Jeden Tag 1000 Urlauber Fluch oder Segen? Der peruanische «Regenbogenberg» wird populär

Franklin Briceno, AP

10.5.2018

Dank spektakulärer Internetfotos entwickelt sich der «Regenbogenberg» in Peru zum neuen Touristenmagneten. Die verarmten Ureinwohner können die unverhofften Einnahmen gut gebrauchen. Umweltschützer schlagen aber Alarm.

Die Urlauber schnappen erschöpft nach Luft. Sie sind todmüde nach dem zweistündigen Aufstieg auf einen 5000 Meter hohen Berg in den peruanischen Anden. Zugleich sind sie aber überwältigt von der magischen Schönheit: Vor ihnen breiten sich Streifen aus Sediment in Türkis, Lavendel und Gold aus.

Wegen der bogenförmigen Farbenpracht ist die Erhebung inzwischen als «Regenbogenberg» bekannt. Die bunten Sedimentschichten wurden von der Plattentektonik vor Jahrmillionen von der Horizontale fast in die Senkrechte gedrückt. Die Aussenwelt hat das Naturwunder erst vor etwa fünf Jahren entdeckt. Mittlerweile gehört der Berg zum Muss für Rucksackreisende in Peru.

«Man sieht es auf Fotos und denkt, es ist mit Photoshop bearbeitet – aber es ist echt», sagt der 18-jährige mexikanische Tourist Lukas Lynen. Der Berg zieht jeden Tag bis zu 1000 Urlauber in das Gebiet, das von Alpaka-Herden bevölkert wird und nur wenige Stunden Fahrt von der Inka-Stadt Machu Picchu entfernt liegt.

Die Popularität des «Regenbogenbergs» hat der Wirtschaft der abgelegenen Region einen dringend benötigten Schub verpasst. Umweltschützer befürchten aber, dass Touristen die kostbare Landschaft zerstören könnten, die bereits von internationalen Bergbaukonzernen ins Visier genommen wird.

Sumpfgebiet wird in Parkplatz verwandelt

«Aus ökologischer Sicht töten sie die Gans, die goldene Eier legt», sagt der peruanische Biologe Dina Farfan, der in dem Gebiet über bedrohte Tierarten geforscht hat. Zum Beweis deutet er auf einen vier Kilometer langen Trampelpfad, den Urlauber auf dem Weg zum «Regenbogenberg» in den Boden gestampft haben. Der Weg ist in den vergangenen 18 Monaten stark erodiert und verschandelt die ansonsten unberührte Landschaft.

Zudem wurde ein einst von Flugenten genutztes Sumpfgebiet in einem Parkplatz verwandelt. Die Fläche in der Grösse von fünf Fussballfeldern füllt sich jeden Morgen mit den Vans von Besuchern, die vor allem aus Europa und den USA nach Peru kommen.

Doch dem Tal drohen noch ernstere Gefahren. Das kanadische Bergbauunternehmen Camino bemüht sich um Schürfrechte in dem mineralreichen Gebiet, zu dem auch der Berg gehört. Über seine Pläne wollte der Konzern auf Nachfrage der Nachrichtenagentur AP keine Auskunft geben.

Geldsegen löst Steuerstreit aus

Zugleich hat der Zustrom von Touristen der indigenen Gemeinde in der Ortschaft Pampachiri Jobs und bares Geld beschert. Die Menschen hier leiden unter hohen Alkoholismusraten, Mangelernährung und rückläufigen Preisen für Alpaka-Wolle. Viele haben ihr Nomadenleben zugunsten gefährlicher Arbeitsplätze im Bergbau im Amazonas-Gebiet aufgegeben.

Heute verlangen sie von jedem Besucher drei Dollar für den Zutritt in das Land ihrer Vorfahren, was der Gemeinde etwa 400'000 Dollar jährlich einbringt. Der Geldsegen löste sogar einen Steuerstreit mit einer verarmten Nachbarkommune aus, die bislang leer ausgeht.

Der Ansturm zieht auch eine Verantwortung für die Umwelt und die neuen Gäste nach sich. Der Gemeindevorsteher von Pampachiri, Gabino Huaman, räumt ein, dass die Einwohner hierfür wohl noch nicht ausreichend gerüstet sind. «Wir können kein Wort Englisch», sagt er. «Oder Erste Hilfe.»

Touristen beleben alte Tradition wieder

Dennoch kehrten in den vergangenen Jahren etwa 500 Dorfbewohner nach Pampachiri zurück, um die Tradition ihrer Vorfahren wieder aufzunehmen: Transporte über die Anden. Allerdings tragen ihre Pferde heute keine Güter mehr auf dem Rücken, sondern Touristen.

«Es ist ein Segen», sagt der 25-jährige Isaac Quispe, der seine Arbeit in einer Goldmine gekündigt hat, nachdem sechs Kumpel getötet worden waren. Er kehrte nach Hause zurück und kaufte sich ein Pferd, mit dem er seitdem Urlauber auf den Berg befördert und so im vergangenen Jahr 5200 Dollar verdiente. Wie seine Kollegen trägt er bei der Arbeit bunte Wollkleidung und einen traditionellen Hut mit breiter Krempe.

Der Biologe Farfan hofft darauf, dass die Bewohner von Pampachiri von anderen nachhaltigen Tourismusprojekten in Peru lernen. Als Ergebnis eines solchen Projektes im nahegelegenen Ort Chillca wurde der «Regenbogenberg» erstmals auf einer Karte eingetragen.

Liebeslied bei Tagesanbruch

Bis vor wenigen Jahren war es nämlich lediglich eine wenig bekannte Gruppe von Hirten, die kleine Reisegruppen im Rahmen einer fünftägigen Tour um den Ausangate-Gletscher auch zum «Regenbogenberg» führte. Erst im Laufe der Zeit machte der Geheimtipp die Runde – vor allem wegen der atemberaubenden Bilder, die Besucher im Internet posteten.

Heute führen die Hirten von Chillca vier Lodges aus Eukalyptus-Holz für je 16 Gäste. Die Hütten werden nur von Kerzen beleuchtet, verfügen aber über heisses Wasser. Besucher bekommen bei der Ankunft Schuhe aus Alpaka-Leder und -Wolle in die Hand gedrückt. Bei Tagesanbruch werden sie vom Betreiber Orlando García mit einem Liebeslied in der indigenen Sprache der Ketschua geweckt.

«Man muss immer erraten, was der Kunde möchte, und sich darum kümmern, damit man sein Lächeln nicht verliert», sagt García. «Wir wollen, dass sie sich in fast 5000 Metern Höhe so wohl fühlen wie möglich.»

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