Porny-Days-Leitung kontert Vorwürfe«Der sexuelle Akt ist bloss Teil dieser Performance»
dmu
21.11.2023
Nächste Woche starten in Zürich die Porny Days. Talaya Schmid und Emanuel Signer, Co-Leitung des Film- und Kunstfestivals, sprechen im Interview mit blue News über Sexualität und die Grenzen der Kunst.
dmu
21.11.2023, 00:00
21.11.2023, 09:22
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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Vom 29. November bis 3. Dezember findet in Zürich das Film- und Kunstfestival Porny Days statt.
Talaya Schmid und Emanuel Signer, Co-Leitung des Festivals, sprechen im Interview mit blue News über die Idee hinter dem Anlass.
Mit dem Festival möchten sie unter anderem eine Gesellschaft fördern, in der pornografische Inhalte und Sexarbeit unter fairen und einvernehmlichen Bedingungen entstehen.
Der Anlass soll berühren und Emotionen auslösen. Auch Wut und Missverständnis seien erwartbare Reaktionen.
Ein ernsthafter und transparenter Umgang mit dem Thema Sexualität sei wichtig.
Talaya Schmid und Emanuel Signer, was ist die Idee des Festivals? Inwiefern unterscheiden sich die Porny Days von anderen Erotik-Messen?
Zu den Personen
Talaya Schmid und Emanuel Signer teilen sich die Leitung der Porny Days. Schmid gehörte 2013 bereits dem Gründungsteam an. Das Film- und Kunstfestival findet vom 29. November bis 3. Dezember in mehreren Veranstaltungsorten in der Stadt Zürich statt.
Talaya Schmid: Die Porny Days sind keine Messe, sondern ein fünftägiges Film- und Kunstfestival zum Thema Körperbilder, Gender und Sexualität, das jährlich in Zürich stattfindet und dies nun zum elften Mal. Die Porny Days sind ein Kulturfestival, in dessen Rahmen künstlerische Beiträge wie Filme und Performances gezeigt werden und Diskussionen sowie Workshops stattfinden.
Emanuel Signer: Mit unserem Festival möchten wir unter anderem auch eine Gesellschaft fördern, in der pornografische Inhalte und Sexarbeit unter fairen und einvernehmlichen Bedingungen entstehen. Das ist etwas völlig anderes als eine Messe mit Vertreter*innen von Firmen, bei denen es mehrheitlich um den Verkauf von Produkten geht.
Ist das Genre Sexualität nicht längst im Mainstream angekommen? Braucht es überhaupt noch ein Festival wie die Porny Days?
E.S.: Das Thema Sexualität ist schon seit Jahrzehnten im Mainstream. Filme sind auch schon lange Mainstream und trotzdem gibt es Filmfestivals. Techno ist auch schon lange Mainstream und trotzdem gibt es Technofestivals. Mit dem Film- und Kunstfestival Porny Days möchten wir eine Plattform für den offenen Austausch und für Diskussionen zum Thema Sexualität bieten. Ein Thema, welches in unserer Gesellschaft stark tabuisiert und stigmatisiert wird und häufig mit viel Scham verbunden ist.
T.S.: Sexualität verändert sich im Laufe der Zeit und je nach Kultur, in der sie stattfindet. Als Gesellschaft sind wir daher immer wieder mit anderen Situationen konfrontiert. Darum muss sie immer wieder neu verhandelt und besprochen werden. Die kurze Antwort auf die Frage ist deshalb: Ja, es braucht ein Festival wie die Porny Days.
Auf dem Programm stehen unter anderem Live-Sex-Performances auf der Bühne. Geht es dabei noch um Kunst oder um Provokation?
E.S.: Es geht in der angesprochenen Perfomance nicht um den Live-Sex auf der Bühne. Der sexuelle Akt ist bloss Teil dieser Performance. Und klar geht es bei dieser Arbeit um Kunst. Zwei Künstler*innen erzählen von ihrer Lebensrealität, wie dies auch sonst immer wieder in der Kunst der Fall ist. Sex ist in der Kunst schon sehr lange ein Thema, ob mit expliziten Darstellungen oder auch ohne.
T.S.: Dass Explizites zum Skandal gemacht wird, ist ein altes Phänomen, nicht nur in Zürich. Extrem viele Menschen konsumieren in diesem Land Pornografie und explizite Inhalte. Es ist doch eine spannende Frage, wieso Explizitheit nun in diesem Kontext plötzlich ein Problem sein soll. Wir halten uns klar an den Jugendschutz und alle erwachsenen Zuschauer*innen wissen, worauf sie sich einlassen bei unserem Programm.
Die Wahl des subventionierten Zürcher Schauspielhauses als Veranstaltungsort hat eine öffentliche Debatte ausgelöst. «Steuerzahler finanzieren in Zürich eine öffentliche Orgie», schreibt etwa die Feministin Regula Stämpfli. Wieso gehören die Porny Days ins Schauspielhaus?
T.S.: Wir haben unsere Inhalte bereits in vielen Kulturinstitutionen in Zürich und anderen Städten gezeigt. Das Schauspielhaus ist nur einer von mehreren Spielorten, in denen wir unser Programm zeigen. Die Förderung, die wir erhalten, finanziert bloss einen kleinen Teil des Festivals. Ein wesentlicher Beitrag kommt durch Ticketverkäufe rein. Die Auslastung beträgt 90 Prozent. Der grösste Teil finanziert sich jedoch durch ehrenamtliche Arbeit. Anders wäre die Durchführung nicht möglich.
E.S.: Sobald wir mithilfe der Kulturförderung den grössten Teil des Festivals finanzieren, können wir die Frage nochmals diskutieren. Das wäre zwar toll, aber erachten wir als unwahrscheinlich. Und schliesslich machen wir das Festival aus Überzeugung.
Können Sie die Aufregung nachvollziehen?
T.S.: Wir möchten mit dem Festival berühren und Emotionen auslösen, das kann durchaus auch Wut und Missverständnis sein. Es ist uns bewusst, dass unser Festival nicht allen gefällt. Das ist auch völlig in Ordnung – uns interessieren und gefallen ja auch nicht alle anderen Kulturveranstaltungen.
E.S.: Wir sind aber sehr besorgt, wenn das Schlagwort Sex medial missbraucht wird und wenn falsche Aussagen ohne Faktencheck aufgegriffen und reproduziert werden. Es ist wichtig, wie Medien über Sexualität, Körperlichkeit und Identitäten berichten. Wir wünschen uns einen ernsthaften und transparenten Umgang mit dem Thema. Und die künstlerische Meinungsfreiheit ist uns wichtig.
Stämpfli kritisiert zudem, das Festival würde viele grenzwertige Themen streifen, die Positionierung dabei bleibe unklar. Welche Botschaften sollen den Besucher*innen vermittelt werden?
E.S.: Sexualität ist ein Teil unserer Persönlichkeit. Unsere Körper sind vielfältig und was uns Freude bereitet, ist ebenso unterschiedlich. Lust zu empfinden und Zärtlichkeit zu teilen, ist etwas Schönes, Wertvolles und Zartes. Wenn man möchte, sollte es die Möglichkeit geben, sich in einem wohlwollenden und offenen Umfeld hierzu auszutauschen und Neues zu lernen, so wie in anderen Bereichen auch.
T.S.: Es geht auch darum, sich selbst besser kennenzulernen und zu entdecken, wo die eigenen Grenzen und die der anderen liegen. Es geht darum, die eigenen Grenzen zu kommunizieren und die Grenzen von anderen zu respektieren. Sexualität ist das Herzstück menschlicher Beziehung.
Hinweis zur Transparenz: Emanuel Signer und Talaya Schmid haben die Fragen aus Zeitgründen schriftlich beantwortet.