Ärztin warnt in offenem BriefEin wichtiger Alzheimer-Risikofaktor wird meist übersehen
Philipp Fischer
18.8.2024
Schwerhörigkeit im mittleren Alter gilt unter Experten als grösster beeinflussbarer Risikofaktor für Demenz im höheren Lebensalter. Eine Medizinerin rät Menschen zwischen 45 und 65 Jahren dringend, beginnenden Hörverlust nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
Philipp Fischer
18.08.2024, 19:31
19.08.2024, 08:24
Philipp Fischer
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Ein schlechtes Hörvermögen geht mit einem höheren Risiko für Demenz und Alzheimer einher.
Ein unbehandelter Hörverlust kann die Wahrscheinlichkeit von Alzheimer wesentlich erhöhen.
Der Einsatz von Hörgeräten schützt vor dem Verlust kognitiver Fähigkeiten und kann Demenz und Alzheimer vorbeugen.
Ein nachlassendes Hörvermögen kommt meist schleichend und bleibt anfangs oft unbemerkt. Gerne möchten sich Betroffene Probleme mit einem nachlassenden Hörvermögen aus Scham auch einfach nicht eingestehen. Dabei handelt es sich bei einem beginnenden Hörverlust gerade bei Menschen ab 45 Jahren um den wichtigsten Risikofaktor für Demenz.
«Schwerhörigkeit ist der wichtigste Alzheimer-Risikofaktor im mittleren Lebensalter», erklärt Dr. Linda Thienpont. Die Leiterin Wissenschaft der gemeinnützigen Alzheimer Forschung Initiative wendet sich in einer Mitteilung mit einem Appell an betroffene Personen. «Tritt sie bei 45- bis 65-Jährigen auf und bleibt unbehandelt, ist das Risiko für eine Alzheimer-Erkrankung im Alter deutlich erhöht», so Thienpont. Deshalb möchte die Ärztin auf diesen unterschätzten Risikofaktor aufmerksam machen.
Falsche Scham
Gerade im mittleren Lebensalter fällt es schwer, einen beginnenden Hörverlust ärztlich behandeln zu lassen. Dieser kommt meist in kleinen Schritten und wird deshalb auch gerne ignoriert. Untrügliche Anzeichen sind häufiges Nachfragen oder dass der Fernseher lauter gestellt wird. Trotzdem scheuen Betroffene den Gang zum Arzt. Etwa aus Eitelkeit oder um die Anschaffung einer Hörhilfe hinauszuzögern. Doch das kann schwerwiegende Folgen haben, denn Schwerhörigkeit schadet unserem Gehirn.
«Menschen, die schlecht hören, verarbeiten weniger akustische Reize. Viele reagieren auch mit Rückzug, weil sie Gesprächen nicht mehr so gut folgen können oder schnell müde werden», so Thienpont. «Das Gehirn ist dann weniger gefordert und die geistige Leistungsfähigkeit nimmt ab. Dadurch erhöht sich das Risiko, an Alzheimer zu erkranken», warnt die Medizinerin.
Das Gehirn braucht Inputs von Aussen
Thienpont rät dazu, das Gehör regelmässig von einer Fachärztin oder einem Facharzt untersuchen zu lassen. «Ab Mitte 50 kann das Hörvermögen durch altersbedingten Verschleiss schlechter werden. Das sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen», erklärt die Alzheimer-Expertin. Hörgeräte können Defizite in den meisten Fällen ausgleichen. Die Gehirnfunktion bleibt so auf einem hohen Niveau. Gleichzeitig sinkt das Risiko einer Alzheimer-Erkrankung.
Auch der Leiter des Kölner Alzheimer Präventionszentrums, Frank Jessen, rät: «Das Gehirn braucht Input.» Wer schlecht hört, bekommt weniger Input und hat ein höheres Alzheimer-Risiko. Ebenso selbstverständlich, wie eine Brille zu kaufen, wenn man schlecht sieht, sollte ein Hörgerät sein.