Prozess "Kronzeuge" mitschuldig am Tod des IV-Rentners von Kümmertshausen

SDA

22.1.2018 - 12:05

Der "Kronzeuge" (rechts) wurde als einziger wegen des Tötungsdelikts von Kümmerthausen schuldig gesprochen.
Der "Kronzeuge" (rechts) wurde als einziger wegen des Tötungsdelikts von Kümmerthausen schuldig gesprochen.
SDA

Überraschende Wende im Thurgauer Monsterprozess gegen mutmassliche Mitglieder einer kriminellen Organisation: Der "Kronzeuge" ist als einziger am Tod des IV-Rentners von Kümmertshausen schuldig.

Drei Mitangeklagte - mutmassliche Mitglieder einer kriminellen Organisation, die Drogenhandel, Menschenschleusungen und Erpressungen betrieb - wurden am Montag vom Bezirksgericht Kreuzlingen TG vom Vorwurf der vorsätzlichen Tötung freigesprochen. Die Anklage hatte ins Feld geführt, der Iraker und die beiden Türken hätten den IV-Rentner beseitigen lassen.

Ziel des Überfalls vom November 2010 auf den IV-Rentner in Kümmertshausen sei tatsächlich gewesen, den unbequemen Mitwisser zum Schweigen zu bringen, sagte der Richter am Montag bei der Eröffnung der Teilurteile gegen die vier Hauptbeschuldigten. Der IV-Rentner habe gedroht, die Bande auffliegen zu lassen, weil ein Freund von ihm wegen Menschenschleusungen im Gefängnis sass.

Das Gericht gehe aber nicht davon aus, dass die beiden gedungenen Schläger - zwei Kriminaltouristen aus der Türkei - den Auftrag hatten, den IV-Rentner zu töten. Vielmehr hätten sie den Mann einschüchtern und bei ihm Geld stehlen sollen, sagte der Richter. Den Auftrag dazu gab laut dem Gericht der Hauptbeschuldigte, ein 48-jähriger Iraker, der als Kopf der Bande gilt und einschlägig vorbestraft ist.

Kronzeuge verhaftet

Die Staatsanwalt hatte die Anklage gegen die drei Mitbeschuldigten auf die Aussagen eines 39-jährigen Türken gestützt. Dieser "Kronzeuge" war zur Tatzeit als Polizeispitzel tätig und am Tatort dabei. Das Gericht gibt nun aber diesem "Kronzeugen" als einzigem die Schuld am Tod des 53-jährigen Opfers und verurteilte ihn am Montag wegen eventualvorsätzlicher Tötung durch Unterlassung.

Der 39-Jährige wurde noch im Gerichtssaal verhaftet und musste die Urteilsbegründung in Fussfesseln mitverfolgen. Der Beschuldigte habe dem Opfer nicht geholfen, als es mit einem Knebel im Mund und an Händen und Füssen gefesselt auf dem Boden lag und das Bewusstsein verlor, sagte der Richter. Er habe den Tod des IV-Rentners in Kauf genommen.

Am Monsterprozess, der bisher 42 Verhandlungstage umfasst, gab der "Kronzeuge" an, er sei nur zum Einfamilienhaus des allein lebenden Mannes mitgegangen, weil der IV-Rentner 2,5 Kilogramm Heroin für die Bande aufbewahrt habe. Dass es im Haus Heroin gab, glaubte das Gericht ihm jedoch nicht. "Es gibt keine Hinweise dafür", sagte der Richter.

Beweise vernichtet

Eine erste Verurteilung des 39-jährigen wegen Gehilfenschaft zu vorsätzlicher Tötung hob das Bundesgericht auf, weil die Mitbeschuldigten dadurch vorverurteilt worden wären. Die zuständigen Staatsanwälte wurden wegen Befangenheit abgesetzt. Gegen sie läuft ein Strafverfahren.

Das Gericht musste zahlreiche Beweismittel für ungültig erklären. Trotz eines sehr umfangreichen Indizienprozesses mit bisher 42 Verhandlungstagen könne das Tötungsdelikt wohl nie geklärt werden, sagte der Richter vor der Urteilseröffnung am Montagmorgen.

Die Urteile beziehen sich lediglich auf Schuld oder Unschuld der vier Hauptbeschuldigten. Die Höhe der Strafen wird später verhandelt. Die Teilurteile sind nicht anfechtbar.

Zurück zur Startseite