Omikron in Polynesien Das Virus erreicht die letzten Flecken der Erde

Von Nick Perry und Sam Metz, AP

1.2.2022 - 00:00

Das Staatsgebiet von Kiribati erstreckt sich über eine Vielzahl von Inseln. Bislang war der Staat coronafrei. Das hat sich jetzt geändert. (Archiv)
Das Staatsgebiet von Kiribati erstreckt sich über eine Vielzahl von Inseln. Bislang war der Staat coronafrei. Das hat sich jetzt geändert. (Archiv)
Bild: Getty Images

Lange konnten einige abgelegene Inselstaaten die Einschleppung des Coronavirus erfolgreich verhindern. Inzwischen ist der Erreger fast überall. Die letzten virusfreien Regionen kämpfen einen aussichtslosen Kampf. 

1.2.2022 - 00:00

Nach zwei Jahren Pandemie sind nun auch die entlegensten Orte der Welt nicht mehr vor dem Virus sicher. Der Inselstaat Kiribati erlebt seine ersten Infektionen, Tonga und Samoa stemmen sich noch gegen erste Ausbrüche.

Zu Beginn der Corona-Pandemie schloss Kiribati seine Grenzen. Damit konnte die abgelegene Inselgruppe im Pazifik das Virus fast zwei Jahre lang fernhalten. Doch nun hat Covid-19 auch einen der letzten noch nicht betroffenen Orte der Welt erreicht.

Die Einreiseregeln waren streng – es reichte aber nicht

Kiribati begann in diesem Monat mit der Öffnung und erlaubte die Rückkehr von 54 Staatsbürgern an Bord eines von der Mormonenkirche gecharterten Flugzeugs. Viele von ihnen waren Missionare der Glaubensgemeinschaft, die die Inseln vor Beginn der Grenzschliessungen für Missionseinsätze im Ausland verlassen hatten. Jeder zurückkehrende Passagier wurde auf den nahe gelegenen Fidschi-Inseln dreimal behördlich auf Corona getestet, musste geimpft sein und bei der Einreise nach Kiribati in Quarantäne und zu weiteren Tests. Das reichte nicht aus.



Mehr als die Hälfte der Passagiere wurde schliesslich positiv auf das Virus getestet, das sich jetzt in der Bevölkerung ausbreitet: Aus ursprünglich 36 Fällen aus dem Flugzeuge wurden bis Freitag 181. Die Regierung rief den Notstand aus.

Kiribati gehört zu einer Gruppe von mehreren kleinen Pazifikstaaten, die sich dank ihrer Abgeschiedenheit und strenger Grenzkontrollen bislang vor der Pandemie abschirmen konnten. Doch gegen die hochansteckende Omikron-Variante konnten sie offenbar wenig ausrichten.

«Es wird jeden Winkel der Welt erreichen»

«Es ist im Grossen und Ganzen unvermeidlich. Es wird jeden Winkel der Welt erreichen», sagt die Impfexpertin Helen Petousis-Harris von der University of Auckland in Neuseeland über das Virus. «Entscheidend ist, genug Zeit zu gewinnen, um sich vorzubereiten und so viele Menschen wie möglich zu impfen.»



In Kiribati sind laut der wissenschaftlichen Online-Publikation «Our World in Data» nur 33 Prozent der 113'000 Einwohnerinnen und Einwohner voll und 59 Prozent mindestens einmal geimpft. Wie in vielen anderen Pazifikstaaten gibt es auch hier nur eine medizinische Grundversorgung und kaum Intensivbetten. Besonders schwer erkrankte Patienten wurden in der Vergangenheit zur Behandlung nach Fidschi oder Neuseeland geschickt.

Nun hat die Regierung mehrere Quarantäne-Einrichtungen eröffnet, eine Ausgangsbeschränkung und Lockdowns verhängt. Präsident Taneti Maamau versicherte in sozialen Medien, dass die Regierung ihre gesamten Ressourcen aufbringe, um die Situation zu managen. Er rief die Menschen auf, sich impfen zu lassen.

Die Glaubensgemeinschaft der Mormonen, der die zurückgekehrten Missionare angehörten, die im US-Staat Utah beheimatete Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage, hat in vielen Pazifikstaaten eine starke Präsenz. In Kiribati bildet sie mit 20'000 Gläubigen die drittgrösste christliche Konfession. Für die Kirche sind etwa 53'000 Missionarinnen und Missionare weltweit Vollzeit tätig.

Bislang hatte Kiribati nur zwei Fälle gemeldet 

Die Pandemie stellte die Missionsarbeit, die als Initiationsritus für junge Männer und Frauen gilt, auf eine harte Probe. Die Regierung von Kiribati holte im Juni 2020 etwa 26'000 Missionskräfte aus dem Ausland zurück und versetzte sie ins Homeoffice. Fünf Monate später wurden sie wieder entsandt. Als im April 2021 Corona-Impfstoffe in vielen Ländern verfügbar wurden, riefen Kirchenvertreter alle Missionarinnen und Missionare auf, sich impfen zu lassen. Wer ausserhalb seines Heimatlandes im Einsatz war, wurde dazu verpflichtet.

Die nun zurückgekehrten Kräfte befinden sich nach Angaben von Kirchensprecher Sam Penrod weiter in Quarantäne. Einige von ihnen seien lange über die vorgesehene Einsatzdauer von 18 bis 24 Monaten hinaus im Ausland gewesen, manche bis zu 44 Monate, sagte Penrod.

Bis zum Ausbruch in diesem Monat hatte Kiribati nur zwei Infektionen gemeldet: Betroffen waren Crew-Mitglieder auf einem ankommenden Frachtschiff, das schliesslich nicht anlegen durfte. Doch der Charterflug war nicht der einzige Fall, in dem Missionare nach ihrer Rückkehr auf eine Pazifikinsel positiv auf Covid-19 getestet wurden. Im Oktober meldete Tonga als ersten – und bislang einzigen – Corona-Fall landesweit einen infizierten Missionar, der über Neuseeland aus Afrika zurückgekommen war. Wie seine Kollegen in Kiribati war auch er geimpft und in Quarantäne.

Tonga fordert kontaktlose Hilfslieferungen

Tonga versucht verzweifelt, jegliche Ausbrüche zu verhindern. Das Königreich erholt sich gerade von einem Vulkanausbruch und einem Tsunami in diesem Monat. Es hat Unterstützung aus aller Welt erhalten, aber eine kontaktlose Lieferung der Hilfsgüter gefordert. «Sie haben schon genug Probleme, auch ohne Covid», sagt Impfexpertin Petousis-Harris. «Alles, womit sie es draussen halten können, wird wichtig sein. Covid würde die Katastrophe nur noch verschlimmern.» Langfristig sei es jedoch unmöglich, das Virus aus Tonga oder jeder anderen Region fernzuhalten.



Auch das nahegelegene Samoa mit seinen 205'000 Einwohnerinnen und Einwohnern versucht gerade, den ersten Ausbruch zu verhindern. Der polynesische Inselstaat verhängte einen Lockdown bis Freitagabend, nachdem in der vergangenen Woche 15 Insassen eines aus Australien kommenden Flugzeugs positiv getestet worden waren. Bis Donnerstag stieg die Zahl der Infizierten auf 27, unter ihnen fünf Krankenschwestern, die die Passagiere behandelt hatten. Alle Infizierten wurden nach Angaben der Behörden isoliert.

Auf Kiribati gibt es unterdessen trotz Lockdowns Anzeichen, dass nicht alle traditionellen Aspekte des Insellebens für längere Zeit verloren gehen: Die Regierung erlaubte am Donnerstag unter Auflagen wieder das Fischen.

Von Nick Perry und Sam Metz, AP/uri

Von Nick Perry und Sam Metz, AP