Wichtiger Handelspartner Darum hält sich die Schweiz mit Kritik an Katar zurück

tgab

17.11.2022

Detail des Burj Doha, des Tornado-Turms und des Palm Tower in Doha: Prestigeträchtige Architektur ist Teil der Wirtschaftsstrategie Katars. Auch Schweizer Architekten erhalten Aufträge.
Detail des Burj Doha, des Tornado-Turms und des Palm Tower in Doha: Prestigeträchtige Architektur ist Teil der Wirtschaftsstrategie Katars. Auch Schweizer Architekten erhalten Aufträge.
Allan Baxter/Getty Images

Mit Kritik an Katar betreffend Menschenrechtsverletzungen oder mangelnde Pressefreiheit hält sich die Schweiz auffallend zurück. Sie möchte den wichtigen Handelspartner nicht verprellen.

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Es war eine umstrittene Entscheidung, als Katar 2010 den Zuschlag für die Ausrichtung der Fussball-WM 2022 erhielt. Medienrecherchen legten damals nahe, dass Korruption im Spiel gewesen sei, ausserdem schienen das heisse Klima, die fehlenden Stadien, die mangelnde Fussball-Kultur des Emirats an der Ostküste des Persischen Golfs denkbar ungeeignet für das Sport-Grossereignis.

Seitdem reisst die Kritik an unzumutbaren Arbeitsbedingungen, am Umgang mit Frauen und Homosexuellen oder an mangelnder Pressefreiheit nicht ab. Man liest von Sklavenarbeit, gekauften Fans und Tausenden von Opfern beim Bau der Stadien. Öl ins Feuer schüttete kürzlich der katarische WM-Botschafter und frühere Nationalspieler Khalid Salman, als er in einem ZDF-Interview Homosexualität mit einem «geistigen Schaden» gleichstellte.

Katar-Botschafter macht im ZDF unfassbare Aussage

Katar-Botschafter macht im ZDF unfassbare Aussage

«Lass uns über Schwule reden», sagt der katarische WM-Botschafter Khalid Salman – und gibt dann in der Folge Skandalöses von sich. Das Interview wird durch das WM-Organisationskomitee rasch abgebrochen.

08.11.2022

Zwar verhängte die Stadt Zürich für die Zeit der Fussball-WM inzwischen ein Verbot für Public Viewings auf öffentlichem Grund, und Lausanne sowie Vevey verzichten auf Fan-Zonen. Die Schweizer Regierung vertrete jedoch offiziell den Standpunkt, dass Dialog und Unterstützung der Reformen in Katar prinzipiell wirksamer seien als eine Brüskierung des WM-Gastgebers, schreibt die Nachrichtenplattform «Swissinfo».

Allerdings hätten von 246 Parlamentarier*innen lediglich fünf – allesamt Mitglieder der Schweizerischen Volkspartei SVP – eine Einladung der katarischen Botschaft zu einem WM-Empfang im September angenommen, berichtet das Westschweizer Radio RTS.

Ueli Maurer live bei der WM dabei

Einer davon ist Finanzminister Ueli Maurer. Er wird seine letzte offizielle Reise nutzen, um sich mit seinem Amtskollegen Ali bin Ahmed Al Kuwari in Katar auszutauschen – und das Spiel Schweiz – Brasilien am 28. November live mitzuerleben.

Denn Katar sei zwar nicht der wichtigste Handelspartner der Schweiz im Nahen Osten – das sind die Vereinigten Arabischen Emirate –, aber es sei der wichtigste Abnehmer von Schweizer Kriegsmaterial, geht aus dem Swissinfo-Bericht weiter hervor. Erst im Jahr 2021 kaufte das autoritär geführte Emirat demnach für die Sicherheit seiner WM-Stadien Schweizer Flugabwehrsysteme im Wert von fast 210 Millionen Franken.

Im Herbst dieses Jahres genehmigte Bern zudem den Verkauf von 6'000 Munitionsladungen für den europäischen Kampfjet Eurofighter an Katar für einen nicht genannten Betrag. Pikant: Das Emirat wird von seinen Nachbarn am Golf bezichtigt, extremistische Gruppen zu finanzieren.

Handelsvolumen steigt kräftig

Auch die übrigen Warenströme fliessen vor allem von der Schweiz nach Katar, in Form von Schmuck und Uhren, Edelmetallen sowie pharmazeutischen Produkten. Wobei sich das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern im vergangenen Jahr verdoppelt hat.

Die Schweizer Handelsstatistik weist Exporte und Importe mit Katar in Höhe von 750 Millionen Franken aus. Das Handelsvolumen für die ersten neun Monate des laufenden Jahres betrage bereits rund zwei Milliarden Franken, hält Fabian Maienfisch, Sprecher des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), beim Nachrichtenportal «Watson» fest.

Rund 30 Firmen aus der Schweiz haben sich gemäss Angaben des Seco in Katar niedergelassen, darunter Nestlé, ABB, der Zementriese Holcim, Sika oder der Messgerätespezialist Endress + Hauser.

Flüssiggas weckt Begehrlichkeiten

In Zeiten der Energiekrise ist neuerdings das Flüssiggas des energiereichen Landes in den Fokus der Schweizer Interessen gerückt. Katar ist weltgrösster Exporteur von Erdgas, das zum Transport verflüssigt wird. Die Regierungen Europas stehen Schlange.

Auch Ueli Maurer traf sich anlässlich der ersten Gemischten Wirtschaftskommission Schweiz-Katar im September zu einem Arbeitsgespräch mit Finanzminister Ali bin Ahmed Al Kuwari. Katar sei bereit, die Schweiz zu beliefern, schreibt der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse in seinem Newsletter.

Katar habe demnach über seinen Wohlfahrtsfonds in Schweizer Unternehmen und in Hotels investiert. Schweizer Banken wie UBS und Credit Suisse wiederum bauten ihre Präsenz vor Ort aus. Vor allem die Baubranche Katars sei stark am Schweizer Wissen interessiert, schreibt der Wirtschaftsverband weiter.

Mobile Tribünen und ein Prestige-Museum

Eine Demonstration Schweizer Qualitätsarbeit lieferte zum Beispiel das Thurgauer Unternehmen Nüssli anlässlich der Fussball-WM. Der Tribünenbauer errichtete in weniger als 250 Tagen für das Education City Stadium ein gekühltes, abbaubares Tribünensystem mit 16'500 Sitzplätzen.

Und auch bei architektonischen Prestigeprojekten greift Katar gern auf die Schweiz zurück. So sollen die Pritzker-Preisträger des Basler Architektenbüros Herzog & de Meuron das Lusail Museum planen und bauen. Es wird die weltweit grösste Sammlung orientalistischer Gemälde, Zeichnungen, Fotografien, Skulpturen, seltener Texte und angewandter Kunst beherbergen.