Paroli bieten «Rassisten denken oft, sie sprächen für die ganze Bevölkerung»

Von Gil Bieler

20.7.2020

Mit solch einer Maske sass kürzlich eine Person in einem Zürcher Tram: Mitglieder des rassistischen Ku-Klux-Klans in Gary im US-Bundesstaat Indiana.
Mit solch einer Maske sass kürzlich eine Person in einem Zürcher Tram: Mitglieder des rassistischen Ku-Klux-Klans in Gary im US-Bundesstaat Indiana.
Bild: Keystone

Mit Rassisten im Tram – wie soll man sich in einer solchen Situation am besten verhalten? Ein Experte rät: Man darf dagegenhalten, sollte sich aber selber nicht in Gefahr bringen.

Auf WhatsApp und in sozialen Medien kursiert seit einigen Tagen ein irritierendes Foto aus Zürich. Es zeigt eine Person in einem Tram der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ), die eine weisse, spitzige Kapuze im Stil des rechtsextremen Ku-Klux-Klans aus den USA trägt. «Bluewin» verzichtet hier auf eine Abbildung.

Bei den VBZ hat man zwar Kenntnis von dem Fall, doch der oder die Maskenträgerin fuhr in keine Kontrolle, wie Mediensprecherin Elina Fleischmann auf Anfrage sagt. «Wäre dem so gewesen, hätte das VBZ-Personal eine Weiterfahrt aber nicht akzeptiert, weil dieser Aufzug klar rassistisch ist.» Entweder hätte die Person ihre Maske abnehmen und durch einen Mundschutz austauschen oder aussteigen müssen.

Nicht beleidigen, aber Klartext reden

Bleibt die Frage: Wie können Privatpersonen reagieren, wenn sie im öffentlichen Raum rassistische Äusserungen oder Aktionen beobachten? Wenn man sich daran störe, soll man die betreffende Person auch darauf ansprechen, sagt Giorgio Andreoli.

Er ist Leiter der Beratungsstelle «Gemeinsam gegen Gewalt und Rassismus» (GGGFON), die von über 40 Berner Gemeinden sowie dem Kanton Bern getragen wird und unter anderem Kurse zu Zivilcourage anbietet. Wichtig sei jedoch, dass man sich nicht selber in Gefahr bringe – und sein Vorgehen genau plane.



Man sollte im Voraus festlegen, was man mit seinem Einspruch erreichen will, rät Andreoli. «Dass die Person auf einen Schlag ihr Verhalten ändert, ist wohl eher schwierig zu erreichen.» Aber nur schon die Botschaft «Damit bin ich nicht einverstanden» sei ein wichtiges Signal. «Oft denken Personen, die sich rassistisch äussern, sie sprächen für die ganze Bevölkerung.» Da dürfe man zeigen, dass dem nicht so sei.

In einer Situation im Tram etwa hätte man erst Verbündete suchen können, sagt Andreoli. «Man kann sich kurz absprechen: Findet ihr das auch daneben?» Danach könnte man den Kapuzenträger gemeinsam auf seine Aktion ansprechen. Wichtig zu beachten: Nicht beleidigend oder laut werden, Distanz wahren und Ich-Botschaften verwenden: «Ich finde das daneben.» Sollte sich ein Gespräch entwickeln, könne man seine Gründe auch ausformulieren.

Sollte der Angesprochene dagegen aggressiv reagieren: zurückziehen und den Fall allenfalls melden. Im Tram etwa hätte man den Fahrer darauf ansprechen können, oder im Nachhinein eine Anlaufstelle wie GGGFON informieren. «Auf keinen Fall sollte man selber Polizist spielen und etwa die Personalien aufnehmen wollen», rät Andreoli.

Polizei will kontrollieren

Bei der Stadtpolizei Zürich ging wegen des Vorfalls keine Meldung oder Anzeige ein. Ist es überhaupt strafbar, sich in solch einer Aufmachung im öffentlichen Raum zu bewegen? Würde die Polizei gerufen, würde die Situation vor Ort beurteilt, wie Mediensprecherin Judith Hödl auf Anfrage mitteilt.

Dabei gehe es unter anderem um Fragen zu Hintergrund, Motiv und strafbarem Verhalten. Auch eine Personenkontrolle würde durchgeführt. «Je nachdem kann dies dann eine entsprechende Rapporterstattung zuhanden der zuständigen Behörde zur Folge haben. Diese entscheidet dann, ob strafrechtliches Verhalten vorliegt.»

Die Hintergründe der geschmacklosen Aktion im Tram sind unbekannt. Immerhin lassen sich einige begründete Vermutungen anstellen: Da in den sozialen Medien oft ein und dasselbe Foto der Szene zu sehen ist, könnte die maskierte Person ihre Klan-Kapuze nur kurz übergezogen haben.

Bei einer längeren Fahrt hätten bestimmt noch mehr Passanten ihr Handy gezückt und Aufnahmen gemacht. Und da keine weiteren Personen im Tramabteil sassen, darf zudem bezweifelt werden, dass die maskierte Person es auf eine Konfrontation angelegt hatte. Vielleicht diente die ganze Aktion nur dem Foto.

NDB äussert sich nicht zum KKK

Ob in der Schweiz effektiv ein Ableger des Ku-Klux-Klans am Werk ist, will man beim Nachrichtendienst des Bundes (NDB) nicht kommentieren. «Zu einzelnen Gruppierungen oder Organisationen sowie zu seiner operationellen Tätigkeit» äussere man sich nicht, heisst es auf Anfrage. 

Zuletzt stellte der Geheimdienst aber «eine deutlich erhöhte Anzahl von Ereignissen im Bereich Rechtsextremismus» fest, wie es im aktuellsten Jahresbericht von 2018 heisst. «Die Schweizer rechtsextreme Szene ist im Aufbruch.»



Der Ku-Klux-Klan wurde 1865 im südlichen US-Bundesstaat Tennessee gegründet. Die Anhänger des Geheimbundes kämpften gegen die Abschaffung der Sklaverei und für die Unterdrückung schwarzer Menschen, machten mit Lynchmorden an Schwarzen von sich reden.

Nachspiel an der Schwyzer Fasnacht

In der Schweiz war der Rassistenbund zuletzt wegen der Schwyzer Fasnacht im letzten Jahr im Gespräch, weil sich zwölf Männer als Mitglieder des Ku-Klux-Klans maskiert hatten.

Die Staatsanwaltschaft Innerschwyz musste sich mit dem Fall befassen und kam zum Schluss: Der Rassendiskriminierung machten sich die Fasnächtler nicht schuldig. Denn: Sie hätten nicht versucht, andere für das rassistische Gedankengut des Klans zu gewinnen.

Dennoch seien die Grenzen der Narrenfreiheit überschritten worden. Die Männer wurden wegen «grober Belästigung» zu Bussen verurteilt und mussten die Verfahrenskosten tragen. Dieses Strafmass sei eindeutig zu mild, kritisierte Sektenexperte Georg Otto Schmid damals gegenüber Radio Top

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