Emissionen Was bringt die Coronakrise dem Klimaschutz?

uri

22.4.2020

Blaues Wasser in den Kanälen Venedigs, Wale vor der französischen Küste und Satellitenbilder, die einen extremen Rückgang der Luftverschmutzung zeigen: Ist die Coronakrise womöglich gut für die Umwelt? Experten sind da skeptisch.

Der Stillstand der Wirtschaft rund um den Globus und der zum Erliegen gekommene Tourismus im Zuge der Coronavirus-Pandemie haben tatsächlich beträchtliche Effekte auf den Energieverbrauch und damit auf den Ausstoss von Klimagasen. Für die Schweiz etwa vermeldete die Netzgesellschaft Swissgrid für den März einen Stromverbrauch von lediglich 4'861 Gigawattstunden. Im Vorjahr waren es im März noch 5'035 Gigawattstunden gewesen.

In Frankreich hat sich wegen den Ausgangsbeschränkungen die Luftqualität deutlich verbessert. So seien in der Nähe von Hauptstrassen die Stickstoffoxid-Emissionen so stark zurückgegangen, dass die Werte nun im Allgemeinen unter denen eines normalen Sonntags lägen, teilte die offizielle Luftüberwachungsvereinigung Atmo France am Dienstag mit. In verschiedenen Städten liege der Rückgang im Vergleich zur Zeit vor Beginn der Ausgangsbeschränkungen Mitte März bei 30 bis 75 Prozent.

Sinkende Treibhausgasemissionen in 2020 

Die Treibhausgasemissionen in Europa dürften im Jahr 2020 wegen den Folgen der Pandemie gar um 24,4 Prozent sinken. Das zeigt eine Studie des Energie-Analysten Independent Commodity Intelligence Services (ICIS) von Ende letzten Monats.

Die Karten zeigen die Konzentrationen von Stickstoffdioxid (NO2) in ganz China vom 1. bis 20. Januar 2020 (vor der Quarantäne wegen des Coronavirus) und vom 10. bis 25. Februar (während der Quarantäne).
Die Karten zeigen die Konzentrationen von Stickstoffdioxid (NO2) in ganz China vom 1. bis 20. Januar 2020 (vor der Quarantäne wegen des Coronavirus) und vom 10. bis 25. Februar (während der Quarantäne).
Bild: Nasa/dpa

Weltweit betrachtet erwartet der Vorsitzende des «Global Carbon Projects», Rob Jackson von der US-amerikanischen Universität Stanford, immerhin ein Absinken des CO2-Ausstosses um mehr als fünf Prozent. Von einer ähnlichen Reduktion geht man auch beim deutschen Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) aus. Dieser Wert wäre «in der Industriegeschichte einmalig», heisst es hier. Sogar der Zweite Weltkrieg und alle Rezessionen hätten diesbezüglich weniger stark gewirkt.



Allerdings – und hierin sind sich viele Experten einig – dürften solche Pandemie-Effekte nur kurzfristig anhalten, wenn sich nicht Grundsätzliches ändert. Manche befürchten sogar, dass die Coronakrise dem Klima auf längere Sicht sogar schadet, weil danach dem Ankurbeln den Wirtschaft besonders grosse Bedeutung zukommen dürfte. Nachholeffekte könnten einsetzen und wichtige Vorhaben für den Umwelt- und Klimaschutz dürften sich verzögern.

Klimadesaster Buschfeuer 

So hat etwa die EU-Kommission bereits einige Vorhaben neu priorisiert und zurückgestellt. Beim zentralen Klimaschutzvorhaben der Kommission für dieses Jahr soll es aber bleiben, nämlich bei der Prüfung und Verschärfung des Klimaziels für 2030. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen betonte auch, dass sie trotz der Coronakrise und der wirtschaftlichen Folgen an ihrem «Green Deal» festhalten will.

Angesichts der Tatsache, dass es trotz Coronakrise in diesem Jahr bereits wahre Klimadesaster gegeben hat, dürfte das auch sinnvoll sein. So zeigte nun ein Report der australischen Regierung, dass allein die bis Februar 2020 andauernden Buschfeuer im Land für einen Kohlendioxidausstoss von 830 Millionen Tonnen gesorgt haben. Das ist bei Weitem mehr, als Australien in einem normalen Jahr mit emittiert – nämlich 300 Millionen Tonnen mehr.



Auch reicht die im Zuge der Corona-Pandemie geschätzte 5-Prozent-Einsparung noch nicht einmal aus, um die Klimaziele des Pariser Abkommens einzuhalten. Um die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf unter 1,5 Grad Celsius zu bringen, müssten die Kohelendioxid-Emissionen laut dem UNO-Umweltprogramm zwischen 2020 und 2030 nämlich jährlich im Schnitt um 7,6 Prozent zurückgehen.

Die Krise als Chance

Nichtsdestotrotz sehen Fachleute auch in dieser Krise eine Chance. Die Internationale Organisation für Erneuerbare Energien (Irena) mit Sitz in Abu Dhabi hat am Montag etwa einen Ausblick gegeben, wie internationale Klimaziele erreicht und dabei gleichzeitig das Wirtschaftswachstum angekurbelt werden könne. Mit Blick auf die Coronakrise gehe es dabei darum, «Millionen von Arbeitsplätzen zu schaffen und das Wohlergehen der Menschen bis 2050 zu verbessern», schreibt die Organisation.

Dafür sind nach den Berechnungen von Irena Investitionen von 110 Billionen Dollar bis zum Jahr 2050 notwendig, die dafür aber ein Vielfaches dieser Summe einbringen sollen. Investitionen in kohlenstoffarme Technologien könnten demnach Einsparungen im Ausmass des Achtfachen der Kosten bringen, wenn man Umwelt- und Gesundheitskosten berücksichtige. Der Umbau der Energiegewinnung könne das kumulierte globale Bruttoinlandsprodukt bis 2050 um 98 Billionen Dollar zusätzlich steigern, so die Organisation.

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