Corona-Krise Vorbereitung auf zweite Welle und Millionenverluste – so steht es um Schweizer Spitäler

Von Jennifer Furer

26.6.2020

Die Corona-Krise hat Schweizer Spitäler besonders hart getroffen. Langsam kehrt wieder etwas Normalität ein. Die jedoch könnte schon bald vorbei sein – und die Spitäler erneut in Bredouille bringen.

170 Mitarbeiter entlassen, 12 Filialen geschlossen: Am Donnerstag erreichte die Öffentlichkeit die Nachricht, dass das Reiseunternehmen Hotelplan einen massiven Job-Abbau vornehmen muss. Es ist der grösste bisher bekannte in der Schweiz seit Ausbruch der Corona-Krise.

Man muss keine hellseherischen Fähigkeiten haben, um zu sagen, dass dies nicht der letzte Kahlschlag bleiben wird, der die Corona-Krise mit sich bringt – und davon ist nicht nur die Reisebranche betroffen.

70 Prozent weniger Patientinnen

In der Krise stecken auch Schweizer Spitäler. Noch blieben diese vor Kündigungswellen verschont – auch dank der Kurzarbeit, welche die Millionenverluste zumindest auf Ebene der Mitarbeitenden aufgefangen hat. Wie eine Umfrage von «Bluewin» dazu zeigt, haben Spitäler, die Kurzarbeit angemeldet haben, bislang den vollen Lohn ausgezahlt und keine Kündigungen ausgesprochen.

Darunter fallen etwa das Kantonsspital Aarau, das Swiss Medical Network, das Zuger Kantonsspital, die Hirslanden AG und die Bethesda Spital AG. Mittlerweile herrscht bei allen im Grossen und Ganzen wieder Normalbetrieb ohne Kurzarbeit. Die Bettenauslastung nähert sich langsam dem Wert vor der Corona-Krise an. Beim Zuger Kantonsspital liegt diese bereits wieder bei etwa 95 Prozent der vor  Corona erwarteten Werte.

Dies ist darauf zurückzuführen, dass seit dem 27. April wieder sämtliche stationäre und ambulante Leistungen erbracht werden dürfen. Während des Höhepunkts der Pandemie sprachen der Bund und die Kantone ein Behandlungs- und Operationsverbot aus. Alle nicht dringend angezeigten medizinischen Eingriffe und Therapien durften nicht durchgeführt werden.

Für Patientinnen und Patienten mit dem Coronavirus mussten die Spitäler ihre Infrastruktur anpassen: Es brauchte mehr Intensivbetten mit Beatmungsgeräten und zusätzliche Intensivbetten.
Für Patientinnen und Patienten mit dem Coronavirus mussten die Spitäler ihre Infrastruktur anpassen: Es brauchte mehr Intensivbetten mit Beatmungsgeräten und zusätzliche Intensivbetten.
Keystone

Diese Massnahme riss das grösste Loch in die Kassen der Spitäler. In Zürich geht die Regierung laut dem Verband Zürcher Krankenhäuser von Einnahmeausfällen von 383 Millionen Franken aus. Das Kantonsspital Aarau rechnet mit 29 Millionen Franken Verlust, das Zuger Kantonsspital mit 3,5 bis 4 Millionen Franken.

In Letzterem seien rund 350 Patientinnen und Patienten weniger stationär behandelt worden als ursprünglich erwartet, wie Sonja Metzger, Leiterin Marketing des Zuger Kantonsspitals, «Bluewin» mitteilt. Beim Swiss Medical Netzwerk, neben der Hirslanden AG eine der beiden führenden Schweizer Privatklinikgruppen, ist ein Rückgang von 70 Prozent zu verzeichnen, wie Zeynep Ersan Berdoz, Leiterin Kommunikation und Mitglied der Geschäftsleitung, sagt.

Rüsten für zweite Welle

Das Ende des Lockdowns und des Behandlungs- und Operationsverbots liess die Spitäler aufatmen – und auch Patientinnen und Patienten kehrten langsam wieder zurück und liessen ihre Eingriffe und Therapien nachholen.

Ob dies die Verluste der Spitäler tatsächlich schmälert, kann noch nicht gesagt werden. «Die durch die Covid-19-Pandemie entstandenen Einbussen werden davon abhängig sein, ob es gelingt, die ausgefallenen Eingriffe im Laufe des Jahres zumindest teilweise nachzuholen», meint etwa Claude Kaufmann, Sprecher der Hirslanden AG.

Ob das gelingt, ist freilich auch davon abhängig, ob und in welchem Ausmass eine zweite Welle die Spitäler erreichen wird. Laut Claude Kaufmann von der Hirslanden AG seien Spitäler in der Lage, innerhalb von 48 bis 72 Stunden wieder auf Notbetrieb umzuschalten.

Kritik an Regierung

Bleiben die Spitäler auf ihren Verlusten sitzen? Müssen sie selber schauen, wie sie aus dieser Krise hinausrudern? Das sind Fragen, welche das Gesundheitswesen derzeit beschäftigen. Während der Kanton Bern die gesamten Ertragsausfälle aus der stationären und ambulanten Versorgung kompensiert, sieht die Lage in Zürich anders aus.

Die Regierung ist bereit, 125 Millionen Franken der 383 Millionen Franken Einnahmeausfällen als nicht rückzahlbare Beiträge zu übernehmen. Für 170 Millionen Franken gewährt sie Darlehen, die abgegolten werden müssen. Die restlichen 88 Millionen Franken betreffen die kantonalen Spitäler, die direkten Zugang zu kantonalen finanziellen Mitteln haben.

Der Verband Zürcher Krankenhäuser moniert, dass der Kanton mit seiner Vorgehensweise die Gesundheitsversorgung gefährdet und es verpasst, langfristig Arbeitsplätze zu sichern. Denn: «Wie die Spitäler, die jedes Jahr ein knappes Resultat aufweisen, diese 170 Millionen Franken zurückzahlen sollen, steht in den Sternen.»

Zeynep Ersan Berdoz vom Swiss Medical Network vertraut bei einem solchen Szenario auf die Entscheide des Bundesrates, da diese bereits in der Vergangenheit richtig gewesen seien. «Wenn es heute eine neue Welle gäbe, müsste man Ärzte und Spitäler arbeiten lassen.» Sie alle wüssten sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor, wie man einen Risikopatienten behandelt. «Die Einmischung von Politikern und Pseudo-Experten ist nicht vorteilhaft.»

Den Spitälern bleibt nichts anderes übrig, als die künftigen Entwicklungen zu beobachten und auf die Herausforderungen zu reagieren. Die Grundstimmung deutet in Richtung Zuversicht. «Wir blicken grundsätzlich positiv in die Zukunft, müssen jedoch – wie alle – mit dem Virus und dessen Folgen leben und arbeiten», sagt Daniel Klötzli, Leiter Marketing und Kommunikation bei der Bethesda Spital AG.

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