Vier Fragen und AntwortenVon Heimatfront bis Rohstoff-Stopp – der Handelskrieg mit China erklärt
Philipp Dahm
22.5.2019
Der Handelskrieg mit den USA spitzt sich zu: Chinas Kommunisten rufen zu einem neuen «langen Marsch» auf und holen überholt geglaubte Propaganda aus der Mottenkiste.
Wenn man US-Aussenminister Mike Pompeo glaubt, herrscht «seit Jahren» ein Handelskrieg «Chinas gegen die USA». Was bei seiner Administration anders sei: «Wir sind entschlossen, ihn zu gewinnen.» Fairness und Gegenseitigkeit bedeute, dass man keinen intellektuellen Diebstahl begehe, begründete der 55-Jährige bei «Fox» weiter den ökonomischen Konflikt.
Hintergrund ist, dass China bis vor der Ära Trump auf einen Technologietransfer bestanden hat, sobald westliche Firmen Investitionen im Reich der Mitte tätigten. Der US-Präsident hat mit seinem neuen harten Kurs zwar einerseits erreicht, dass Peking mittlerweile von derlei Verpflichtungen absieht. Doch andererseits bürgt der fortgesetzt wirtschaftliche Druck auch das Risiko einer Eskalation – und alle Anzeichen sprechen dafür, dass China diesbezüglich ein neues Kapitel aufzuschlagen gedenkt.
Was spricht dafür, dass Pekings Geduld am Ende ist?
Xi Jinping ist gerade auf Heim-Tournee: Chinas Präsident bereist die Provinzen, macht in der 8,5-Millionen-Metropole Ganzhou Halt und legt am Montag einen Kranz an einem Denkmal für den «langen Marsch» niedergelegt: 1934 sammeln die Kommunisten im Bürgerkrieg ihre Kräfte, ziehen sich auf zum Teil Tausende Kilometer langen Gewaltmärschen zurück und formieren sich schliesslich neu, um 1936 Peking einzunehmen. Der Grossteil der Mitlaufenden lässt dabei sein Leben – für einen Heldenmythos, der in der KP noch heute hohen Stellenwert hat.
Englischsprachige Kurzdoku zum «Langen Marsch».
Und nun knüpft Xi nicht nur an diesen Mythos an, sondern will ihn auch wiederbeleben, wie seine Ansprache in Ganzhou deutlich macht. «Wir sind hier nicht nur am Startpunkt des langen Marsches, an dem die Rote Armee ihre Reise begann», zitiert ihn die «South China Morning Post». «Wir begeben uns nun auf einen neuen langen Marsch, und wir müssen von vorn beginnen.» Diese Worte richten sich einerseits an das Volk, um es auf schwerere Zeiten einzuschwören und gelten andererseits als Signal an Washington, dass man bereit sei, den Konflikt durchzustehen, so die Zeitung.
Kurswechsel – wie wird die Gesellschaft vorbereitet?
Shangganling, and other old films about Korean War are rerun in China's TV stations. Chinese troops' win in the 1952 Battle of Shangganling boosted China's position in negotiations with the US. Enlightenment from this film to Chinese:there's no equal negotiation without fighting.
Offizielle Reden von Politikern sind das eine, doch dass sich der Wind gedreht haben könnte, suggeriert vor allem die Populärkultur. So hat China Central Television 6 (CCTV6) in den letzten Tagen das Programm umgestellt, weiss «ABC». Peking setzt im «Kampf um die Herze und Hirne» neu auf Altbewährtes und holt antiamerikanische Filme aus den 60ern aus der Mottenkiste. In Filmen wie «Der Kampf um den Shanggaling-Berg» von 1954 oder «Heroische Söhne und Töchter» von 1964 wird der Koreakrieg verherrlicht, in dem die USA eine schwere Schlappe hinnehmen mussten.
Der US-Wirtschaftsdienst «Bloomberg» berichtet ebenfalls von wachsendem Antiamerikanismus in China, was sich nicht zuletzt in einem neuen Handelskrieg-Song niederschlägt, der nicht von ungefähr tönt, als sei er vor 60 oder 70 Jahren entstanden. Das Lied «Handelskrieg» mit martialischem Text und antiquiertem Sound ist ein Remake einer Filmmusik von 1960: Der damalige Streifen «Tunnelkrieg» ist ein gegen Japan gerichtetes Propagandastück.
A retired Chinese official has written an anti-US trade war song, set to the tune of a propaganda song from the 1960s pic.twitter.com/kR87veMMCE
Wie mit nationalen Marken umgegangen wird, das ist wesentlicher Bestandteil der beidseitigen Propaganda und der Lesart des Konflikts. In China stehen der Telekommunikationsgigant Huawei und der Streit um dessen Zugang zu westlichen 5-G-Handynetzen im Fokus: Die Diskussion um eine Verbannung des Anbieters aus Angst vor Spionage und die jüngsten Huawei-Sanktionen von Google werden inzwischen im Reich der Mitte mehr und mehr persönlich genommen.
Kritische Memes und Social-Media-Posts verbreiten sich aktuell in China, weiss «CNBC»: Auch ein Boykottaufruf gegen Konkurrent Apple wird immer wieder laut. Sollte sich ein solcher durchsetzen, müsste der US-Konzern seinerseits empfindliche Einbussen hinnehmen. Merke: Was Washington kann, kann Peking auch. Dort werden nun Forderungen laut, den Flugzeugbauer Boeing wegen des Groundings der 737 Max finanziell zur Rechenschaft zu ziehen, berichtet die Nachrichtenagentur «Reuters».
Welche Effekte hat der Handelskrieg auf welche Güter?
Auch wenn «patriotische Farmer» in den USA Trump den Rücken stärken, leidet die Landwirtschaft unter den Zöllen, die seit letztem Jahr wechselseitig eingeführt wurden. Besonders stark trifft es Sojabauern, deren Ware am meisten exportiert wird. Die Erlöse sind um zehn Prozent gesunken und liegen nun auf einem Zehnjahrestief.
Eine Mitgliederbefragung der US-Handelskammer in Peking zeigt zudem, dass es mit der Wettbewerbsfähigkeit westlicher Firmen bergab geht. Mehr als 40 Prozent der Befragten gaben demnach an, dass sie darüber nachdenken, ihre Produktion aus China abzuziehen. Etwa gleich viele Firmen klagten über Vergeltungsmassnahmen der Chinesen, die über Strafzölle hinausgingen. So hätten sich Abfertigungszeiten am Zoll verlängert. Es gebe zudem vermehrt Inspektionen der Firmen durch chinesische Behörden.
Was in Amerika teurer wird, hat Comedian Michael Ché in «Saturday Night Live» plastisch erklärt (ab Minute 2:29).
Auch jedes dritte europäische Unternehmen in China muss durch den Handelskrieg Verluste hinnehmen. Aus Sicht der EU-Handelskammer in China sind die von den USA verhängten Strafzölle zwar eindeutig falsch, doch die zugrundeliegende Kritik des Weissen Hauses wird in vielerlei Hinsicht geteilt. Und während China verschmerzen wird, mehr für General-Motors- oder Apple-Produkte zahlen zu müssen, würden die Amerikaner umgekehrt vor schweren Problemen stehen, wenn Peking die Ausfuhr seltener Erden beschränkte.
Auffällig: Xi Jinping besucht am 20. Mai in Ganzhou auch eine Miene für Seltene Erden – an seiner Seite einer der federführenden Beamten bei den Zoll-Verhandlungen mit den USA.
Mit der Strategie «Made in China 2025» will China unter anderem in der Robotik Weltmarktführer werden.
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Vor kurzem zum ewigen Staatsfüher gewählt: Chinas starker Mann Xi Jinping will das Reich der Mitte zur führenden Wirtschaftsmacht der Welt machen.
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Donald Trump versucht mit Strafzöllen, das Handesldefizit der USA gegenüber China abzubauen. Die Wirtschaftspolitik Pekings gefällt Washington gar nicht.
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Die Staatsoberhäupter Chinas ,Xi Jinping (links), und der USA, Donald Trump, geraten wegen unterschiedlicher Handelsauffasssungen immer wieder aneinander.
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Aktuell steigern sich die beiden Länder in einen gefährlichen Handelskrieg hinein, der mit der US-Ankündigugn von Strafzöllen auf Stahlimporte aus China begann.
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Auch in der Europäischen Union macht man sich Sorgen um Chinas Handelspolitik.
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Um die eigene Industrie zu stärken, schottet China seinen Binnenmarkt vor ausländischen Firmen ab.
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Wer Zugang will, muss seine Technologie verfügbar machen.
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China will 2025 nicht mehr Billiglohnland sein, sondern Hightech-Produkte entwickeln und selbst vermarkten.
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Zu den Kerntechnologien der Strategie «Made in China 2025» gehört auch die Raumfahrttechnik.
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Westliche Länder sind zunehmend in Sorge ob Chinas aggressiver Wirtschaftspolitik.
Trump: Hohe Zölle auf Waren aus China, Mexiko und Kanada
WasDonald Trump dreht an der Zoll-Schraube: Der designierte US-Präsident will an seinem ersten Amtstag Zölle in Höhe von 25 Prozent auf alle Waren aus Mexiko und Kanada verhängen. Seine Begründung: Einwanderer würden Kriminalität und Drogen über diese Grenzen in die USA bringen. Die Zölle sollen bleiben, bis das eingedämmt sei.
Zusätzlich sollen Waren aus China mit zehn Prozent Zoll belegt werden. Auch hier begründet Trump es mit der Einfuhr von Drogen, wie dem gefährlichen Fentanyl.
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