Im Nationalrat herrscht zwar Einigkeit, dass Schweizer Bauern den Pestizid- und Antibiotikaverbrauch reduzieren müssen. Dennoch wurden Initiativen von einer klaren Mehrheit abgelehnt.
Der Nationalrat hat am Donnerstag die Debatte abgeschlossen, die er am Vortag aufgenommen hatte. Er entschied, beide Initiativen zur Ablehnung zu empfehlen, die auf unterschiedlichen Wegen das gleiche Ziel hatten: Mehr Ökologie in der Landwirtschaft. Zur Trinkwasser-Initiative sagte er mit 130 zu 58 Stimmen Nein, zur Pestizidverbots-Initiative mit 131 zu 54 Stimmen.
Die Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» fordert ein Verbot synthetischer Pestizide in der landwirtschaftlichen Produktion, in der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und in der Boden- und Landschaftspflege. Verboten werden soll auch der Import von Lebensmitteln, die mit synthetischen Pestiziden hergestellt wurden oder die solche enthalten.
Arbeitsplätze angeblich gefährdet
Die Trinkwasser-Initiative setzt beim Geld an. Sie verlangt, dass nur noch jene Bauern Subventionen erhalten, die auf den Einsatz von Pestiziden, vorbeugend oder systematisch verabreichte Antibiotika und zugekauftes Futter verzichten. Auch die landwirtschaftliche Forschung, Beratung und Ausbildung soll nur unter diesen Bedingungen Geld vom Bund erhalten.
Hält die Trinkwasser- und die Pestizidverbots-Initiative für «extrem wirtschaftsfeindlich»: Bauernverbandspräsident und St. Galler CVP-Nationalrat Markus Ritter.
Will zusammen mit den Bauern verbindliche Massnahmen ausarbeiten: Beat Jans, SP-Nationalrat aus Basel-Stadt.
Warnt vor einem «Waterloo» für das Image der Bauern: Der Aargauer SP-Nationalrat Cédric Wermuth.
«Wir subventionieren unsere eigene Umweltzerstörung»: Kathrin Bertschy (GLP/BE) geht hart mit den Bauern ins Gericht.
«Die Landwirtschaft hat erkannt, dass eine Entwicklung notwendig ist», sagte der Berner Bauer und SVP-Nationalrat Andreas Aebi. (Archivbild)
Landwirtschafts-Initiativen abgelehnt
Hält die Trinkwasser- und die Pestizidverbots-Initiative für «extrem wirtschaftsfeindlich»: Bauernverbandspräsident und St. Galler CVP-Nationalrat Markus Ritter.
Will zusammen mit den Bauern verbindliche Massnahmen ausarbeiten: Beat Jans, SP-Nationalrat aus Basel-Stadt.
Warnt vor einem «Waterloo» für das Image der Bauern: Der Aargauer SP-Nationalrat Cédric Wermuth.
«Wir subventionieren unsere eigene Umweltzerstörung»: Kathrin Bertschy (GLP/BE) geht hart mit den Bauern ins Gericht.
«Die Landwirtschaft hat erkannt, dass eine Entwicklung notwendig ist», sagte der Berner Bauer und SVP-Nationalrat Andreas Aebi. (Archivbild)
Nach Ansicht von Bauernverbandspräsident Markus Ritter (CVP/SG) sind die Initiativen «extrem wirtschaftsfeindlich». Er warnte vor Ernteausfällen und steigenden Preisen. Mehr Lebensmittel müssten aus dem Ausland importiert werden. Weil kaum mehr Kakao und Kaffee eingeführt werden könnten, würden in der verarbeitenden Industrie tausende Arbeitsplätze verloren gehen. Auch Gastronomie und Hotellerie würden hart getroffen.
«Geduld ist am Ende»
Viele Bauernvertreter wiesen auch auf die Fortschritte der letzten Jahre hin. Der Verbrauch von Pestiziden, Pflanzenschutzmitteln und Antibiotika sei drastisch reduziert worden. Überall könne man das Wasser aus der Leitung trinken und in den Gewässern schwimmen.
Weitere Fortschritte versprechen sich die Initiativgegner vom Aktionsplan Pflanzenschutzmittel, der Strategie Antibiotikaresistenzen und den vom Bundesrat mit der Agrarpolitik ab 2022 (AP22+) angekündigten Massnahmen. «Die Landwirtschaft hat erkannt, dass eine Entwicklung notwendig ist», sagte der Berner Bauer Andreas Aebi (SVP).
Doch in ökologischen Kreisen fehlt der Glaube in den guten Willen der Bauern. «Unsere Geduld ist langsam am Ende», sagte GLP-Fraktionschefin Tiana Moser (ZH). «Absichtserklärungen und Versprechungen nützten nichts», erklärte auch Konsumentenschützerin Prisca Birrer-Heimo (SP/LU). Beat Jans (SP/BS) erinnerte daran, dass der Bauernverband fast alle in der AP22+ vorgeschlagenen Massnahmen ablehnt.
«Echte Konkordanz»
Weil die beiden Initiativen auch vielen Vertretern von SP, Grünen und Grünliberalen zu weit gehen, schlug Jans deren Rückweisung an die Kommission vor. Diese sollte einen indirekten Gegenvorschlag ausarbeiten. Die notwendigen Gesetzesanpassungen müssten gemeinsam mit Bauern, Kantonen und Trinkwasserversorgern erarbeitet werden, forderte Jacqueline Badran (SP/ZH). «Das wäre echte Problemlösung und echte Konkordanz.»
Mit dem indirekten Gegenvorschlag sollten verbindlich die Risiken der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 halbiert und Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz gefördert werden. Zudem sollte der Schutz vor nachteiligen Einwirkungen durch Pflanzenschutzmittel verbessert und der Fremdstoffeintrag in das Grundwasser gesenkt werden.
«Das grösste Waterloo»
Dieser Ansatz wurde auch von Mitgliedern von FDP und CVP unterstützt. Kurt Fluri (SO) erinnerte an die alarmierenden Befunde der Wasserfachleute und Wasserversorger. Immer mehr Wasserfassungen müssten geschlossen werden. Angesichts Status' des Trinkwassers in der Schweiz sei eine Ablehnung ohne Gegenvorschlag eine «Hochrisikostrategie».
Bernhard Guhl (BDP/AG) äusserte Sympathien für verbindliche Massnahmen. Cédric Wermuth (SP/AG) fehlte jedes Verständnis für das kategorische Nein der Bürgerlichen. Die kantonalen Umweltdirektoren, Wasserversorger, Konsumentenschützer, der Fischereiverband, Grossverteiler und sogar die bürgerlichen Jungparteien seien für einen indirekten Gegenvorschlag. «Das wird das grösste Waterloo für ihre Branche», warnte Wermuth die Bauern.
Trotzdem sprach sich der Nationalrat mit 111 zu 78 Stimmen gegen die Rückweisung und damit gegen einen indirekten Gegenvorschlag aus. Ebenso deutlich lehnte er die beiden direkten Gegenvorschläge ab.
«Eine Selbstverständlichkeit»
Einer davon setzte wie die Trinkwasserinitiative bei den Direktzahlungen an. Die Bauern sollten ebenfalls ökologische Bedingungen erfüllen, um in den Genuss von Subventionen zu kommen. Diese waren aber weniger streng formuliert als die Initiative. Anders als diese sollte der Gegenvorschlag aber auch Stickstoffemissionen angehen.
Die zweite Variante sollte den Einsatz von Dünger, Pflanzenschutzmitteln oder Tiermedikamenten auf ein nachhaltig verträgliches Mass reduzieren. Das Reduktionsziel soll durch Branchenvereinbarungen bis 2030 erreicht werden. Andernfalls soll der Bundesrat konkrete Massnahmen anordnen können. «Eigentlich eine Selbstverständlichkeit», sagte Berschy.
Der Bundesrat lehnt Initiativen und Gegenvorschläge ebenfalls ab. Diese gingen zu weit und würden wegen der Importverbote auch gegen internationale Verpflichtungen der Schweiz verstossen, sagte Landwirtschaftsminister Guy Parmelin. Der Bundesrat habe aber die Hände nicht in den Schoss gelegt. Parmelin erinnerte unter anderem an die geplanten Massnahmen im Rahmen der AP22+. Die Botschaft dazu will er gegen Ende 2019 vorlegen.
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