Bundesanwalt unter Beschuss Gerichtskommission will Verfahren gegen Lauber

tafi/SDA

20.5.2020

Die Gerichtskommission hat am frühen Abend bekannt gegeben, dass gegen Bundesanwalt Michael Lauber ein Verfahren eingeleitet wird. Hier die Chronologie des Falls – und der Medienkonferenz vom Abend. 

Der Druck auf Bundesanwalt Michael Lauber nimmt zu: Die Gerichtskommission von National- und Ständerat hat ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn eröffnet. Das hat sie am Mittwoch entschieden, nachdem sie Lauber unter anderem zu den Fifa-Treffen angehört hatte.

Vergangene Woche hatte sich die Gerichtskommission Handlungsgrundsätze gegeben für den Fall, dass sie ein Amtsenthebungsverfahren in die Wege leiten würde. Zu einem solchen soll es demnach kommen, falls die Kommission den begründeten Verdacht hat, dass der Bundesanwalt seine Amtspflichten vorsätzlich oder grobfahrlässig schwer verletzt hat. Diese Bedingungen sind aus Sicht der Kommission nun erfüllt.

Andrea Caroni teilte am Mittwochabend mit, wie sich die Gerichtskommission in der Causa Lauber entschieden hat.
Andrea Caroni teilte am Mittwochabend mit, wie sich die Gerichtskommission in der Causa Lauber entschieden hat.
Bild: Keystone

Der Entscheid in der Kommission fiel mit 13 zu 4 Stimmen, wie Nationalrat Andrea Caroni (FDP/AR), der Präsident der Kommission, am Mttwchaben vor den Bundeshausmedien berichtete.

Nun muss die Kommission eine Art Untersuchung führen. Im Anschluss daran könnte sie der Vereinigten Bundesversammlung den Antrag stellen, Bundesanwalt Lauber des Amtes zu entheben. Über den Antrag würde aller Voraussicht nach frühestens an der Herbstsession im September abgestimmt.



Die Pressekonferenz im Ticker

18.48 Uhr: Ende der Pressekonferenz

Danke für Ihr Interesse.

18.46 Uhr: Caroni in eigener Sache

Er habe Respekt vor der Unabhängigkeit der Strafjustiz und leite als Erster ein Verfahren gegen einen Bundesstaatsanwalt, gibt Caroni zu Bedenken.

18.44 Uhr: Politik vs. Verwaltung

Verfahrensgrundsätze müsse er einhalten, wehrt Caroni den Vorwurf ab, er spiele als Politiker eine Art Verwaltungsrichter. Seine Massnahmen seien an enge Regeln gebunden, führt er aus. 

18.40 Uhr: Spielball liegt in St. Gallen

Das Verfahren ist in St. Gallen hängig, so Caroni. Dort werde der Sachverhalt «gerichtsfest geprüft».

18.37 Uhr: Bleibt Lauber im Amt?

Ja, die Gerichtskommission habe ihm auch keinen Rücktritt nahegelegt, so Caroni.

18.32 Uhr: Beginn der Pressekonferenz

Die Gerichtskommission hat Michael Lauber zu in zwei Teilen befragt: Ereignisse vor und nach März 2020, sagt Andrea Caroni vom Ständerat. Die Frage: Hat der Bundesstaatsnwalt Plichten grob verletzt? Die Gerichtskommission sagt mit 13:4 Stimmen: Ja.

Ab 18.30 Uhr berichten wir hier live im Ticker über die Medienkonferenz der Gerichtskommission, die mitteilt, ob ein Verfahren gegen Bundesstaatsanwalt Michael Lauber eingeleitet wird.

Anhörung am Mittwochnachmittag

Der umstrittene Bundesanwalt Michael Lauber wurde am heutigen Mittwochnachmittag von der parlamentarischen Gerichtskommission angehört. Es sei «sehr gut» gelaufen, sagte er im Anschluss vor Journalisten.

Die Kommission entscheidet darüber, ob sie gegen Lauber ein Verfahren auf Amtsenthebung eröffnet oder nicht. Darüber soll in einem Point de Presse ab etwa 18.30 Uhr informiert werden.



Im Raum stehen happige Vorwürfe: Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) war nach einem Disziplinarverfahren gegen den Bundesanwalt zum Schluss gekommen, dass Lauber verschiedene Amtspflichten verletzt habe. Er habe mehrfach die Unwahrheit gesagt.

Lauber selbst bestreitet die Vorwürfe vehement und greift seinerseits die AB-BA an: Diese habe im Verfahren gegen ihn eine «gehörige Portion Böswilligkeit an den Tag gelegt», weil es ihm Lügen zu umstrittenen Treffen mit Fifa-Präsident Gianni Infantino unterstelle.

Die Chronologie der Causa Lauber

Das sind die wichtigsten Punkte der Ereignisse der Affäre um Bundesanwalt Michael Lauber.

Bundesanwalt Michael Lauber trifft zur Anhörung bei der Gerichtskommission im Bundeshaus ein.
Bundesanwalt Michael Lauber trifft zur Anhörung bei der Gerichtskommission im Bundeshaus ein.
Keystone/Peter Klaunzer

Anfang Mai 2018: Football Leaks des portugiesischen Hackers Rui Pinto macht unter anderem publik, dass sich Bundesanwalt Michael Lauber und Fifa-Chef Gianni Infantino zwei Mal getroffen haben – zu einem Zeitpunkt, als die Bundesanwaltschaft mehrere Verfahren gegen die Fifa laufen hatte.
21. November 2018: Lauber verteidigt seine beiden unprotokollierten Treffen mit Infantino im Jahr 2016. Die Gespräche auf übergeordneter Ebene seien erforderlich gewesen, um Fragen zum Verfahrenskomplex Fussball zu klären.



18. April 2019: Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) prüft, ob gegen Lauber wegen einem möglichen dritten Treffen mit Infantino eine Disziplinaruntersuchung nötig ist. Das Treffen soll im Juni 2017 stattgefunden haben.

29. April 2019: Lauber will auch im Falle eines Disziplinarverfahrens gegen ihn seine Wiederkandidatur nicht zurückziehen. Dass er ein drittes Treffen mit Infantino verschwiegen haben soll, weist er von sich. «Wir gehen davon aus – aufgrund von internen Papieren, die wir gesichtet haben, wie Agendaeinträge und SMS -, dass es das gegeben hat», sagt Lauber. «Ich erinnere mich aber nicht an das Treffen.» Als Erklärung fügte er an, dass solche Treffen für ihn «courant normal» seien.

11. Mai 2019: Die AB-BA gibt bekannt, dass sie eine Disziplinaruntersuchung gegen Lauber eröffnet. Grund dafür sind nicht protokollierte Treffen Laubers mit Gianni Infantino, dem Präsidenten des Fussballverbands Fifa, der in mehrere Verfahren verwickelt ist. Es kam zu zwei Begegnungen im März und April 2016 und zu einer im Juni 2017. Besonders heikel war das zweite Treffen vom 22. April 2016. Gute zwei Wochen vorher hatte die Bundesanwaltschaft ein Strafverfahren wegen verdächtiger TV-Verträge beim europäischen Fussballverband Uefa eröffnet.



15. Mai 2019: Die Wiederwahl Laubers wird auf Herbst verschoben. Die Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung hat einstimmig beschlossen, noch keinen Antrag zur Wiederwahl zu stellen.

18. Juni 2019: Die Treffen von Lauber und Infantino widersprechen den Verfahrensregeln, wonach solche Meetings zumindest mit Aktennotizen dokumentiert werden müssen. Das Bundesstrafgericht in Bellinzona entscheidet deshalb, dass Lauber bei den Untersuchungen im Fussball-Verfahrenskomplex in den Ausstand treten muss.

2. August 2019: Die AB-BA übernimmt die Leitung der Disziplinaruntersuchung im Fall Lauber.

24. August 2019: Lauber geniesst weiter das Vertrauen der Polizei- und Justizdirektoren in den Kantonen. Die Kooperation mit Lauber sei vertrauensvoll und ergiebig, sagt der oberste Justizdirektor Urs Hofmann in einem Interview.

4. September 2019: Die Gerichtskommission empfiehlt dem Parlament, Lauber nicht für eine weitere Amtsperiode zu wählen.

13. September 2019: Die AB-BA richtet im Zusammenhang mit ihrem Disziplinarverfahren gegen den Bundesanwalt Vorwürfe an Michael Lauber. Dieser habe zwei Personen daran gehindert, an Befragungen teilzunehmen, und die Bundesanwaltschaft gebe angeforderte Dokumente nicht heraus.



25. September 2019: Bundesanwalt Michael Lauber wird knapp wiedergewählt – mit 129 von 243 gültigen Stimmen. Das absolute Mehr lag bei 122 Stimmen.

4. März 2020: Das Disziplinarverfahren gegen Bundesanwalt Michael Lauber ist abgeschlossen. Gemäss der Aufsichtsbehörde (AB-BA) hat er verschiedene Amtspflichten verletzt. Er habe in den Verfahren rund um den Weltfussballverband Fifa mehrfach die Unwahrheit gesagt und illoyal gehandelt. Kritisiert wird auch das Verhalten Laubers: Der Bundesanwalt falle durch Uneinsichtigkeit auf und zeige im Kern ein falsches Berufsverständnis. Die AB-BA verfügt eine Lohnkürzung um acht Prozent während eines Jahres, was den Lohn von Lauber um knapp 24'000 Franken schmälern wird.



21. April 2020: Das Bundesstrafgericht sistiert nach einer fast fünf Jahre dauernden Untersuchung durch die Bundesanwaltschaft das erste Fifa-Verfahren gegen die ehemaligen deutschen Fussballfunktionäre Theo Zwanziger, Horst R. Schmidt und Wolfang Niersbach sowie den früheren Fifa-Generalsekretär Urs Linsi bis am 27. April. Weil die in der Anklage festgehaltenen Straftaten dann verjähren, ist kein Urteil mehr zu erwarten. Die BA hatte Zwanziger, Schmidt und Linsi wegen wegen Betrugs angeklagt. Niersbach wurde Gehilfenschaft zu Betrug vorgeworfen. Aufgrund des Ausgangs des Verfahrens haben die Angeklagten ausserdem Anspruch auf eine Entschädigung.



22. April 2020: Lauber reicht beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde gegen den Entscheid der AB-BA ein. Dieser stelle keinen abschliessenden Befund dar und müsse einer gerichtlichen Überprüfung standhalten. Er bestreitet die gegen ihn erhobenen «Behauptungen und Wertungen» vollumfänglich und bezeichnete einzelne Aussagen der Aufsicht als falsch und als «eine reine Unterstellung».

28. April 2020: Der Berner BDP-Politiker Hess reicht bei der Gerichtskommission einen Antrag für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Bundesanwalt Lauber ein. Auch der Berner SP-Nationalrat Matthias Aebischer gibt bekannt, dass er ein Amtsenthebungsverfahren beantragen werde.

2. Mai 2020: Für die Bundeshausfraktionen von SP und CVP ist Lauber angesichts der Kritik durch die Aufsicht in seinem Amt nicht mehr tragbar. Die Fraktionen fordern Lauber deshalb offen zum Rücktritt auf.

13. Mai 2020: Die 17-köpfige Gerichtskommission des Parlaments befasst sich mit einem allfälligen Amtsenthebungsverfahren gegen den seit 2012 tätigen Bundesanwalt.

16. Mai 2020: Lauber greift die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft frontal an. In einer 70-seitigen Beschwerde lanciert Lauber nach unbestätigten Medienberichten heftige Vorwürfe gegen die Aufsicht. Die Aufsichtsbehörde (AB-BA) habe «rechtsstaatliche Grundsätze über Bord geworfen», zudem sei ihm namentlich das rechtliche Gehör in krasser Weise verweigert worden.

20. Mai 2020: Die Gerichtskommission des Parlaments hört Lauber an und informiert anschliessend an einem Point de Presse.

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