DoppelbürgerschaftRuedi Baumann: «Hier haben wir nur Freunde»
Valerie Zaslawski
18.12.2018
Vor zwei Jahrzehnten kehrte Ruedi Baumann der Schweiz den Rücken – auch weil der Grünen-Nationalrat mit der Schweizer Politik haderte. Heute fühlt er sich neben der Schweiz auch seiner neuen Heimar Frankreich verbunden.
In der Schweiz war er ein regelrechter Polit-Star: Ruedi Baumann, ehemaliger Nationalrat aus dem Kanton Bern und Grünen-Präsident. Denn der heute 71-Jährige war in so mancher Hinsicht der Erste. Er war der bekannteste SVPler, der zu den Grünen wechselte, nachdem die Partei weder sein Engagement gegen Atomkraftwerke noch seine Liebe zur SP-Frau Stephanie Baumann goutierte. Auch war der studierte Agronom der erste Eidgenössische Parlamentarier, der zusammen mit seiner Ehefrau in der Grossen Kammer sass und deshalb regelmässig die «Schweizer Illustrierte» bei sich zu Hause hatte.
Baumann war zudem der erste Auslandschweizer, der unbeirrt seiner Arbeit im Bundeshaus nachging, obwohl er seine Heimat vor rund 20 Jahren in den Westen Frankreichs verlegt hatte. Davor konnte der Landwirt während der Session über Mittag zu sich nach Hause auf den Bauernhof nach Suberg im Berner Seeland fahren, «um zu heuen», wie er beinahe stolz erzählt. Doch mit seinem Umzug nach Traversères im Südwesten Frankreichs wurde der Weg ins Parlament bald zu beschwerlich. Durch die geografische Distanz sei er aber auch inhaltlich einfach zu wenig nahe dran gewesen. 2003 trat er als Nationalrat zurück. Heute, da Baumann politisch nicht mehr aktiv ist, sagt er selbstkritisch, die Grünen hätten damals nicht viel erreicht. Vielleicht seien sie ihrer Zeit aber auch einfach voraus gewesen. Die Schweizer Politik frustrierte ihn, insbesondere die Landwirtschaftspolitik. Mit ein Grund, warum er sich von allem verabschiedete.
Der Politik zugetan ist Baumann aber immer noch. Fünf Jahre nach Ankunft in seiner neuen Heimat, einer 80-Seelen-Gemeinde, hat er die französische Staatsbürgerschaft beantragt. Seither ist er französisch-schweizerischer Doppelbürger. Baumann wollte schon immer EU-Bürger werden, kämpfte er doch bereits in der Schweiz für einen Beitritt. «Nun bin ich es eben auf diesem Weg geworden», sagt er beinahe trotzig. Baumann wollte aber auch abstimmen und wählen dürfen, mitreden halt. Auch in der Schweiz, so betont er, hat er seit seinem Wegzug keine Abstimmung oder Wahl verpasst.
«Au bout du monde – am Ende der Welt» lebt er nun von seinem 70 Hektaren grossen Bauernhof, vom Ackerbau und dem Verkauf des Heus. Seine Frau hat ausserdem eine bemerkenswerte Orchideenzucht aufgebaut. «Die Renovation sei viel Arbeit», sagt Baumann, aber er habe seinen «Plausch» daran. Tiere hält Baumann keine mehr; zu oft besucht er seine beiden Söhne in der Schweiz. «So können wir einfach den Schlüssel drehen und verschwinden», sagt er erleichtert. Der eine Sohn hat den Bauernhof in Suberg übernommen, der andere hat den Dokumentarfilm «Zum Beispiel Suberg» über den Wandel in dem kleinen Berner Dorf gedreht.
Baumann fährt heim in die Schweiz und dann wieder heim nach Frankreich. Er fühlt sich heute sowohl als Schweizer als auch als Franzose. Auch im Fussball, wenn die Nati gegen les Bleus spielt, sei ihm egal, wer gewinne, Hauptsache, das Spiel sei spannend. Dieses schaut er jeweils mit seinen Nachbarn. Integriert im Ort sind die Baumanns sehr wohl. «Hier haben wir nur Freunde, in der Schweiz hatten wir viele politische Feinde», sagt er mit einer Leichtigkeit. Dennoch überlegt er sich, wieder in die Schweiz zu ziehen, wenn er dann irgendwann alt und gebrechlich sein sollte. Und räumt ein: «Alt bin ich schon, aber gebrechlich hoffentlich noch lange nicht.»
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