Die Schwedinnen gehören an der Europameisterschaft in England zu den Favoritinnen auf den Titel. In der Vergangenheit konnten die Skandinavierinnen dieser Rolle an Turnieren nie gerecht werden.
Wenn man ganz genau hinschaut, liegt er quasi vor der Nase bereit, der Masterplan. Die Anleitung dafür, was in den letzten zwei Jahren nur Kanada gelungen ist, im Final der Olympischen Spiele in Tokio: Ein Sieg gegen Schwedens Nationalteam der Frauen.
Die Etikette am Kragen des traditionell gelb-blauen Trikots der Schwedinnen, das sie an der Europameisterschaft in England tragen, ist nämlich keine gewöhnliche Etikette. In grossen, blauen Lettern steht: «HOW TO STOP SWEDEN», und auf mehreren Seiten ist genau aufgeführt, wie die Skandinavierinnen sich sowohl in der Defensive als auch der Offensive am liebsten verhalten, bevor zudem zu jeder Spielerin im 23-köpfigen Kader ein kurzer Steckbrief zu Stärken und Schwächen folgt.
Da heisst es dann zum Beispiel: «Versuche, die schwedischen Spielerinnen an die Seitenlinie raus zu drängen und sie aggressiv zu stellen.» Oder: «Was immer du tust, lasse Stina Blackstenius im Strafraum nicht an den Ball kommen.»
Warten seit 1984
Geschrieben hat die Analysen einer, der es wissen muss: Anders Eriksson arbeitet im schwedischen Team als Matchanalyst. Er hat sich durch diese Aktion jedoch nicht als Spion geoutet, der seinen Arbeitgeber hintergeht. Im Gegenteil. «Schweden ist bekannt für seine Transparenz. Diese wollen wir noch steigern», sagte er in einem Video zum Verkaufsstart des Trikots im April. «Wir wollen transparent sein, indem wir unseren Gegnerinnen genau sagen, wie wir spielen, wie wir Spiele gewinnen, und wie sie vielleicht eine Chance haben, uns zu schlagen.»
Es ist eine Werbekampagne, die schön illustriert, wo der schwedische Frauenfussball in Europa steht und wo sich die «Tre Kronor» in ihrem Selbstverständnis sehen. Denn so ehrbar die Absichten von Eriksson scheinen mögen – diesen Matchplan gegen sich stellt die schwedische Delegation nur zur Verfügung, weil sie fest davon überzeugt ist, dass es keinem der 15 anderen EM-Teilnehmern gelingen wird, diesen in die Tat umzusetzen. «Es ist eine gewagte Kampagne», sagte die 39-jährige Torhüterin Hedvig Lindahl im Vorfeld der Auftaktpartie gegen die Niederlande (1:1) der BBC. «Aber sie passt dazu, wie wir denken müssen, wie wir uns trauen müssen, Gewinner zu sein.»
Dass die aktuelle Weltnummer 2 nach England gekommen ist, um am 31. Juli im Wembley in London den Pokal in die Höhe zu stemmen, ist hinlänglich bekannt. In den sozialen Medien werden Beiträge im Zusammenhang mit dem Team mit dem Hashtag #HelaVägen geteilt, was übersetzt «den ganzen Weg» bedeutet.
Mit Titelambitionen reiste Schweden aber schon an einige Turniere, und doch ist seit dem EM-Titel bei der Premierenaustragung 1984 mit lediglich vier teilnehmenden Nationen keine weitere Trophäe dazugekommen.
Qual der Wahl
Die Wettbüros, in England wichtiger Teil des Kulturguts, rechnen sich für Spanien, Frankreich und die Niederlande leicht höhere Titelchancen aus, in der Breite ist jedoch kein Team besser aufgestellt als Schweden. Nationaltrainer Peter Gerhardsson meinte bei der Kaderbekanntgabe, es sei noch nie so schwierig gewesen, eine Auswahl zu treffen. «Seit ich übernommen habe, war der Konkurrenzkampf nie so gross wie diesmal, und zwar nicht nur für die Startelf, sondern im ganzen Kader.»
Der 62-Jährige wurde 2017 ins Amt berufen. Nach der EM in den Niederlanden, an der die Schwedinnen im Viertelfinal an den später siegreichen Gastgeberinnen gescheitert waren. Seither gewannen die Schwedinnen an der WM 2019 Bronze und an den Olympischen Spielen Silber. Die gewünschte Fortsetzung dieser Reihe wäre logischerweise EM-Gold.
Achse im Kollektiv
Dem Trainer ist es wichtig, das Kollektiv zu betonen, denn dieses ist wohl die grösste Stärke der Schwedinnen. Und doch lässt sich eine Achse von vier Spielerinnen hervorheben. Torhüterin Lindahl ist seit Jahren der Rückhalt, Magdalena Eriksson, Captain bei Chelsea, orchestriert die Abwehr, Caroline Seger, mit 231 Länderspielen Rekordnationalspielerin in Europa, liest das Spiel im Mittelfeld wie kaum eine andere, und Stina Blackstenius, Teamkollegin von Lia Wälti und Noelle Maritz bei Arsenal, besitzt im Strafraum aussergewöhnliche Abschlussqualitäten.
Im Vorfeld der Partie gegen Portugal meinte der Schweizer Nationaltrainer Nils Nielsen, jedes Team habe Schwächen. Bevor er im selben Atemzug anfügte: «Ausser vielleicht Schweden. Schweden hat praktisch keine Schwächen.» Für die SFV-Delegation bleibt zu hoffen, dass der Däne vor dem Direktduell am Mittwoch in Sheffield einen Blick auf den schwedischen Masterplan im Trikot erhascht.
Mi 13.07. 17:15 - 20:20 ∙ SRF zwei ∙ 185 Min
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