Zu gut im FutterWarum Übergewicht Hunden und Katzen schadet
dpa/tjb
7.2.2021 - 00:00
Liebe geht durch den Magen, zu viel davon landet jedoch auch bei Haustieren auf den Hüften. Übergewicht kann Arthrose, Diabetes und Krebs zur Folge haben und die Lebenserwartung des Tieres verkürzen.
Als die kleine Pekinesen-Hündin Biggi vor etwa neun Monaten bei Christiane Martin im deutschen Oldenburg einzog, brachte sie stolze 10,5 Kilo auf die Waage. Seitdem ist sie auf Diät, denn Hunde dieser Rasse sollten eigentlich nur zwischen vier und sechs Kilo wiegen.
«Alles darüber ist grenzwertig», erklärt Biggis Besitzerin. Bevor die ehemalige Strassenhündin aus Rumänien nach Norddeutschland kam, lebte sie übergangsweise in einer Tierpflegestelle. «Dort hat man es mit dem Aufpäppeln wohl zu gut gemeint», vermutet Martin.
Mit ihren überflüssigen Pfunden ist Biggi nicht allein. Nach Schätzungen des deutschen Bundesverbandes praktizierender Tierärzte (bpt) sind etwa 30 Prozent aller Hunde in dem Land zu dick. Bei den Hauskatzen sieht es mit 40 Prozent noch schlechter aus.
Dies deckt sich laut dem Institut für Tierernährung der Universität Leipzig auch mit internationalen Erhebungen: Danach gilt ein Viertel bis ein Drittel der Hunde und Katzen als übergewichtig oder sogar adipös.
Übergewicht erkennen: Selbsttest für zu Hause
Häufig würde Übergewicht übersehen. Das liege auch am gängigen Schönheitsideal vieler Tierbesitzer und Züchter. «Ein normalgewichtiger Hund wird oft als viel zu mager empfunden», sagt die Vizepräsidentin des bpt, Petra Sindern.
Wer testen möchte, ob das eigene Tier zu dick ist, kann ihm die flache Hand auf die Rippen legen. «Findet man die Rippen erst nach kurzer Suche, hat das Tier Übergewicht», erklärt Sindern.
Tiere, die zu viel wiegen, würden bei jedem Schritt Wirbelsäule und Gelenke stark belasten. Das habe häufig Arthrosen zur Folge. «Übergewicht führt ausserdem zu einem stark erhöhten Risiko, an Diabetes und Krebs zu erkranken», sagt Sindern.
So vielfältig wie die Folgen sind auch die Ursachen für Übergewicht. Eine besteht in zu grosszügigen Mengenangaben auf den Futterverpackungen. «Die Firmen wollen ja möglichst viel verkaufen», sagt Sindern.
Ingrid Vervuert, Professorin am Institut für Tierernährung der Universität Leipzig, kann diesen Vorwurf teilweise bestätigen. Untersuchungen hätten ergeben, dass bei kommerziellem Futter in etwa 30 Prozent der Fälle eine zu hohe Futtermenge empfohlen wird. Ansonsten seien die Empfehlungen aber überwiegend angemessen oder sogar etwas zu niedrig angesetzt.
Snacks fördern Übergewicht
Einig sind sich die Medizinerinnen darin, dass zusätzliches Füttern zwischen den Mahlzeiten eine grosse Rolle beim Thema Übergewicht spielt. «Viele Menschen leben alleine mit ihrem Hund als einzigem Partner. Hunde werden vermenschlicht und sind gleichzeitig sehr überzeugend darin, zu zeigen, dass sie permanent Hunger haben», erklärt Vervuert das Dilemma.
Der Schaden, der mit zu vielen zusätzlichen Leckerchen angerichtet wird, sei vielen Haltern dabei gar nicht bewusst. «Ein Tier öffnet nicht selbstständig die Futterdose und überfrisst sich, einzig und allein der Besitzer teilt die viel zu grosse Ration zu», meint Sindern.
Dabei entsprächen zehn Gramm Käse für eine Katze etwa drei grossen Muffins für einen Menschen. Beim Hund seien drei Scheiben Fleischwurst vergleichbar mit zwei Hamburgern.
Ein weiterer Faktor sei die Kastration, welche Tiere quasi direkt in die Wechseljahre befördert. Denn die Hormonumstellung reduziert den Stoffwechsel. Daher sollten Halter nach dem Eingriff unbedingt noch weniger füttern als vorher.
Beim Abnehmen den Tierarzt hinzuziehen
Bevor es mit dem Abspecken losgeht, sollte man zunächst den Tierarzt aufsuchen. In den meisten Praxen kann man sich ein entsprechendes Fütterungs- und Bewegungsprogramm zusammenstellen lassen, sagt Sindern.
Vorab sei auch eine Blutuntersuchung sinnvoll, um zu prüfen, ob die Gesundheit durch das Übergewicht bereits geschädigt wurde. Im Prozess sei es ausserdem ratsam, sich klare und erreichbare Ziele zu setzen, empfiehlt Sindern. Zehn Prozent Gewichtsverlust innerhalb eines halben Jahres sei ein realistischer Massstab.
Auch der Tierarzt von Christiane Martin hat empfohlen, dass Biggi langsam abnehmen soll. «Sie einfach nur hungern zu lassen, bringt nichts. Dadurch würde sie nur gierig werden», erklärt Martin ihre Strategie.
Neben dem Futter spielt, wie auch beim Menschen, mangelnde Bewegung eine grosse Rolle. Dass Aktivität einen grossen Effekt haben kann, hat Biggi bewiesen. Innerhalb von neun Monaten hat die Pekinesin fast drei Kilo abgenommen. Besitzerin Christiane Martin sagt, dass der Erfolg, neben der genauen Rationierung des Futters, auf mindestens zweieinhalb Stunden Bewegung am Tag zurückzuführen ist.
Sie hofft, dass Biggis Gewicht sich irgendwann bei etwa fünf Kilo einpendeln wird. «Schon jetzt hat sich ihre Lebensqualität im Vergleich zu vorher deutlich erhöht. Wenn wir am Wochenende zu Bekannten aufs Land fahren, tobt sie sich im Wald aus. Das war mit dem starken Übergewicht gar nicht möglich.»
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