Selbstständige PsychologenKrankenkassen warnen vor höheren Prämien
dor
17.1.2020
Psychologen sollen sich nicht mehr von Ärzten anstellen und beaufsichtigen lassen müssen. So will es der Bund. Durch diesen Systemwechsel drohen Mehrkosten von bis zu 500 Millionen Franken und höhere Prämien, warnt Santésuisse.
Psychologen sollen künftig selbstständig Patienten behandeln und ihre Leistungen direkt über die Grundversicherung der Krankenkasse abrechnen können. So der Plan des Bundesrats, der vergangenes Jahr auf Betreiben der Psychologen hin Vorschläge machte, mit denen diese mehr Freiheit bekommen sollen. Sie sollen künftig selbstständig über die obligatorische Krankenversicherung abrechnen dürfen – allerdings nur, wenn die Therapie von einem Arzt verschrieben wird.
Diese Systemänderung würde allerdings einen deutlichen Prämienschub verursachen, warnt jetzt laut «Tages-Anzeiger» der Krankenkassenverband Santésuisse. Der Verband habe in einer neuen Studie die längerfristigen Folgen des angestrebten Wechsels berechnet und komme zu einem «wesentlich dramatischeren Befund» als der Bund, heisst es in dem Bericht: Im Extremfall könnten die Kosten um bis zu einer halben Milliarde Franken anwachsen. Im Vergleich zu den heutigen Kosten entspräche das einer Verdoppelung.
Wollen Psychologen in der Schweiz Patienten behandeln und dies über die Grundversicherung abrechnen, so müssen sie dies unter Aufsicht eines Psychiaters tun, zumindest wenn sie Therapien über die obligatorische Krankenversicherung anbieten wollen. Psychiater müssen eine deutlich längere Weiterbildung absolvieren, sie sind medizinisch ausgebildet. Der Psychiater darf dank des Arzttitels Medikamente verschreiben, der Psychologe nicht.
Bei diesem sogenannten Delegationsmodell stehen Psychologen in einer Art Angestelltenverhältnis mit einem Psychiater und arbeiten unter dessen Aufsicht. Voraussetzung bei dem neuen Modell wäre: Ein Arzt müsste eine Therapie anordnen.
Dass das angestrebte «Anordnungsmodell» für die Versicherten Mehrkosten und somit eine höhere Prämienrechnung zur Folge haben wird, hat der Bund bereits in Aussicht gestellt. Allerdings prognostiziert er laut dem Bericht bislang Zusatzbeträge in der Grössenordnung von 100 Millionen Franken, also deutliche weniger als Santésuisse. Der Verband hat die längerfristigen Folgen berechnet und warnt vor Mehrkosten von bis zu 500 Millionen Franken.
Ein Hauptgrund für die «pessimistischere» Santésuisse-Prognose: Der Verband berücksichtige bei seinen Berechnungen ein grosses Anliegen der Psychologen. Diese streben nicht nur nach mehr Freiheit, sondern auch nach mehr Verdienst, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. Sie wollen demnach für Therapiesitzungen künftig gleich bezahlt werden wie die Psychiater. Die ärztliche Psychotherapie werde derzeit mit 187 Franken pro Stunde vergütet, jene der Psychologen nur mit 135 Franken.
Die Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP) halte auf ihrer Website dazu unmissverständlich fest: «Es gibt EINE Psychotherapie, die von Psychiater(inn)en und Psycholog(inn)en gleichermassen durchgeführt wird.» Die Forderung laute daher: «Gleiche Bedingungen und gleicher Lohn für gleiche Arbeit!»
Die geforderte «Lohngleichheit» würde gemäss der Santésuisse-Studie mittelfristig ein Kostenwachstum von 330 Millionen Franken pro Jahr verursachen. Hinzu kommen laut dem Bericht Auswirkungen wie die gesteigerte Attraktivität des Psychologenberufs – und wo es mehr Psychologen gebe, so die Annahme, gebe es auch mehr Patienten. Die «Mengeneffekte» seien zwar schwer vorherzusagen, räumen die Autoren der Studie laut «Tages-Anzeiger» ein. Im Extremfall hielten sie aber eine Kostensteigerung von insgesamt rund 500 Millionen Franken für plausibel.
«Allzu optimistische» Berechnung des Bundes
Selbst wenn der Tarif nur halb so stark angehoben wird, könnte die Steigerung immer noch über 300 Millionen Franken betragen. «Das entspricht rund einem Prämienprozent», warnt der stellvertretende Santésuisse-Direktor Christoph Kilchenmann in dem Bericht. Er bedauere, dass das Bundesamt für Gesundheit die möglichen mittelfristigen Folgen «ausgeblendet» und damit eine «allzu optimistische» Berechnung präsentiert habe.
Laut Kilchenmann stellt sich Santésuisse nicht grundsätzlich gegen das Anordnungsmodell. Höhere Tarife für die Psychologen kommen für ihn aber nicht infrage. Und man müsse sicherstellen, dass nicht alle Ärzte, sondern nur jene mit spezifischer Qualifikation eine Therapie anordnen könnten.
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