Was bleibt übrig? Von wegen Tourismus: Auf die Spiele in Pyeongchang folgen Schulden

Foster Klug und Kim Tong-Hyung, AP

20.2.2018

Zum Ende der Olympischen Winterspiele am kommenden Wochenende ist die Sorge gross, dass Pyeongchang vor allem mit Finanzproblemen zurückbleibt. Und mit einer Verpflichtung für riesige Wintersportanlagen, die dort niemand wirklich braucht.

Die Gleichung sollte so leicht sein: Ein Ski-Reiseziel mit Weltklasse aufbauen, die Olympischen Winterspiele abhalten und dann auf den Tourismus warten. Aber während Südkorea noch täglich im Glanz der Wettbewerbe und der weltweiten Aufmerksamkeit erstrahlt, schwindet die Hoffnung auf ein erfolgreiches Pyeongchang nach Olympia. Die Angst geht um, dass sich das Versprechen der Olympiabewerbung von 2011 nicht erfüllen wird, eine abgelegene, lange ignorierte und verarmte Region in einen asiatischen Ski-Ort der ersten Wahl zu verwandeln.

Die abgeschiedene Gegend, viel Schnee, lange Winter und spitze Berggipfel waren für die Olympiabewerbung Südkoreas ein wahrer Segen. Aber wenn die Besucher abgereist sind, werden die Probleme der Provinz bleiben: Die Bevölkerung vor Ort ist nicht gross, altert schnell und ist beim Durchschnittseinkommen im Landesvergleich Vorletzter. Industrie gibt es nach dem Zusammenbruch des Bergbau- und Kohlesektors nicht.

«Die Vorzüge für die Anwohner vor Ort sind fraglich.»

«Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Spiele 2018 zu einer langen Zeit der finanziellen Belastung führen werden, wenn nicht zur Pleite der Regierung vor Ort», sagt Joo Yu Min von der Nationaluniversität Singapur. Die Professorin schrieb im vergangenen Jahr ein Buch über Mega-Veranstaltungen in Südkorea. «Die Vorzüge für die Anwohner vor Ort sind fraglich», sagt sie.

Pyeongchang hat auf die Art von Wandel gehofft, die Seoul vor 30 Jahren mit den Olympischen Sommerspielen erfasst hatte. 1988 war die Hauptstadt des Landes bereit für eine Veränderung, die für Pyeongchang aber nicht gilt. Seit dem Koreakrieg war die Bevölkerung im Land praktisch explodiert, mit den Spielen kam damals dringend benötigte Infrastruktur. Entlang des Han-Flusses durch Seoul wurden grosse Parkanlagen gesetzt, neue Schnellstrassen, Brücken und U-Bahnlinien gebaut. Hochhäuser folgten auf den Abriss von alten Geschäftsbezirken und Slums.

Pyeongchang : Werden die riesigen Wintersportanlagen in Zukunft wirklich gebraucht?
Pyeongchang : Werden die riesigen Wintersportanlagen in Zukunft wirklich gebraucht?
Felipe Dana/AP/dpa

Mit den ersten Winterspielen im Land sollte nun erneut die Entwicklung einer Region vorangetrieben werden. Südkorea gab dafür 14 Billionen Won oder umgerechnet 12,2 Milliarden Franken aus - weit mehr als die geplanten acht bis neun Billionen Won. Zwischen den Bergen sitzen jetzt grosse, moderne Resorts, neue Strassen. Wer von Seoul nach Pyeongchang mit dem Zug fährt, braucht etwa eineinhalb Stunden. Die Rückfahrt ist natürlich ebenso kurz - den Anwohnern entwischt damit viel Geld der Touristen, die abends wieder Richtung Grossstadt wollen.

Die Provinz Gangwon, die Pyeongchang und die ebenfalls bei Olympia bedeutende Stadt Gangneung verwaltet, wird nach den Spielen mindestens sechs moderne Olympische Anlagen erben. Das Internationale Olympische Komitee hatte bereits im August gewarnt, dass die Veranstaltungsorte nach den Winterspielen nutzlos und kostspielig sein dürften.

Wald mit seltenen Bäumen soll wiederhergestellt werden

Das Skigebiet Jeongseon etwa wurde dort gebaut, wo einst ein Wald mit seltenen Bäumen stand. Nach den Spielen soll den offiziellen Plänen zufolge der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt werden - die Kosten dafür werden auf umgerechnet mehr als 83 Millionen Franken geschätzt. Beamte aus Gangwon bemühen sich derzeit aber, die Regierung in Seoul zu überreden, mindestens aus der Hälfte der Anlage ein Luxus-Reiseziel zu machen.

«Ich hoffe, dass die Anlage bleibt», sagt Maeng Won Yeong, dessen Haus für das Bauprojekt umverlegt wurde. Es sei zwar nicht einfach gewesen, zu sehen, wie seine Nachbarn gehen mussten oder der Wald gefällt wurde. Jeongseon brauche aber unbedingt den Tourismus, sagt der 65-Jährige.

In einem Land, das nie eine starke Wintersportkultur hatte, dürften sich die Instandhaltungskosten für die Sportanlagen durch örtliche Besucher wohl kaum wieder einspielen lassen. Anwohner wie die 49-jährige Kim Jin Hee meinen daher auch, das Geld hätte besser in die Sozialhilfe investiert werden sollen. Weder in ihrer Stadt Sabuk in Jeongseon noch drumherum kann sie eine Förderschule für ihren Sohn finden. Der neun Jahre alte Junge hat wegen einer schwerwiegenden Einschränkung seines Gehirns Kommunikationsprobleme. Die Mutter meint: Die Provinz habe Mittel verprasst, während den Bürgern einfachste Dienstleistungen fehlten.

Ganz ähnlich sieht das Sangho Yoon, ein führender Experte beim Koreanischen Wirtschaftsforschungszentrum in Seoul. Egal, welche Tourismusträume die Region habe, letztlich sei mit zehn bis 20 Jahren finanziellem Ärger in der Provinz Gangwon zu rechnen. Die Kosten würden grösser ausfallen als der Tourismus Einnahmen reinholen könne. «Wir werden die Ausgaben niemals rechtfertigen können», sagt er.

Statt auf die Nische zu setzen - Reisende aus Südostasien und dem Nahen Osten, die zu Hause keinen Wintersport haben - setze Pyeongchang darauf, mit den grossen Regionen in Nordamerika und Europa mitzuhalten. «Wie viele New Yorker werden sagen, "Hey, lasst uns nach Pyeongchang gehen und Ski fahren?"» Sangho Yoons Antwort ist deutlich: «Null.»

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