf das Präsidentenamt.
23. März: Wer übernimmt das SVP-Präsidium?
Am 23. März wählen die SVP-Delegierten einen neuen Parteichef. Marco Chiesa gibt das Amt nach knapp vier Jahren wieder ab. Er habe seinen Auftrag erfüllt, erklärte der Tessiner zur Begründung: «Das Ziel meiner Amtszeit war: die Wahlen zu gewinnen und die Politik und die Werte der SVP zu stärken.» Das sei gelungen.
Wer auf Chiesa folgt, ist noch unklar. Als mögliche Kandidat*innen werden der Schwyzer Nationalrat Marcel Dettling, die Genfer Nationalrätin Céline Amaudruz und der Luzerner Nationalrat Franz Grüter genannt. Bewerber*innen können ihr Interesse bis zum 19. Januar anmelden, gewählt wird dann im Rahmen der Delegiertenversammlung.
Vier Fragen an: Marco Chiesa, Parteipräsident SVP Schweiz
Der SVP-Parteipräsident über das passendste Lied für die SVP, wann er das letzte Mal vegan gegessen hat, welches Schweizer Klischee stimmt und was für einen Schlüsselanhänger er hat.
03.02.2023
6. April: Wer übernimmt bei den Grünen?
Auch die Grünen suchen eine*n neue*n Präsident*in: Balthasar Glättli zieht mit seinem Rücktritt die Konsequenzen aus dem schlechten Ergebnis bei den eidgenössischen Wahlen vom Oktober 2023. «Ich bin das Gesicht dieser Niederlage», hatte der Grünen-Chef und Zürcher Nationalrat gesagt. Er ist seit 2020 Parteipräsident.
Als Favoritin häufig genannt wird Lisa Mazzone. Die 35-jährige Genferin gilt als Nachwuchshoffnung der Grünen und sass vier Jahre im Ständerat, verpasste im Herbst aber überraschend ihre Wiederwahl.
Frühjahr: Bundesrat zurrt Verhandlungsmandat mit EU fest
Wie sollen die Beziehungen der Schweiz zur EU aussehen? Dieses Dauerthema wird das aussenpolitische Jahr dominieren. Der Bundesrat ging im Dezember 2023 in die Offensive: Er stellte einen Entwurf für ein Verhandlungsmandat mit der EU vor und schickte es zur Konsultation bei Kantonen und Parlament.
Läuft alles nach Plan, will der Bundesrat das definitive Mandat im Frühjahr festzurren und danach mit den Verhandlungen loslegen. Der Zeitplan ist ehrgeizig: Noch bis Ende des Jahres soll eine Einigung erzielt werden. Wobei, bis die bereits bekannten Knackpunkte gelöst werden müssen.
Anders als bei den erfolglosen Verhandlungen über ein Institutionelles Rahmenabkommen sollen die institutionellen Fragen neu in einzelnen Paketen geregelt werden. Mit den skizzierten Lösungen zum Lohnschutz sind die Gewerkschaften aber schon einmal unzufrieden, die SVP wird ohnehin kaum Hand zu einer Kooperation bieten.
Auf Bundesrat und Aussenminister Ignazio Cassis und Bundespräsidentin Viola Amherd wartet ein ordentliches Stück Arbeit. Als Chefunterhändler verhandelt aber neu der stellvertretende Staatssekretär Patric Franzen mit der EU.
Ignazio Cassis: «Alles kann noch mal verhandelt werden»
Laut Aussenminister Ignazio Cassis gibt es nach den Sondierungsgesprächen mit der EU keine roten Linien. «Alles kann noch einmal diskutiert werden – von beiden Seiten.» In vielen offenen Punkten gehe es um Kleinigkeiten.
15.12.2023
Sonst noch was?
Ebenfalls im Laufe des Jahres kommen zwei Initiativen zur Abstimmung, die sich um die steigenden Krankenkassenprämien drehen: die Prämienentlastungsinitiative der SP und die Kostenbremse-Initiative der Mitte-Partei. Wann genau das Volk darüber befindet, ist noch unklar.
Die SP-Initiative will erreichen, dass ein Haushalt maximal zehn Prozent seines Einkommens für die Krankenkassenprämien aufbringen muss. Die Mitte-Partei dagegen will den Bundesrat zum Einschreiten verpflichten, wenn die Gesundheitskosten 20 Prozent mehr ansteigen als die Löhne. Der Bundesrat lehnt beide Initiativen ab. Auch hier ist es an der neuen Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider, den Abstimmungskampf für die Regierung zu bestreiten.
Ausserdem steht die Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» auf der Agenda, die von der massnahmenkritischen Freiheitsbewegung Schweiz im Zuge der Corona-Pandemie gestartet wurde. Ihr Ziel: Die Schweiz solle keine Impfpflicht mehr beschliessen dürfen. Auch hierzu sagt der Bundesrat Nein.
Und nicht zuletzt ist da die Reform der zweiten Säule: Gewerkschaften, SP und Grüne haben das Referendum dagegen ergriffen. Kernstück der Reform ist die Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6,0 Prozent. Wer also in der zweiten Säule ein Altersguthaben von 100'000 Franken anhäuft, soll künftig eine jährliche Rente von 6'000 anstelle von 6'800 Franken erhalten.
Zwar sind Kompensationszahlungen für die Jahrgänge einer Übergangsgeneration vorgesehen, die Linke kritisiert die Reform aber dennoch als unfaire Rentenkürzung.