1996 wurde beim LSD-Papst Timothy Leary unheilbarer Krebs diagnostiziert – eine Botschaft, die er begeistert empfing. Der Tod sollte sein letzter Trip werden.
Verweigert man einem Toten ein ordentliches Begräbnis, ist das oft grausame Strategie: So nimmt man jemandem auch noch die allerletzte Menschenwürde. Diktaturen überall auf der Welt haben ihre Gegner oft nicht nur gefoltert und getötet, sondern schlicht verschwinden lassen – indem sie sie über dem Meer aus dem Hubschrauber warfen, in anonyme Massengräber schmissen oder ihre Asche in den Wind streuten. Das Kalkül: Sie sollten vergessen werden.
Das Begräbnis verweigern
Aber einige verweigern sich der letzten Ruhe selbst, weil ihnen ein Grab zu öd und zu still ist: Sie lassen sich mit Freuden ins Nichts pulvern nach ihrem Tod. So hat das Enfant terrible des amerikanischen Journalismus, Hunter S. Thompson, seine Asche nach seinem Freitod im Jahr 2005 in eine Kanone stecken und über dem Tal, in dem er wohnte, in den Himmel schiessen lassen. Begleitet wurde das ganze Spektakel von einer grossen Party und buntem Feuerwerk – es soll drei Millionen Dollar gekostet haben. Übernommen hat die Kosten dafür Johnny Depp, der Thompson in «Fear and Loathing in Las Vegas» gespielt hatte.
Eine noch radikalere Form der Selbst-Zerstreuung hat Timothy Leary gewählt. Dass Leary nicht wie andere Menschen von dieser Welt gehen würde, war absehbar: In den 1960er-Jahren stieg er zum international bekannten LSD-Papst auf. Leary hielt LSD für eine Art Nuklearkraft der Psychologie, die alles verändern würde. Seine ersten Gehversuche in den Zonen des Halluzinogenen unternahm er als Forscher an der renommierten Harward University.
Doch irgendwann wurde es der Uni zu viel, und sie verbot Learys Kurse, in denen Studenten psychoaktive Pilze einwarfen – den Dozenten entliess sie auch gleich. Learys Stimme wurde dadurch umso stärker. Seine Aufforderung «Turn On, Tune In and Drop Out» wurde zum Motto einer ganzen Generation.
Das Bewusstsein war für ihn der letzte Ort, an dem es in dieser entzauberten Welt noch etwas zu entdecken galt. Das erstreckte sich nicht nur auf Drogenexperimente. Als bei ihm Anfangs 1996 unheilbarer Prostata-Krebs im Endstadium diagnostiziert wurde, war er – so sagte er es in einem Interview –, «begeistert» darüber, sterben zu müssen. Er sah im Tod das letzte grosse Abenteuer seines Lebens. Ein letztes Mal konnte er alles anders machen, als es von ihm erwartet wurde: «Ich bin in einer Kultur aufgewachsen, in der Gespräche über Geld und den Tod gemieden wurden. Ich liebe Themen, die das Establishment als tabu empfindet.»
Sterben im Internet
Als erster Schritt organisierte Leary eine Website und eine Horde digitaler Freaks, die sein Sterben online dokumentieren sollten. Für Leary war das junge Internet «das LSD der Neunziger»: Ein grosses bewusstseinsveränderndes Experiment. Leary wollte in den Tod surfen. Auf der Website wurde unter anderem sein Drogenkonsum protokolliert. Eine beachtliche Liste: Fünfzig Zigaretten, etliche Haschkekse und ein Joint, Schmerztabletten, zwei Linien Koks, ein wenig Ketamin sowie etwas vom Halluzinogen DMT und ein Dutzend Ballons mit Lachgas – pro Tag. Nüchtern in den Tod zu gehen, kam für Leary nicht infrage.
Untote Macht
Wenn Mächtige sterben, betreibt man immer einen grösseren Aufwand, um sie zu verabschieden. Für Lady Di wurden beispielsweise 10'000 Tonnen Blumen niedergelegt. Aber manche Mächtige gelten als so unentbehrlich, dass man sie gar nicht gehen lassen will. Sie werden mumifiziert, in Mausoleen verehrt und beschäftigen noch als Tote die Nachwelt. Um Anekdoten aus der Geschichte dieser untoten Macht dreht sich diese Reihe.
Doch die Seite war nicht nur aus drogenrechtlicher Sicht skandalös, sondern lieferte ein für damalige Verhältnisse aufregendes Webdesign: Sie ermöglichte 3-D-Rundgänge durch Learys Haus – man konnte sich den «Drug Room» ansehen und den «De-Animation Room», womit Learys Schlafzimmer gemeint war. In Video-Clips kombinierte Leary seine aufklärerische Message mit Technosound und psychedelischen Cybergrafiken. Die Seite gewann auch prompt den «Cool Site of the Year Award» von 1996.
Leary liess sich konstant filmen und fotografieren, gab etliche Interviews. Er wollte öffentlich sterben, in einer Art Sterbe-Performance. Trotz der Drogen, der Selbstinszenierung im Netz: Leary sah sein Leben auch kurz vor dem Tod als Bewusstseins-Forschung an. So arbeitete er noch an einem Buch, das ein Manifest für eine andere Form des Sterbens darstellte. Auch wenn er weit weniger Aufmerksamkeit dafür erhalten hat: Das Sterben interessierte ihn tatsächlich genauso wie halluzinogene Drogen. «Death is the last trip», meinte er.
Einer der ersten Tipps in Learys Buch lautete: «Du stirbst? Schmeiss eine Haus-Party!» Er selbst nahm seinen eigenen Rat sehr ernst – über Monate besuchten ihn Tausende Leute in seinem Haus. Am 31. Mai 1996 starb Leary, was bis zum letzten Atemzug auf Video festgehalten wurde.
Bestattungsexperimente
Natürlich wollte Leary auch mit den üblichen Bestattungsoptionen brechen. So wie er nicht in einem Krankenhaus einen, wie er es nannte, «Fliessbandtod» streben wollte, so kam ein Grab für ihn nicht infrage. In seinem Buch dachte er über verschiedene Optionen nach, in denen sich vielleicht doch eine Furcht vor dem Sterben eingeschlichen hatte. Er spekulierte über nanotechnologische Reparaturmöglichkeiten, war fasziniert von der Idee, wonach der Geist eines todkranken Körpers in einem Cyborg weiterleben könne.
Am ernstesten nahm er jedoch die Option der Kryo-Konservierung. Leary war bei einem Unternehmen angemeldet, das im Fall seines Todes seinen Kopf abschneiden und einfrieren sollte – für bessere Zeiten. Doch daraus wurde nichts. Auf die Frage, warum er dann letztlich doch nicht konserviert wurde, gibt es zwei Antworten.
Die eine ist juristisch schwer: Beim Unternehmen Cryocarefürchteten die Verantwortlichen rechtliche Probleme nach Learys Tod, dahingehend, er könne in seinem Experimentalwahn doch noch zur Option der «voluntary de-animation» greifen – Learys Bezeichnung für den Freitod. Die andere Version passt mehr zu einem Alt-Hippie. Leary meinte, die Frost-Doktoren seien ihm zu langweilig gewesen: «Die haben keinen Humor.» Er fürchte, in 50 Jahren aufzuwachen, «umzingelt von Leuten, die sich auf Klemmbrettern Notizen machen».
Also entschied er sich dazu, sich einäschern zu lassen. Ewige Ruhe interessierte ihn jedoch immer noch nicht. So verkaufte er der Schweizer Digital-Kunst-Gruppe etoy nicht nur etliche Videos und Fotos von seinem Sterbeprozess, sondern auch ein paar Gramm seiner Asche, die später auch in Zürich als Kunstobjekt in Beton vergossen ausgestellt wurden.
Weitere sieben Gramm liess er von der Firma Celestis ins All schiessen. Im April 1997 startete, was von Leary übrig war. In einer lippenstiftgrossen Urne zusammen mit den Überbleibseln von zwanzig anderen prominenten Toten, unter anderem Raketeningenieuren und Science-Fiction-Autoren, schoss der Bewusstseinsforscher ins All.
Sechs Jahre lang umkreiste die Rakete die Erde, dann zog sie die Erde wieder an sich, sie verglühte in der Atmosphäre – und die transportierte Asche wehte anonym über die Erde.
Ein Friedhof in Manila: Tausende Menschen haben hier, inmitten von Gräbern, ein Zuhause gefunden.
Bild: Keystone / EPA / Francis R. Malasig
Ligaya Garcia (links) wohnt auf dem Grab ihres Mannes. Eine richtige Wohnung kann sich die Frau nicht leisten.
Bild: Keystone / EPA / Francis R. Malasig
Die Dächer von grösseren Grabstätten dienen vielen Bewohnern als Nachtlager.
Bild: Keystone / EPA / Francis R. Malasig
Andere haben sich unter Plastikplanen eingerichtet, um sich ein klein wenig vor den Unbilden des Wetters zu schützen.
Bild: Keystone / EPA / Francis R. Malasig
Unter den vielen Tausend Friedhofsbewohnern befindet sich auch dieses junge Mädchen.
Bild: Keystone / EPA / Francis R. Malasig
Viele Kinder, die auf dem Friedhof leben, wurden hier geboren. Sie kennen nur dieses Leben in Armut.
Bild: Keystone / EPA / Francis R. Malasig
Auf dem Friedhof gibt es kaum sanitäre Einrichtungen, auch gekocht wird inmitten von Toten.
Bild: Keystone / EPA / Francis R. Malasig
Wenn eine Beerdigung ansteht, gibt es für manche der Friedhofsbewohner Arbeit.
Bild: Keystone / EPA / Francis R. Malasig
Sie helfen etwa als Sargträger aus oder kümmern sich gegen ein geringes Entgelt um die Grabpflege. Andere verkaufen Blumen an die Angehörigen der Verstorbenen.
Bild: Keystone / EPA / Francis R. Malasig
Wie viele Menschen insgeamt auf den Friedhöfen der Millionenstadt Manila leben, ist nicht bekannt.
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