Ritt auf der Rasierklinge Riskante Aktion auf schmalem Alpengrat erhitzt die Gemüter

Von Andreas Fischer und Stéphanie Süess

5.9.2024

Riskante Aktion auf schmalen Watzmann-Grat in den Alpen

Riskante Aktion auf schmalen Watzmann-Grat in den Alpen

Der spektakuläre Clip einer schweren Alpintour sorgt für erhitzte Gemüter: Der 27-jährige Trailrunner Richard Utzmeier hat sich dabei gefilmt, wie er den schmalen Watzmann-Grat in den deutschen Alpen ungesichert überquert. Das gefällt nicht jedem.

05.09.2024

Ein Trailrunner postet ein Video von der Überschreitung des Watzmann-Grates in den deutschen Alpen. Dafür muss er viel Kritik einstecken. Sein Clip ist nichts für schwache Nerven und ziemlich spektakulär.

Von Andreas Fischer und Stéphanie Süess

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Überschreitung des Watzmann-Grates in den deutschen Alpen gilt als schwere Alpintour: Ein spektakulärer Clip sorgt nun für erhitzte Gemüter.
  • Ein 27-jähriger Trailrunner hat sich dabei gefilmt, wie er über den Watzmann-Grat läuft: ungesichert und aufrecht.
  • Viele sehen darin Leichtsinn, der der Alpinsportler winkt ab – warnt aber eindringlich vor Nachahmern.

Der Watzmann ist einer der höchsten Berge in den deutschen Alpen, ein Mythos, dessen schwierige Überschreitung immer wieder den Einsatz der Rettungskräfte fordert. Oft genug können sie nur noch die Leichen von verunglücken Alpinisten bergen.

Auf dem Watzmann fühlt sich Richard Utzmeier wohl. Der 27-Jährige ist  Bergsteiger und Trailrunner. Mehrmals pro Woche klettert und läuft er durch die Berchtesgadener Alpen.

Bei Instagram postet er Videos von den Touren. Seine teilweise spektakulären Filme werden normalerweise 2000- bis 4000-mal angesehen.

Will sich ein «Neurotransmitter-Junkie» feiern lassen?

Doch das letzte Video wurde mehr als 1,5 Millionen Mal aufgerufen – und hat eine heftige Debatte ausgelöst. Ist es ein Video «damit alle sagen, du bist der Held?», fragt ein User. «Hauptsache, es sieht wie ein Ritt auf der Rasierklinge aus», wird vermutet. Andere regen sich wegen der Bergrettung auf, «die unter Lebensgefahr solche Neurotransmitter-Junkies aus dem Berg» pflücken müsse.

Die 32 Sekunden sind unbestritten spektakulär. Oder wie es ein User ausdrückt: «Ich kriege schweissnasse Hände beim Zuschauen.» Utzmeier ist in dem Clip in der Früh auf dem Watzmann-Grat unterwegs: aufrecht gehend, ungesichert, auf beiden Seiten steile Felswände. Die Weitwinkel-Perspektive lässt die Watzmann-Überschreitung noch wagemutiger erscheinen.

Dass er mit seinem Video in die Kritik geraten ist, dass ihm Effekthascherei und Leichtsinn vorgeworfen werden, versteht Richard Utzmeier nicht. Bei der Überschreitung sei er «wie immer gut vorbereitet» gewesen, versichert er in einem Interview mit dem «Spiegel». Alles habe dabei gepasst: das Wetter, seine körperliche und mentale Verfassung, die Ausrüstung.

Berge sind kein Abenteuerspielplatz

Selbst für erfahrene Bergsportler ist der Klassiker der Berchtesgadener Alpen eine lange Tagestour. Um die 2350 Höhenmeter zu überwinden,  benötigt man etwa 12 Stunden. Utzmeier, der die Strecke als Trailrunner läuft, schafft die komplette Überschreitung in etwas über fünf Stunden. An ihm orientieren soll man sich aber besser nicht.

«Die Tour», sagt Utzmeier, «habe ich schon zwei- oder dreimal gemacht. Ich bin seit meiner Kindheit in den Bergen unterwegs.» Dass er aufrecht über den Grat geht, möge für Nicht-Alpinisten gefährlich aussehen. «Aber ich bin trittsicher und komme so schneller und leichter voran.»

Utzmeier warnt aber auch eindringlich davor, es ihm nachmachen zu wollen. «Die Watzmann-Überschreitung ist eine Alpintour und nur für wirklich erfahrene Menschen zu empfehlen, die bereits Ähnliches gemacht haben».

Er sehe, wie die Eigenverantwortung der Leute abnehme. «Sie sehen die Berge als Abenteuerspielplatz.» Man solle aber auf keinen Fall mit der Erwartung in die Berge gehen, dass alles abgesichert sei und im Notfall die Bergwacht komme.

Links und rechts vom Watzmann-Grat geht es Hunderte Meter steil hinunter.
Links und rechts vom Watzmann-Grat geht es Hunderte Meter steil hinunter.
Screenshot Instagram/@richard.utzmeier