Coronavirus «Ich habe keine Angst»: Wie eine Chinesin die Epidemie erlebt

Von Gil Bieler

29.1.2020

Das Zentrum der Epidemie liegt ganze zwölf Autostunden entfernt, doch wirkt sich das Coronavirus auch auf das Leben in Shenzhen aus. Eine IT-Angestellte erzählt «Bluewin» von den Folgen für ihren Alltag.

Eigentlich hatte Crystal Reisepläne. Die IT-Angestellte aus Shenzhen, ganz im Süden Chinas, wollte die Feiertage nach dem chinesischen Neujahr dazu nutzen, um in den Norden des Riesenreiches zu fliegen. In die Innere Mongolei sollte es gehen, wie sie im Chat mit «Bluewin» erklärt. Sie habe sich schon auf den Schnee gefreut.

Doch das Coronavirus machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Dessen Ursprungsherd liegt zwar in Wuhan, rund 1'000 Kilometer von Crystals Heimatstadt entfernt. Und dennoch wurden drei Tage vor dem geplanten Abflug auch in Shenzhen erste Vorsichtsmassnahmen erlassen. Die 31-Jährige cancelte deshalb schweren Herzens ihren Flug.

Keine Angst

«Angst habe ich nicht», meint Crystal. Höchstens ein klein wenig besorgt sei sie. «Nicht wegen mir selber, aber ich mag es nicht, wenn mein Land in Schwierigkeiten steckt.» Für die Menschen in der am stärksten betroffenen Provinz Hubei sei die Situation bestimmt belastend. Dort wurden am Mittwoch 25 neue Todesfälle durch Infektionen mit dem Coronavirus bestätigt; insgesamt stieg die Zahl der Todesfälle in China damit auf 131.



In Shenzhen bleibt es vorerst bei Empfehlungen der Behörden. Die Menschen werden dazu angehalten, daheim zu bleiben und gut auf sich zu achten. Man dürfe aber nach wie vor nach draussen gehen, und auch die Läden hätten geöffnet. Doch Crystal bleibt meist zuhause. Sie wolle nicht unnötig lange durch die Schutzmaske atmen, ohne wolle sie aber nicht vor die Tür. «Ich will andere Leute nicht beunruhigen.»

Ausserdem sei es nicht ganz leicht, sich Schutzmasken zu besorgen. Für 15 Stück habe sie zuletzt umgerechnet 9.40 Franken bezahlt. Sie habe gehört, dass manche Händler überrissene Preise verlangen, doch die Regierung der Provinz Guangdong gehe strikt dagegen vor. Die Leute sollten Läden mit Wucherpreisen melden.

Menschenleere Strassen

Wegen des Ausbruchs des Coronavirus verlängern sich auch Crystals Neujahrsferien. Sie könne wohl frühestens am 9. Februar wieder arbeiten gehen. Was für Schweizer Ohren angenehmer klingen mag, als es sei: Sie habe genug vom Daheimhocken. Als «Bluewin» sie erreicht, geht sie gerade spazieren, Sonne tanken – es habe aber nicht viele Leute auf den Strassen.

Crystal ist zuversichtlich, dass die chinesischen Behörden die Krankheit in den Griff bekämen. Auch Freunde von ihr in der am meisten betroffenen Provinz Hubei blieben ruhig und zuversichtlich. Crystal ist sich sicher: «Wir werden dieses Virus bald besiegen.»

Immerhin: Am Mittwoch wurde bekannt, dass ein Team australischer Wissenschafter erstmals die Reproduktion des Coronavirus im Labor gelungen ist. Dieser Schritt könnte dazu beitragen, die globale Ausbreitung der Krankheit zu bekämpfen.


Bilder des Tages

Zurück zur Startseite