GLP gewinnt, SP verliert Zeigt sich der Zürcher Wahltrend auch auf nationaler Ebene?

red

16.2.2022

Ein Freudentag? Die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch kann sich zwar über ihre Wiederwahl freuen, aber nicht über das Abschneiden ihrer Partei, der SP. 
Ein Freudentag? Die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch kann sich zwar über ihre Wiederwahl freuen, aber nicht über das Abschneiden ihrer Partei, der SP. 
Bild: Keystone/Ennio Leanza

Die Grünen und Grünliberalen sind die Gewinner der Wahlen in Zürich und Winterthur, die SP musste arg Federn lassen. Ob diese Entwicklung auch national zu beobachten ist, hat der Politologe Oliver Strijbis untersucht.

red

16.2.2022

Mit Zürich und Winterthur haben am Sonntag die grösste und die sechstgrösste Stadt der Schweiz neue Parlamente gewählt. Die Verliererin war die SP, gewonnen haben vor allem die Grünen und die Grünliberalen. Im bürgerlichen Lager gab es nur leichte Verschiebungen von der SVP zur FDP.

Wobei die Bevölkerung im übrigen Land interessieren dürfte: Zeigt sich diese Entwicklung auch auf nationaler Ebene?

Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, haben Politikwissenschaftler der Universitäten Zürich und Genf für blue News Daten aus den letzten sechs Leserbefragungen ausgewertet, die jeweils vor eidgenössischen Abstimmungen durchgeführt wurden.

Dabei interessierten nicht nur die Präferenzen bei den Abstimmungsvorlagen, sondern auch die Frage, welche Partei die Teilnehmer*innen wählen würden, wenn am nächsten Sonntag Wahlen stattfinden würden.



«Damit können wir die Parteipräferenzen über einen längeren Zeitraum messen», sagt der Politikwissenschaftler Oliver Strijbis von der Universität Zürich. Gemeinsam mit Maxime Walder gewichtete er die Daten so, dass sie mit Bezug auf den Wahlentscheid bei den letzten Nationalratswahlen und Abstimmungen die Wähleranteile repräsentieren.

«Weil wir ausschliesslich Leser*innen von blue News befragen, sind unsere Daten zwar nicht vollständig repräsentativ. Die unterschiedlichen Umfragen sind aber sehr ähnlich, was sie gut vergleichbar macht», erklärt Strijbis. «Daher sollte es mit den Daten möglich sein, zumindest den langfristigen Trend in den Parteistärken wiederzugeben.»

Der Trend seit den letzten eidgenössischen Wahlen entspricht vor allem bei der GLP den Resultaten in Zürich und Winterthur. Gemäss den Umfragen hat die GLP seit Oktober 2019 um mehr als 4 Prozent dazu gewonnen. Rückläufig ist dagegen der Zuspruch der SP, der Verliererin vom Sonntag.

Parteipräferenzen im Verlauf der Zeit.
Parteipräferenzen im Verlauf der Zeit.
Oliver Strijbis

Kommen die neuen Wähler*innen der GLP allesamt aus dem linken Lager? Um dies herauszufinden, wurden die Leser*Innen sowohl nach ihrer aktuellen Parteipräferenz als auch nach ihrem Wahlentscheid bei den eidgenössischen Wahlen 2019 befragt. Die Abbildung unten zeigt die sogenannten Wählerströme, die illustrieren, welche aktuelle Parteipräferenz die Wähler*innen der unterschiedlichen Parteien haben.

Dabei zeigt sich, dass die GLP Stimmen nicht nur von der SP holt, sondern dass sich auch viele ehemalige Wähler*innen der Grünen und der FDP aktuell für die Grünliberalen entscheiden würden. «Ob der Aufstieg der GLP bis zu den nächsten Wahlen im Herbst 2023 anhält, wird sich zeigen», sagt Strijbis.

Parteipräferenz in Abhängigkeit des Wahlentscheids bei den Nationalratswahlen 2019.
Parteipräferenz in Abhängigkeit des Wahlentscheids bei den Nationalratswahlen 2019.
Oliver Strijbis

So weit zur GLP. Ob die Wahlresultate der anderen Parteien auch dem Trend auf nationaler Ebene entsprechen, ist dagegen unklar. «Vor allem die Umfrageergebnisse der Grünen decken sich nicht mit ihrem Wahlresultat vom Sonntag», sagt Strijbis.

«Ein Grund, weshalb sich unsere Umfragewerte mit den Wahlresultaten von Zürich und Winterthur nicht unbedingt decken müssen, ist, dass die Wählertrends in den Städten und auf dem Land nicht gleich sein müssen.» So sei zum Beispiel denkbar, dass die von der SVP betriebene Debatte um einen Stadt-Land-Graben sich am Sonntag für die Partei negativ ausgewirkt habe, auf dem Land aber gut angekommen sei.

Zur Methode

Die Daten für die erste Abbildung stammen aus Umfragen, die vor den letzten sechs nationalen Abstimmungssonntagen durchgeführt wurden. Insgesamt wurden die Antworten von 25'939 Teilnehmer*innen ausgewertet. Die Daten für die zweite Abbildung stammen von 2791 Interviews aus der Abstimmungsumfrage, die zwischen dem 26. und 31. Januar 2022 auf blue News durchgeführt wurde. Die Ergebnisse sind zwar nicht repräsentativ für die Schweizer Bevölkerung, wurden aber auf Basis des Wahlergebnisses der Nationalratswahlen 2019 und der Abstimmungsergebnisse gewichtet.