Einmal mehr verpasst der Hamburger SV die angestrebte Rückkehr in die Bundesliga. Im Gespräch mit blue Sport nennt der ehemalige Vorstandschef Heribert Bruchhagen Gründe und Konsequenzen.
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- Der Hamburger SV scheitert in der Relegation klar am VfB Stuttgart und bleibt zweitklassig.
- Im Gespräch mit blue Sport spricht der ehemalige Vorstandschef Heribert Bruchhagen über die möglichen Gründe und schätzt die Konsequenzen ab.
- Bruchhagen wünscht dem HSV den baldigen Aufstieg, sieht mit Blick auf die neue Saison aber neue Hürden.
Der Hamburger SV muss seine Hoffnungen auf den Aufstieg in die Bundesliga vorerst begraben. In der Relegation gegen den VfB Stuttgart bleiben die Hamburger über weite Strecken chancenlos und verlieren nach dem auswärtigen Hinspiel (0:3) auch das Rückspiel vor eigenem Anhang (1:3). Die Enttäuschung nach dem Schlusspfiff im Volksparkstadion ist riesig.
Für den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen kommt das Scheitern gegen Stuttgart aber wenig überraschend. «Es war mir immer klar, dass Stuttgart mehr Qualität hatte als etwa Bochum oder Augsburg. Von all den Teams im Abstiegskampf war Stuttgart spieltechnisch die stärkste Mannschaft. Das war sicher nicht von Vorteil für den HSV», sagt er im Gespräch mit blue Sport.
Heribert Bruchhagen
Heribert Bruchhagen ist ein ehemaliger Spieler, Trainer und Funktionär und war unter anderem bei Schalke, Frankfurt und zuletzt beim HSV als Vorstandsvorsitzender angestellt.
«Dann darf man sich nicht beklagen»
Für Bruchhagen verspielt der HSV den Aufstieg schon vor dem Direktvergleich mit Stuttgart, weil man hinter Darmstadt und Heidenheim nur auf Tabellenplatz 3 landet. «Eigentlich muss es der Anspruch des HSV sein, weiter oben zu stehen. Aber es war auch ein bisschen Pech dabei», erinnert Bruchhagen an den dramatische Saisonfinal.
Am letzten Spieltag fängt Heidenheim den HSV im Fernduell um den Aufstiegsplatz mit zwei Toren in der Nachspielzeit in extremis noch ab. «Wenn man acht Minuten aufgestiegen war, ist das natürlich bitter», gesteht auch Bruchhagen. «Aber man hatte vorher genug Chancen, sich entsprechend abzusetzen. Diese hat man nicht genutzt, dann darf man sich nicht beklagen.»
Bruchhagen glaubt an die Gerechtigkeit im Fussball. «Es gibt keine Fussballgötter. Es gibt nach einem Jahr nur das gespiegelte Ergebnis in Form einer Tabelle. Da darf man die Götter nicht anrufen. Das ist ein falscher Zusammenhang», so der 74-Jährige. «Nach 34 Spieltagen ist die Tabelle gerecht.»
Gravierende Auswirkungen
Doch wie erklärt sich Bruchhagen, dass die Hamburger in den letzten Jahren stets erst im Saison-Endspurt einbrechen? «Da kann man nur durch die Glaskugel Mutmassungen anstellen. Das traue ich mich nicht. Irgendwie ist der Druck gross, je näher es dem Ende der Saison zugeht. Aber das ist auch nur eine herangezogene Erklärung», so der HSV-Vorstandsvorsitzende zwischen 2016 und 2018.
Nun bleibt dem HSV nichts anderes übrig, als seine sechste Saison in Zweitklassigkeit in Angriff zu nehmen, was insbesondere finanzielle Auswirkungen mit sich bringt. «Das ist gravierend. Der HSV ist jetzt im fünften Jahr in der 2. Liga und hat deshalb sehr vieles in seiner Struktur umstellen müssen. Ob ich 50 Millionen oder 20 Millionen TV-Gelder bekomme – das ist gewaltig», sagt Bruchhagen. Schliesslich würden die Kosten gleich bleiben – egal ob in der 1. oder 2. Bundesliga.
«Das ist ganz hartes Brot für den Hamburger Sportverein», unterstreicht Bruchhagen. Dennoch zeigt er sich überzeugt, dass der Kultverein auch diese schwierige Phase überlebt: «Der HSV ist sehr breit aufgestellt. Immer, wenn er eine wirtschaftliche Krise hatte, dann gab es einen Rettungsanker irgendwo.»
Klappt es nächste Saison?
Sportlich sieht Bruchhagen vor allem in der Defensive Handlungsbedarf. «Die Anzahl der Gegentore für eine Mannschaft mit dem Anspruch des HSV ist extrem hoch. Hier wird man ansetzen müssen», sagt der einstige Zweitliga-Profi, der vor allem die Spieler auf dem Platz für das verpasste Ziel verantwortlich macht. «Die Hauptverantwortlichen sind immer die Spieler, egal um welchen Tabellenplatz es sich handelt.»
Zudem spürt der 74-Jährige für den aktuellen Trainer Tim Walter grosse Wertschätzung. «Ich erlebe das Publikum. Was völlig ungewöhnlich ist: dass der Trainer nach dieser doch deprimierenden 1:6-Niederlage gegen Stuttgart noch mit Beifall verabschiedet wird. Das ist ein sehr gutes Zeichen.» Bruchhagen gibt aber auch zu bedenken: «Der Trainer ist eine sehr dominante Person beim HSV. Man weiss gar nicht, ob die Zuschauer wegen des Spiels oder wegen des Trainers kommen. Diese Frage muss man sich manchmal stellen.»
Ob mit dem aktuellen oder einem neuen Trainer – Walter wünscht sich den HSV bald zurück in der Bundesliga. «Das Problem ist: Mit Hertha und Schalke kommen zwei Vereine runter, die annähernd vergleichbar sind mit dem HSV», weiss Bruchhagen mit Blick auf die kommende Saison. Zudem würden auch Klubs wie Hannover 96 oder Fortuna Düsseldorf den Aufstiegskampf anheizen. «Die 2. Liga wird kommende Saison hochattraktiv werden. Aber irgendwann muss es ja glücken. Nach meinem Wunschdenken ist der HSV jetzt mal dran.»