Ein Jahr nach Kohls Tod Ein Jahr nach Kohls Tod: Friede herrscht vor allem am Grab

Jasper Rothfels (Text) und Uwe Anspach (Foto), dpa

15.6.2018

Vor einem Jahr starb Helmut Kohl, der Kanzler der Einheit. Seine Person und der Umgang mit seinem Erbe sorgen nach wie vor für Gesprächsstoff. In Ludwigshafen und Speyer wird bei zwei Veranstaltungen des Staatsmannes gedacht.

Die Abendsonne fällt auf Helmut Kohls Grab und taucht den Buchs darauf in sanftes Licht. Auch rote Blumen hat jemand in die dunkelbraune Erde unterhalb des brusthohen Holzkreuzes gesetzt. Grabbesucherin Cathrin Linssen kennt ihre Namen. «Dipladenien», sagt die Frau des ehemaligen nordrhein-westfälischen Finanzministers und CDU-Bundesschatzmeisters Helmut Linssen. Die 69-Jährige hat einen privaten Termin in der Nähe und nutzt die Gelegenheit, um das Grab am Rande des Adenauer-Parks in Speyer zu besuchen. «Das ist ja ein idyllischer Platz hier», sagt sie.

Linssen ist eine von vielen, die es an Kohls Grab zieht. Rund 20 Besucher täglich und mehr zählten die für den Park zuständigen Mitarbeiter der Stadt, sagt eine Pressesprecherin. Die Zahl könnte in den nächsten Tagen noch steigen. Am 16. Juni jährt sich erstmals Kohls Todestag. Eine Bestandsaufnahme zeigt: Kohl gibt nach wie vor Anlass zu Diskussionen, und der Friede, der rund um sein Grab herrscht, hat noch nicht überall Einzug gehalten.

Bei drei offiziellen Veranstaltungen am Todestag soll des Mannes gedacht werden, der von vielen wegen seiner Verdienste um die Einheit Deutschlands und Europas gerühmt wird, aber wegen seiner Verstrickung in die CDU-Spendenaffäre auch kritisiert wurde. «Mit der CDU habe ich vereinbart, dass es ein gemeinsames, stilles und würdiges Gedenken meines Mannes am 16.6.2018 in Speyer, wo er begraben liegt, und anschliessend in Ludwigshafen, wo er aufgewachsen ist und gelebt hat, geben wird», teilt Kohls Witwe Maike Kohl-Richter mit. «Es wird keine gesonderten Einladungen geben, wir informieren nur darüber.»

Für 15.00 Uhr ist demnach am Grab ein stilles Gedenken geplant. Seitens der Bundes-CDU hat sich Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer angekündigt. Um 16.00 Uhr gibt es in der Kirche St. Josef in Ludwigshafen-Friesenheim - Kohls «Hauskirche» - eine Messe. Auch im österreichischen St. Gilgen, wo Kohl und seine erste Frau Hannelore jahrzehntelang Urlaub machten, gibt es eine Gedenkveranstaltung. Am Tag darauf gibt es einen Gottesdienst im Speyerer Dom, dem Kohl sich sehr verbunden fühlte und durch den er zahlreiche Staatsgäste führte.

«Niemand aus der Familie wurde zu einer der Gedenkveranstaltungen eingeladen.»

Was machen Kohls Söhne am Todestag? Ihr Verhältnis zu Kohl-Richter gilt als angespannt, und auch aktuelle Äusserungen legen diesen Schluss nahe. Auf die Frage, ob er nach Speyer und Ludwigshafen kommen werde, teilt Walter Kohl mit: «Niemand aus der Familie wurde zu einer der Gedenkveranstaltungen eingeladen.» Und sein Bruder Peter sagt in einem Interview der «Zeit»: «Wahrscheinlich treffe ich mich mit meinem Bruder, und wir gehen an einen Ort, an dem wir immer gemeinsam waren mit unserem Vater, mit den Eltern.» Er kündigt zudem an, die Echtheit bestimmter Unterschriften seines Vaters überprüfen lassen zu wollen. Ein Streitpunkt sind die Akten des Vaters.

Streit gab es auch andernorts. In Kohls Heimatstadt Ludwigshafen und im nahen Frankenthal sorgten auf CDU-Initiative gefasste Beschlüsse zur Strassen- und Platz-Umbenennung nach Kohl für Proteste von Bürgern. In Ludwigshafen wurden die Pläne Thema im Oberbürgermeister-Wahlkampf, bei der Wahl siegte die SPD-Vertreterin. Die Benennungsbeschlüsse wurden in beiden Städten zurückgezogen.

Und nun? In Abstimmung mit den Vorsitzenden der Ratsfraktionen in Ludwigshafen werde die Frage der Ehrung nach der Kommunalwahl 2019 in einem geordneten Verfahren unter Beteiligung der Bürger entschieden, teilt eine Sprecherin der Stadt mit. OB Jutta Steinruck (SPD) habe von Anfang an deutlich gemacht, dass sie eine Würdigung von Kohls Verdiensten um die Einheit Europas befürworte. Im Frankenthaler Stadtrat verständigte sich der Ältestenrat nach Angaben einer Rathaussprecherin zunächst darauf, dass er allgemeiner über die Umbenennung und Benennung von Plätzen beraten will. In Mainz wurde ein Umbenennungsbeschluss realisiert, in Speyer steht das bevor.

Am Grab gibt es unterdessen noch einiges zu tun. Immer noch fehlt der Stein. Nach wie vor überwacht eine Kamera das Areal innerhalb des Zauns, über das mitunter ein Eichhörnchen huscht. Ein Schild bittet um Stille. «Das Grab hat sich jetzt gemacht», sagt eine 33 Jahre alte Frau, die mit ihren Kindern den nahen Spielplatz im Park besucht. Nach ihren Beobachtungen kommen vor allem viele ältere Menschen. Auch Kohls Witwe habe sie dort schon zweimal gesehen.

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