Schweizer Tourismus Touristen aus China fehlen – das kostet den Schweizer Tourismus Millionen

Von Gil Bieler, mit Material der SDA

28.2.2020

Das Coronavirus trifft auch den Schweizer Tourismus: Weil die Gäste aus China fehlen, entgehen der Branche allein im Februar 20 Millionen Franken. Und keiner kann sagen, wann Besserung zu erwarten ist.

Die Zeichen für das Tourismusjahr standen eigentlich gut: Die Schweizer Hotellerie hat 2019 neue Rekorde bei den Übernachtungszahlen aufgestellt. Gäste aus dem In- und Ausland buchten jeweils so viele Hotelübernachtungen wie noch nie. Insgesamt zählte das Bundesamt für Statistik (BFS) knapp 18 Millionen Logiernächte, ein Plus von fast zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr.

«Diesen Schwung wollen wir mitnehmen ins neue Jahr», sagte Schweiz-Tourismus-Direktor Martin Nydegger am Donnerstag an der Jahresmedienkonferenz der Branchenorganisation. Er räumte aber auch ein: Das werde schwierig.

Nydegger sprach damit die Verbreitung des Coronavirus an. Der mittlerweile weltweit grassierende Erreger dürfte allein im Startquartal die Logiernächte von chinesischen Gästen um die Hälfte einbrechen lassen. Für den Februar entspricht das einer Umsatzeinbusse von rund 20 Millionen Franken.

Zermatt: «Gäste sind verunsichert»

«Bluewin» hat bei verschiedenen Reisedestinationen nachgefragt, ob auch dort schon Auswirkungen zu spüren sind. In Zermatt ist dies der Fall: «Wir spüren, dass Gäste aufgrund der aktuellen Lage verunsichert sind», teilt Simona Altwegg von Zermatt Tourismus mit. Die Stornierungen nähmen zu – auch schon für die Sommermonate. Allein deshalb sei bereits klar, dass «dies auch negative wirtschaftliche Auswirkungen hat».



Eine Prognose für den weiteren Jahresverlauf aufzustellen, sei extrem schwierig – «zudem hatten wir noch nie eine solche Situation», sagt Altwegg. Dennoch gehe man davon aus, dass es auch nach einem Ende der Krise einige Wochen dauern werde, bis sich die Lage normalisiere.

Schwarzmalen wäre aber verfrüht: Nur 2,2 Prozent der Touristen in Zermatt kommen aus China – aus Asien insgesamt sind es 15 Prozent. Die grösste Gruppe machen die Schweizer selbst mit über 40 Prozent aus.

Und aus Sorge vor genau dem nun eingetretenen Szenario verfolge man bereits seit Jahren die Strategie, geographisch möglichst breit aufgestellt zu sein: «Fällt ein einzelner Markt weg, wird der Rückgang durch andere Märkte abgefedert.»

Luzern: China der drittwichtigste Markt

Ähnlich klingt es bei Luzern Tourismus: Die Region Luzern-Vierwaldstättersee sei «sehr breit aufgestellt, was bei einer solchen Situation ein Vorteil ist». Im Jahr 2019 etwa habe es bei Besuchern aus der Schweiz und den USA den grössten Zuwachs gegeben. «Diese und auch andere Europa-Märkte werden weiterhin intensiv bearbeitet», teilt Sibylle Gerardi von Luzern Tourismus mit.

Für die Stadt Luzern bildet China nach der Schweiz und den USA den drittwichtigsten Auslandmarkt. Chinesen buchten im vergangenen Jahr neun Prozent aller Übernachtungen. Weil noch nicht abschätzbar sei, wie schwer die Folgen sein werden, sei es aber wichtig, dass man wieder bereit sei, sobald im chinesischen Markt wieder Normalität eintrete. Dazu gehöre zum Beispiel auch, den persönlichen Kontakt zu Reiseveranstaltern in China aufrecht zu erhalten.



In Interlaken rechnet man ab Februar mit weniger chinesischen Gästen, wie Christoph Leibundgut, Sprecher bei Interlaken Tourismus, schreibt. Eine mitttel- oder langfristige Prognose sei noch nicht möglich.

Wie kann man darauf reagieren? Man habe bereits im Herbst damit begonnen, stärker um europäische Touristen zu werben. Nun würden die Aktivitäten in der Schweiz und in Europa zusätzlich intensiviert. Insbesondere in Deutschland und den Benelux-Staaten wolle Interlaken präsenter sein. «Weiter werden zusätzliche Auftritte in anderen Überseemärkten, wie den USA oder Australien geprüft.»

Immerhin: Der Januar verlief äusserst positiv. In Interlaken wurden 35 Prozent mehr chinesische Gäste als im Januar 2019 gezählt. «Das liegt daran, dass heuer das chinesische Neujahr im Januar war, letztes Jahr aber im Februar», so Leibundgut.

Auch bei Bern Tourismus geht man wegen des Virus von Einbussen aus – das Ausmass sei aber noch sehr schwierig abzuschätzen. Rund 14 Prozent der Logiernächte würden von Touristen aus dem asiatischen Raum gebucht, doch: «Grundsätzlich ist Bern keine typische Destination für Gruppenreisen aus China.»

So etwas gab es noch nie: Im Mai 2019 reiste eine 4'000 Personen starke Reisegruppe aus China nach Luzern.
So etwas gab es noch nie: Im Mai 2019 reiste eine 4'000 Personen starke Reisegruppe aus China nach Luzern.
Bild: Keystone

Schlimmstenfalls droht eine Reiseangst

Was die Folgen der Coronavirus-Krise für die ganze Schweiz angeht, hat Schweiz Tourismus verschiedene Szenarien erarbeitet. Normalisiere sich die Lage in den nächsten Wochen, sei etwa in Asien mit einer Einbusse von rund zehn Prozent zu rechnen. Andernfalls seien bis zu einem Viertel oder Drittel der Logiernächte gefährdet – dann würde die Erholung wohl zwei Jahre brauchen.

Im schlimmsten Szenario drohe eine globale Reiseangst, die die ganze Reisebranche nachhaltig lähmen könnte, sagte Schweiz-Tourismus-Direktor Martin Nydegger. Basierend auf den verschiedenen Szenarien habe man die Planungen für mögliche Massnahmen eingeleitet.

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