Schweizer Star-Fotograf Walter Pfeiffer: «Warum laut werden? Oder hören Models schlecht?»

Von Bruno Bötschi

12.11.2023

Nackte Körper, kräftige Farben und Blitzlicht. Walter Pfeiffer umwirbt seine Models zudem mit Humor. So entstehen Bilder voller Nähe und machten — mit Verspätung zwar — den Schweizer zum weltweit gefragten Star-Fotografen.

Von Bruno Bötschi

12.11.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Walter Pfeiffers Karriere als Fotograf fing erst richtig an, als sich der heute 77-Jährige mit 50 zwang, auch andere Menschen als seine Freund*innen zu fotografieren.
  • Seine Geheimwaffe? «Mein Humor», sagt der gebürtige Schaffhauser. «Ich will einfach eine super Stimmung am Set haben, dann entstehen gute Bilder.»
  • Der Bildband «Chez Walti. Photographs 2000 bis 2023», erschienen in der Edition Patrick Frey, zeigt einen Querschnitt durch Pfeiffers Schaffen in den letzten zwei Jahrzehnten.

Der Weg in den Fotografen-Olymp war für den gelernten Dekorateur Walter Pfeiffer ein steiniger. «Lange wurde ich belächelt. Erst ab dem Jahr 2000 wendete sich das Blatt», sagt der 77-Jährige.

Danach war der gebürtige Schaffhauser, der seit Jahrzehnten in Zürich lebt, kaum mehr zu bremsen. Pfeiffer wird weltweit von Modelabels und Fashionzeitschriften gebucht. Seine Kunstbücher erreichten Kultstatus.

Charmant umwirbt Fotograf Pfeiffer seine Modelle. In dem Wohlfühlambiente entstehen Bilder voller Nähe und Sehnsucht. Sein neuster Bildband «Chez Walti. Photographs 2000 bis 2023», erschienen in der Edition Patrick Frey, zeigt einen Querschnitt durch sein Schaffen in den letzten zwei Jahrzehnten.

Der blue News-Journalist trifft den Fotografen im Migros-Restaurant im Kreis 3 in Zürich, weil dessen Lieblingslokal an diesem Nachmittag geschlossen ist. Auf dem Tisch steht ein Bonsai-Weihnachtsstern.

Walter Pfeiffer, magst du Weihnachtssterne?

Ja, ich liebe ihr knalliges Rot. Aber ich hatte früher Katzen. Und soviel ich weiss, sind Weihnachtssterne giftig für sie. Meine Katze frassen daheim immer alle Pflanzen an, deshalb stand noch nie ein Weihnachtsstern bei mir im Wohnzimmer.

Hast du heute noch Katzen?

Leider nein.

Wie bist du zur Fotografie gekommen?

Durch Zufall. Ich bin kein gelernter Fotograf. In den 70er Jahren hatte ich aber immer viele schöne Menschen um mich herum, bis irgendwann anfing, sie zu fotografieren. Dabei wusste ich gar nicht, wie das gemacht wird. Ich fotografierte zuerst mit einer Polaroid-Kamera und später mit Blitz. Und das war gut so, denn so macht mir meine zitternde linke Hand weniger Probleme und jedes Bild war scharf. Gott sei Dank zittert nur meine linke Hand.

«Wir haben uns bei den Vorbereitungen halb tot gelacht. Allein das Anmalen meiner Fingernägel dauerte zwei Stunden»: Walter Pfeiffer über sein Selbstporträt, das nach einem Auftrag für «Vogue China» in New York entstanden ist.
«Wir haben uns bei den Vorbereitungen halb tot gelacht. Allein das Anmalen meiner Fingernägel dauerte zwei Stunden»: Walter Pfeiffer über sein Selbstporträt, das nach einem Auftrag für «Vogue China» in New York entstanden ist.
Bild: Walter Pfeiffer

Dein neuer Bildband «Chez Walti. Photographs 2000 bis 2023» zeigt einen Querschnitt durch dein Schaffen der letzten zwei Jahrzehnten. Wie würdest du einem Menschen, der dich nicht kennt, deine Bildsprache erklären?

Ich kann meine Bilder nicht erklären. Ein Künstler, der seine Bilder ständig erklären will, langweilt die Menschen ganz schnell.

Die Menschen sollen deine Fotografien anschauen und sich ihre eigenen Gedanken machen.

Denken müssen sie nicht einmal, die Menschen sollen entzückt sein.

Wie soll ein Model aussehen, damit du es gerne fotografierst?

Das Model muss aus der Rolle fallen.

Wie bitte?

Ich stelle mich dümmer an, als ich bin und schaue, ob das Model etwas im Kopf hat. Gute Models bringen auch eigene Ideen mit. Ich sage oft auf dem Set: «Komm, wir probieren deine Idee jetzt gleich aus.» Es gibt viele bekannte Fotografen, die zeigen müssen, dass sie die Grössten sind. Mir ist das fremd. Ich will auf dem Set eine gute Stimmung haben. Ich frage mich auch vor einem Auftrag nicht ständig: «Oh, wie fotografiere ich das.»

Sondern?

Ich fahre hin und entscheide vor Ort, wie ich ein Model fotografieren will.

Was braucht es, damit ein Modebild grossartig wird?

Das Allerwichtigste ist natürlich das Model und ganz wichtig ist auch das Team, das dir auf dem Set hilft. Ich hatte zudem das Glück, einen wunderbaren Agenten zu haben, der mir viele inspirierende Aufträge gab. Weisst du, ich bin kein guter Fotograf.

Jetzt kokettierst du.

Ach, ich meine das so: Ich bin kein Fotograf, der heute diese Pflanze dort vorne und morgen irgendeinen Pappbecher knipsen kann. Das hat mich noch nie interessiert.

Was interessiert dich?

Menschen – und wie schaffe ich es, dass diese am Ende gut aussehen auf meinen Bildern.

Deine Bilder zeichnen sich durch viel Frische aus – schaffst du das nur mit jungen Models oder ginge das auch mit älteren Menschen?

Gehen würde es schon, aber mich hat das nie interessiert.

Wer benimmt sich anständiger vor der Kamera: berühmte oder nicht berühmte Menschen?

Ich mache da keinen Unterschied. Ich will einfach eine super Stimmung am Set haben, dann entstehen gute Bilder.

Du wirst nie laut während einer Fotosession?

Warum auch. Oder hören Models schlecht? Ich glaube nicht.

Bist du während eines Shootings schon einmal davongelaufen, weil dich die Models genervt hat?

2013 sollte ich Pharell Williams in Miami fotografieren. Nachdem wir bei ihm im Penthouse angekommen waren, liess uns der Musiker ziemlich lang warten. Als Williams endlich kam, verschwand er kurz danach bereits wieder. Eine total unangenehme Situation.

Wie viel Zeit brauchst du für ein Porträtbild eines Superstars?

Nicht lange. Es kommt immer auf den Menschen darauf. Du musst spüren, wenn der Moment passiert. Ich bin nicht einer, der möglichst oft auf den Auslöser drückt.

In deinem neuen Buch finden sich nicht nur Bilder von Stars und Models, sondern auch Landschaftsbilder.

Als ich jünger und mein Rücken noch okay war, ging ich viel wandern. Oh, wie ich das geliebt habe. Weisst du, mein Kopf ist voller Zeugs. Während dem Wandern ging dieses Durcheinander mit der Zeit weg. Sah ich unterwegs etwas, dass mir gefiel, machte ich einfach klick.

Wo ist die Schweiz am schönsten?

Es gibt so viele schöne Orte hierzulande. Und nicht zu vergessen: das Randen-Gebiet im Kanton Schaffhausen. Ich bin dort in Beggingen gross geworden. Vor ein paar Monaten las ich im «Tages-Anzeiger» einen Artikel, in dem stand geschrieben, dass Komiker Gabriel Vetter ebenfalls von dort kommt. Das wusste ich bis dahin nicht.

Später hast du im Warenhaus EPA in Schaffhausen eine Lehre als Dekorateur gemacht.

Eine ganz wunderbare Zeit. Alle Verkäuferinnen trugen senfgelbe Uniformen. Damals lernte ich viel über den Umgang mit Menschen.

Ich zeige dir jetzt noch zwei Bilder aus deinem neuen Buch «Chez Walti» und du sagst mir bitte, wie und wo die Fotografien entstanden sind.

Das war mein allererster Auftrag für eine Kampagne. Dieses Porträt von Schauspielerin Tilda Swinton habe ich für Pringle of Scotland in Kunstschule Mackintosh in der schottischen Stadt Glasgow fotografiert.

Tilda Swinton.
Tilda Swinton.
Bild: Walter Pfeiffer

Und wo ist dieses Bild entstanden?

Das Foto von Schauspieler und Model Paul Hameline und mir entstand nach einem Auftrag von «Vogue Homme» in London. Wir fotografierten damals in einem Klub, in dem diverse ausgestopften Tiere herumstanden.

Walter Pfeiffer (links) und Paul Hameline.
Walter Pfeiffer (links) und Paul Hameline.
Bild: Walter Pfeiffer

Am Ende des Shootings meinte der Stylist, ich solle auch noch mit auf das Bild – was ich noch so gerne tat. Bei diesem Shooting war ich schon über 70. Wie alt bist du eigentlich?

56.

Das ist ja noch Primetime. Jetzt zeige ich dir noch ein anderes Bild von mir aus dem neuen Buch …

… das bist du?

Ja. Das Bild wurde in New York aufgenommen. Davor fotografierte ich einen Auftrag für «Vogue China». Die Stimmung am Set war grossartig, sonst hätte ich dieses Foto nie gemacht. Wir haben uns bei den Vorbereitungen halb tot gelacht. Allein das Anmalen meiner Fingernägel dauerte zwei Stunden. Das Blumen-Kleid ist übrigens von Jil Sander. Gefällt dir das Foto?

Sehr.

Und weisst du was: Du bist der erste Journalist hierzulande, der überhaupt etwas über mein neues Buch schreibt.

Das kann nicht sein.

Ist aber so. Ich habe mehrere Interviews mit ausländischen Magazinen geführt und an diesem Wochenende findet in Paris und ein paar Tage später auch noch Berlin je eine Vernissage für meinen neuen Bildband statt. In der Schweiz ist aber ausser ein paar wenige Zeilen bisher nichts über «Chez Walti» geschrieben worden.


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