Coronakrise als Chance Mailand verbannt Autos von Strassen

tsha

22.4.2020

Wie leergefegt: Auf Mailands Strassen sind seit Wochen viel weniger Autos als sonst unterwegs.
Wie leergefegt: Auf Mailands Strassen sind seit Wochen viel weniger Autos als sonst unterwegs.
Bild: Keystone

Mailand nutzt die Corona-Krise, um Verkehrskonzepte auf den Kopf zu stellen. Die Stadt verbannt Autos von 35 Kilometern Strassen. Profitieren sollen Fussgänger und Velofahrer.

Keine Frage: Das Coronavirus ist eine Katastrophe für all jene Länder, die davon betroffen sind. In Europa musste kaum ein anderes Land derart leiden wie Italien – laut Daten der Johns Hopkins Universität vom Mittwochvormittag hat das Land fast 25'000 Tote zu beklagen, insgesamt knapp 184'000 Menschen haben sich infiziert. Für Mailand, das lange im Auge des Pandemie-Sturms lag, könnte sich nach der Krise aber auch etwas zum Besseren verändern: Die Stadt plant, den Autoverkehr drastisch zu reduzieren und die Strassen den Menschen zurückzugeben.

Infolge des wochenlangen Lockdowns brach der Verkehr in Mailand und Umgebung um 30 bis 70 Prozent ein, schreibt der «Guardian». Entsprechend nahm auch die Luftverschmutzung ab. Jetzt hat die Stadtverwaltung die Sorge, dass der Autoverkehr nach Ende der Krise ein neues Hoch erreichen könnte – wenn nämlich die Menschen aus Angst vor einer Ansteckung die öffentlichen Verkehrsmittel meiden und lieber ins eigene Fahrzeug steigen.



Um das zu verhindern, sollen im Sommer rund 35 Kilometer Strassen in Velo- und Gehwege umgewandelt werden. So – das zumindest ist der ambitionierte Plan – hätten die Menschen mehr Platz, um sich auf den Strassen aus dem Weg zu gehen. Weiters sieht das Konzept «Strada Aperte», das am Dienstag vorgestellt wurde, breitere Gehwege vor, ausserdem eine Höchstgeschwindigkeit für Autos von 30 km/h.

Auswirkungen auf die Schweiz?

Die Stadtverwaltung habe seit Jahren versucht, den Autoverkehr in Mailand zu reduzieren, so der stellvertretende Bürgermeister Marco Granelli. «Wenn jeder ein Auto fährt, gibt es keinen Platz für Menschen, keinen Platz, um sich zu bewegen, keine Platz, um ausserhalb der Geschäfte Handel zu treiben», zitiert der «Guardian» den Politiker. Man wolle die Wirtschaft nach der Krise natürlich wieder öffnen, aber «auf einer anderen Basis als zuvor». 

Mailand nehme eine Vorreiterrolle ein, glaubt die Verkehrsexpertin Janette Sadik-Khan. Die Stadt sei von der Pandemie früher als andere Städte getroffen worden und habe nun einen zeitlichen Vorteil, den es auszunutzen gelte. «Viele Städte und auch Länder wurden geprägt durch die Art und Weise, wie sie auf historische Veränderungen reagiert haben, sei es politisch, sozial oder in Bezug auf den physischen Wiederaufbau», so Sadik-Khan im «Guardian». Mailand habe nun die «einmalige Chance», einen verkehrspolitischen Neustart zu wagen. Städte wie New York könnten vom Mailänder Beispiel lernen, hofft sie.

Auch in der Schweiz ist der Autoverkehr im Zuge der Corona-Krise stark zurückgegangen. So schreibt der TCS, es gebe «kaum noch Pendlerverkehr» auf den Strassen, da viele Menschen von zu Hause aus arbeiten würden. Laut «Blick» haben Autofahrten zuletzt um 35 Prozent abgenommen, gleichzeitig verdoppelten sich die mit dem Velo zurückgelegten Strecken. «Ein Umdenken bei der Mobilität kann dabei helfen, zukünftigen, klimabedingten Krisen vorzubeugen», sagte Renat Heuberger, CEO von South Pole, einem Unternehmen für Klimaschutzlösungen, gegenüber «Blick». Die Corona-Krise zeige, «wie viel wir mit unserem individuellen Verhalten verändern können».

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