Wartung und Pflege Brauchen E-Bikes mehr Zuwendung?

von Peter Löschinger, dpa/uri

3.11.2019

Velos mit E-Motor boomen. Doch nicht nur bei der Pflege der E-Bikes ist einiges anders. Auch bei Unterhaltskosten und Ersatzteilen gelten andere Regeln als beim klassischen Stahlross.

Haben Sie ein Velo? Aber schon länger nicht mehr gefahren? Egal. Mit ein paar Handgriffen und Ersatzteilen lässt sich der alte Drahtesel aus dem Keller sicher wieder flott bekommen. Bei Elektrofahrrädern, die oft als Pedelecs oder E-Bikes bezeichnet werden, kann das nach einigen Jahren völlig anders aussehen.

Denn was ist, wenn der Akku hinüber und nicht mehr lieferbar ist? Und überhaupt: Wie viel Zuwendung brauchen die Räder mit E-Motor, bei denen seit Jahren steigende Absatzzahlen verzeichnet werden?

Schlechte Pflege rächt sich schneller

Die grundsätzliche Pflege und Reparaturen laufen wie beim normalen Fahrrad ab. «Also genauso oft die Kette ölen, auf die Bremsen oder auf den Luftdruck achten», sagt David Kossmann vom deutschen Pressedienst Fahrrad (pd-f). Er rät aber dabei zu etwas mehr Achtsamkeit. So könnten aufgrund der stärkeren Antriebskraft ungepflegte Teile wie Kette oder Ritzel schneller verschleissen.



Schlechte Pflege rächt sich bei Elektrofahrrädern also früher. Je nach Ausführung, Gattung oder Motor sind sie schwerer als normale Räder. «Im Schnitt kann man von zwischen plus acht und zwölf Kilo ausgehen», sagt Kossmann. Das merken insbesondere die Reifen, die etwas schneller Gummi lassen, auch weil sie öfter ein höheres Tempo aushalten müssen.

Der Luftdruck muss stimmen

Der richtige Luftdruck und dessen penible Kontrolle sind daher umso wichtiger. Viele Reifen sind ab Werk für die höheren Belastungen ausgelegt und als Erstausrüstung am Rad. Diese Pneus werden oft als «E-Bike-tauglich» oder «E-Bike-ready» vermarktet. Wer Ersatz braucht, sollte darauf achten.

Bei der Pflege rät Tamara Winograd vom E-Rad-Komponentenhersteller Bosch, groben Schmutz zwischen Kettenblatt und Lager zu entfernen. «Idealerweise putzt man sein Pedelec nach jeder E-Bike-Tour, damit sich der Schmutz nicht festsetzt. Also so oft wie möglich und nötig.» Der Hochdruckreiniger ist dabei tabu.

Generell bringen Radler ihr Gefährt besser einmal im Jahr zum Check in die Werkstatt. Das gilt auch für Elektrofahrräder – allerdings als Untergrenze. Wer etwa ganzjährig pendelt, bringt es lieber zweimal – im Frühjahr und im Herbst – zur Durchsicht, rät Kossmann.

Sensible Sensoren

Sie wollen losradeln, aber der Motor unterstützt nicht mehr – was nun? In den meisten Fällen geht nicht der Motor selbst kaputt. «Die sind ziemlich robust gebaut und auf lange Betriebsdauern ausgelegt», sagt Kossmann. Manchmal zeigt das Display einen Fehlercode an.

Ganz häufig ist nur etwas verstellt oder verdreht, etwa ein Sensor am Hinterrad, der die Geschwindigkeit misst. Deshalb kann man sich auch erst einmal gut selbst auf Fehlersuche begeben und das Internet befragen, falls einem ein Fehlercode unbekannt sein sollte.

Wartungsarme Motoren

«Prinzipiell sind Elektromotoren relativ wartungsarm und verschleissfrei», sagt David Eisenberger vom ZIV. Gängige einfache Störungen könnten zumeist vom Fachhändler behoben werden. Diese werden auf die entsprechenden Systeme auch geschult.

Bei grösseren Defekten muss der Motor eingeschickt werden. Der Hersteller Bosch beispielsweise tauscht dann nach eigenen Angaben innerhalb der Gewährleistung die betroffene Einheit aus – es sei denn, dass unsachgemässer Gebrauch ursächlich für den Defekt ist.

Antrieb ist für Schrauber tabu

Ein Austauschmotor ausserhalb von Garantiefällen mache bei günstigen Modellen wirtschaftlich dagegen vermutlich keinen Sinn, meint David Eisenberger. «Der kann je nach Modell zwischen 800 und 1’000 Euro inklusive Einbau kosten.»

Von Reparaturen in Eigenregie raten die Experten ab. «Die Antriebseinheit und auch die anderen Komponenten dürfen keinesfalls geöffnet werden», warnt Tamara Winograd von Bosch. «Bei Öffnung der Komponenten erlischt jeglicher Gewährleistungs- und Garantieanspruch.»

Alte Nabenmotoren können überhitzen

Bei älteren Elektrorädern und dort speziell bei Nabenmotoren kann zuweilen das System überhitzen – insbesondere bei längerer Bergauffahrt, wenn man nur ganz leicht mit tritt und den Motor die ganze Arbeit machen lässt.



«Dann reicht mitunter die Hitzeableitung nicht aus und der Motor schaltet ab», erklärt Kossmann. Er mag dieses Problem auch bei modernen Pedelecs nicht ganz ausschliessen, speziell bei schweren Lastenrädern. Daher unbedingt die zugelassen Gesamtgewichte beachten.

Wie lange ein Motor hält, lässt sich pauschal nicht sagen, das hängt immer von der individuellen Nutzungsrealität ab. «E-Bikes sind ja auch erst seit fünf bis sieben Jahren ein grosses Thema, da liegen dazu auch erst relative schmale Erkenntnisse vor», so Kossmann.

Batterie am besten nur bei Zimmertemperatur laden

Auch bei der Batterie ist einiges zu beachten. «Die hiesigen Temperaturen verkraften Akkus in der Regel im Sommer recht gut», sagt Kossmann. Im Winter wandelt sich das Bild: «Den Akku nie bei Minustemperaturen laden, das ist das Schlimmste, was Sie einem Akku antun können», warnt er.

Idealerweise lädt man erst, wenn die Batterie Zimmertemperatur erreicht hat - und beachtet die Herstellerangaben. Vor allem wer die Batterien, die fast immer hoch reaktives und brennbares Lithium enthalten, unbeaufsichtigt laden lässt, sollte schauen, dass nichts leicht Entflammbares wie Kleidung oder Papiermüll in der Nähe ist.

Mit der Zeit büsst ein Akku Leistung ein

Der Akku ist ein Verschleissteil, das muss man beim Kauf wissen und sich darauf einstellen. «Die meisten Hersteller garantieren für ihre Akkus zwischen 500 und 1’000 Ladezyklen», sagt Kossmann. Was das in der Praxis heisst, hängt unter anderem von der individuellen Nutzung ab.

Wer etwa alle vier Tage komplett aufladen muss, komme theoretisch auf 4’000 Tage, mehr als zehn Jahre, rechnet Eisenberger vor. «Aber selbst danach ist der Akku ja nicht komplett platt, sondern hat meist noch 70 Prozent Kapazität. Der lässt sich prima als Ersatzakku nutzen.»

Ersatzbatterie geht ins Geld

Kilometerfresser wie Berufspendler müssen ihr Elektrofahrrad häufiger an die Steckdose hängen, entsprechend kürzer behält der Akku seine volle Leistung. Ersatzakkus vom Originalhersteller kosten nach Schätzung der Experten je nach Modell zwischen gut 300 und etwa 900 Franken. Von Fremdakkus rät Kossmann ab und verweist auf die Brandgefahr, die von defekten oder «schludrig zusammengebauten» Akkus ausgehen kann.

Die Option Akkus aufarbeiten zu lassen, sehen Experten kritisch und raten teils explizit ab. Motoreinheit, Akku, Zellen und Batteriemanagementsystem seien geschlossene Systeme, die aufeinander abgestimmt sind, sagt zum Beispiel Eisenberger. «Dort von fremder Seite einzugreifen, kann im Extremfall gefährlich werden.»

Lebensdauer abhängig vom Ersatzteilnachschub

«Von den Unterhaltskosten ist ein E-Bike sicherlich höher anzusiedeln als ein normales Fahrrad», erklärt Eisenberger. «Die Ersatzteilfrage sollten Kunden in Bezug auf Akku und Motor gleich beim Kauf ansprechen.»

Um bei der Versorgung auf der sichereren Seite zu sein, rät Kossmann zu Pedelecs, die mit Motoren grosser Hersteller wie Bosch, Brose, Panasonic oder Yamaha fahren. «Bei einem E-Bike aus dem Internet mit China-Motor für 1’000 Euro weiss ich nicht sicher, ob ich in vier oder gar in zehn Jahren noch Ersatzteile oder einen passenden Akku bekomme.»

Systeme sind nicht kompatibel

Bosch strebt grundsätzlich eine Ersatzteilverfügbarkeit von mindestens sechs Jahren an, nachdem letztmalig Komponenten eines Systems an den Elektrofahrrad-Hersteller geliefert wurden. «Die Frist beginnt für den Kunden also nicht mit dem Kauf eines E-Bikes, sondern er kann gegebenenfalls noch deutlich länger mit einer guten Ersatzteilversorgung rechnen», sagt Firmensprecherin Winograd.



Allerdings hat fast jeder Hersteller sein eigenes Akkuladesystem – und die sind untereinander nicht kompatibel, weiss David Kossmann. Mitunter können sie sich sogar beim gleichen Hersteller je nach Generation unterscheiden. Das zeigt, wie problematisch es werden kann, wenn ein Hersteller keine Ersatzteile mehr anbietet.

Lässt sich ein Pedelec zum normalen Velo umbauen?

Lässt sich vielleicht ein Elektrorad wieder auf ein normales Fahrrad zurückrüsten, wenn alle Stricke reissen und entscheidende Teile nicht mehr aufzutreiben sind? «Das geht bei den Mittelmotoren eigentlich nicht mehr. Dieses zentrale Bauteil mit der Kurbel ist quasi der Motor selbst. Der Rahmen wurde drumherum konzipiert», sagt Kossmann.

Bei Modellen mit Nabenmotoren in Vorder- oder Hinterrad sei das im Prinzip kein Problem. Da würde man das entsprechende Rad mit dem Antriebsmodul gegen ein normales tauschen und die zugehörigen Teile wie Schalter, Anzeigen, Sensoren oder Kabelbaum entfernen. Dann gilt es aber wieder, komplett allein in die Pedale zu treten – aber das kennen Sie ja schon vom alten Drahtesel aus dem Keller.

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