Nati-Noten Nach der Auswechslung der überragenden Lia Wälti platzen alle Träume

Von Patrick Lämmle

17.7.2022

Lia Wälti ist gegen Holland omnipräsent.
Lia Wälti ist gegen Holland omnipräsent.
Getty

Die Schweizer Nati schnuppert gegen den amtierenden Europameister Holland lange an der Sensation, ehe das Kartenhaus in den Schlussminuten zusammenbricht. Die Spielerinnen in der Einzelkritik.

Von Patrick Lämmle

17.7.2022

Bewertungsschlüssel
6 Sackstark
5 Gut
4 Genügend
3 Schwach
2 Sehr schwach
1 Unterirdisch


Tor

Portait von Gaelle Thallmann, Torhueterin des Frauen Fussball A-Nationalteams, aufgenommen in Pfäffikon SZ am 6. April 2021. (KEYSTONE/SFV/Severin Bigler)
Ø  5.5

Torhüterin

Gaëlle Thalmann

Die 36-Jährige zeigt ein fast perfektes Spiel, verhindert mit starken Paraden gleich mehrfach einen Gegentreffer und hat grossen Anteil daran, dass die Schweiz lange vom Einzug in den EM-Viertelfinal träumen darf. Beim 2:1 der Holländerinnen stimmt dann für einmal das Timing nicht ganz und so trägt sie eine Teilschuld an diesem Gegentreffer. In Erinnerung bleiben aber ihre richtig starken Paraden.


Verteidigung

Ø  5

Rechte Aussenverteidigerin

Noelle Maritz

Die Arsenal-Spielerin macht gleich von Beginn an Dampf und schaltet sich in die Offensive mit ein. Ihr Hauptjob bleibt aber das Verhindern von Torchancen und auch diesen Part erledigt sie mehr als zufriedenstellend. Kurz vor der Pause etwa antizipiert sie einen potenziell tödlichen Pass goldrichtig und in der 65. Minute hilft sie im Abwehrzentrum aus und löscht so einen Brand.


Portrait von Viola Calligaris, Spielerin der Schweizer Fussballnationalmannschaft der Frauen, fotografiert am 5. April 2022 in Zuerich. (KEYSTONE/SFV/Severin Bigler)
Ø  4.5

Innenverteidigerin

Viola Calligaris

Sie sieht aus als könnte sie keiner Fliege etwas zuleide tun, aber an dieser EM ist sie vor allem mit ihren starken Tacklings aufgefallen und gegen Holland kommt nun noch ein neues Element dazu: In der 32. Minute legt sie ihre Gegenspielerin im Stile einer Schwingerkönigin auf den Boden. Die Schiedsrichterin ist wohl so beeindruckt, dass sie vergisst den gelben Karton zu zücken. Alles in allem ein solider Auftritt der 26-Jährigen, wenn auch nicht ganz so auffällig wie in den ersten beiden Spielen.


Portrait von Luana Buehler, Spielerin der Schweizer Fussballnationalmannschaft der Frauen, fotografiert am 5. April 2022 in Zuerich. (KEYSTONE/SFV/Severin Bigler)
Ø  4.5

Innenverteidigerin

Luana Bühler

Gegen Schweden für die geschwächte Kiwic ins Team gerückt, darf sie auch gegen Holland von Beginn an ran, wird aber bereits in der 58. Minute ausgewechselt. Mit ihrer Leistung hat das wenig zu tun, denn die stimmt. Und eine Aktion werden wir so schnell nicht vergessen: In der 12. Minute knallt ihr eine Holländerin den Ball aus kurzer Distanz mitten ins Gesicht, sodass sie ins Straucheln gerät und hinfällt. Ihre Reaktion? Aufstehen und weiter machen. Ach, wie erfrischend es doch ist, wenn man den Frauen beim Fussballspielen zuschauen darf. Man stelle sich die gleiche Szene mit Neymar in der Hauptrolle vor. Wahrscheinlich würde sich der 222-Millionen-Mann noch immer ins Gesicht fassen und schauen, ob da nicht doch noch irgendwo Blut fliesst.


Portrait von Eseosa Aigbogun, Spielerin der Schweizer Fussballnationalmannschaft der Frauen, fotografiert am 5. April 2022 in Zuerich. (KEYSTONE/SFV/Severin Bigler)
Ø  4

Linke Aussenverteidigerin

Eseosa Aigbogun

Die 29-jährige Spielerin des Paris FC fällt weder gross auf noch ab. Sie erfüllt ihren Part in der Defensive ganz ordentlich, hat aber wenig Zug im Spiel nach vorne.


Mittelfeld

Portrait von Ana-Maria Crnogorcevic, Spielerin der Schweizer Fussballnationalmannschaft der Frauen, fotografiert am 5. April 2022 in Zuerich. (KEYSTONE/SFV/Severin Bigler)
Ø  3

Rechte Flügelspielerin

Ana-Maria Crnogorcevic

Ihre auffälligste Aktion hat Crnogorcevic kurz nach der Pause als sie den Ball ins eigene Tor köpft, ein total missglückter Rettungsversuch der Barça-Legionärin. Offensiv kommt von der Rekordnationalspielerin ebenfalls zu wenig.

Crnogorcevic köpft den Ball ins eigene Tor.
Crnogorcevic köpft den Ball ins eigene Tor.
Gety

Portrait von Lia Waelti, Spielerin der Schweizer Fussballnationalmannschaft der Frauen, fotografiert am 5. April 2022 in Zuerich. (KEYSTONE/SFV/Severin Bigler)
Ø  6

Zentrale Mittelfeldspielerin

Lia Wälti

Gegen Holland zeigt die Kapitänin, was in ihr steckt. Sie gewinnt gefühlt jeden Zweikampf, verteilt die Bälle gekonnt, antizipiert Passwege, hilft auch mal an der Seitenlinie aus und selbst wenn sie die hinterste Spielerin ist, bleibt sie die Ruhe selbst. So geschehen in der 69. Minute als sie eine Holländerin einfach mal schön ins Leere laufen lässt. Kein Wunder ist der Tank ein paar Minuten vor Schluss leer und so muss sie in der 83. Minute leicht angeschlagen beim Stand von 1:1 vom Platz. Kaum ist Wälti draussen, bricht das Team von Nils Nielsen in seine Einzelteile zusammen.

Vom EM-Aus lässt sie sich nicht kleinkriegen: Lia Wälti posiert für Fotos mit den Fans.
Vom EM-Aus lässt sie sich nicht kleinkriegen: Lia Wälti posiert für Fotos mit den Fans.
Bild: Getty

Portrait von Sandy Maendly, Spielerin der Schweizer Fussballnationalmannschaft der Frauen, fotografiert am 5. April 2022 in Zuerich. (KEYSTONE/SFV/Severin Bigler)
Ø  4.5

Zentrale Mittelfeldspielerin

Sandy Maendly

Nach dem Schlusspfiff kullern ihr die Tränen über die Wangen, eine grosse Karriere geht zu Ende. Das Spiel gegen Holland war ihr letztes. Und beinahe hätte sie es mit einem Treffer vergoldet, doch ihren Schuss in der 13. Minute pariert Van Domselaar stark. In der 58. Minute verlässt Maendly beim Stand von 1:1 den Platz. Maendly wird dem Fussball aber erhalten bleiben, unter anderem wird sie in der Romandie bei blue Sport als Expertin zu sehen sein.


Portrait von Géraldine Reuteler, Spielerin der Schweizer Fussballnationalmannschaft der Frauen, fotografiert am 5. April 2022 in Zuerich. (KEYSTONE/SFV/Severin Bigler)
Ø  5

Linke Flügelspielerin

Géraldine Reuteler

Im März 2021 wird sie durch einen Kreuzbandriss gestoppt und fällt lange aus. In den ersten beiden Spielen gelingt ihr noch nicht viel, gegen Holland zeigt sie nun aber die klar beste Leistung an diesem Turnier. Den Ausgleichstreffer leitet sie mit ihrem Pass ein, dann vollendet sie eiskalt. Kurz darauf wäre beinahe noch ein Assist dazugekommen, aber Sow bringt das Runde aus kürzester Distanz nicht ins Eckige. Nur zu gerne hätten wir Reuteler im Viertelfinale gesehen, denn mit dem wiedergefundenen Selbstvertrauen wäre ihr noch viel zuzutrauen.


Angriff

Portrait von Coumba Louisa Sow, Spielerin der Schweizer Fussballnationalmannschaft der Frauen, fotografiert am 5. April 2022 in Zuerich. (KEYSTONE/SFV/Severin Bigler)
Ø  3

Hängende Spitze

Coumba Sow

Für Sow hat die EM mit ihrem Treffer gegen Portugal hervorragend begonnen, doch in diesem Stil sollte es nicht weiter gehen. Gegen Holland hat sie in der 56. Minute die Chance, das Skore auf 2:1 zu stellen. Doch erst scheitert sie aus sechs Metern an Van Domselaar und als ihr Reuteler den Ball noch einmal vor die Füsse spielt, da vergeigt Sow auch aus drei Metern – die Torhüterin lenkt ihren Abschluss gerade noch so an den Pfosten. Wer solche Chancen nicht nutzt und ansonsten über weite Strecken unauffällig bleibt, der fällt nun mal durch.

Coumba Sow ist nach ihrer vergebenen Doppelchance fassungslos.
Coumba Sow ist nach ihrer vergebenen Doppelchance fassungslos.
Bild: Getty

Ø  5

Mittelstürmerin

Ramona Bachmann

Bachmann lässt sich oft fallen, um den Ball zu fordern und weiss diesen jeweils gut abzuschirmen. In der 37. Minute wird die PSG-Stürmerin auf die Reise geschickt, es sieht vielversprechend aus, doch Bachmann verheddert sich und so wird das nichts mit dem Führungstreffer. Stark dann ihre Vorarbeit zum 1:1. Nach einem Rush über den Flügel legt sie den Ball in den Rücken der Abwehr zu Torschützin Reuteler. Drei Minuten später bereitet sie dann mit einem perfekt getimten Pass die Top-Chance von Sow ein. Nicht alles gelingt Bachmann und dennoch hat sie immer ihre Füsse im Spiel, wenn es gefährlich wird.


Eingewechselte Spielerinnen

Portrait von Rahel Kiwic, Spielerin der Schweizer Fussballnationalmannschaft der Frauen, fotografiert am 5. April 2022 in Zuerich. (KEYSTONE/SFV/Severin Bigler)
Ø  3

Ab 58. Minute für Bühler

Rahel Kiwic

Mit dem Wechsel von Bühler zu Kiwic ist die Schweizer Nati auf einen Schlag 14 Zentimeter grösser. Die Kopfballstärke der 185 Zentimeter grossen FCZ-Verteidigerin kommt aber nicht zum Tragen. Glück hat sie, dass ein übler Fehlpass von ihr unbestraft bleibt. Beim zweiten Gegentreffer steht sie nicht im Fokus und was sich danach abspielt, das darf hier gar nicht mehr wirklich in die Bewertung einfliessen, denn da hat die Schweizer Nati jegliche Gegenwehr eingestellt.


Portrait von Svenja Foelmli, Spielerin der Schweizer Fussballnationalmannschaft der Frauen, fotografiert am 5. April 2022 in Zuerich. (KEYSTONE/SFV/Severin Bigler)
Ø  3.5

Ab 58. Minute für Maendly

Svenja Fölmli

Die 19-Jährige gilt als grosses Talent und hat ihre Klasse auch schon im Nationalteam unter Beweis gestellt. Nachdem sie im letzten Sommer ihre kaufmännische Lehre abgeschlossen hatte, wechselte sie in die Bundesliga zum SC Freiburg, wo sie sich auf Anhieb durchsetzte. Gegen Holland allerdings bringt sie kaum neuen Schwung ins Spiel. Sei's drum, in Zukunft könnte sie der Schweiz noch viel Freude bereiten.


Portrait von Julia Stierli, Spielerin der Schweizer Fussballnationalmannschaft der Frauen, fotografiert am 5. April 2022 in Zuerich. (KEYSTONE/SFV/Severin Bigler)
Ø  3

Ab 58. Minute für Aigbogun

Julia Stierli

Stierli, wie Kiwic Meister-Spielerin des FCZ, und nur drei Zentimeter kleiner als ihre Teamkollegin, kommt gegen Holland zu ihrem ersten Einsatz an der EM. Es ist nicht so, dass sie ein Totalausfall ist, aber die Flanke vor dem 2:1 hätte sie verhindern können, doch dafür steht sie viel zu weit weg von ihrer Gegenspielerin.


Portrait von Riola Xhemaili, Spielerin der Schweizer Fussballnationalmannschaft der Frauen, fotografiert am 5. April 2022 in Zuerich. (KEYSTONE/SFV/Severin Bigler)
Ø 

Ab 72. Minute für Sow

Riola Xhemaili

Das 19-jährige Supertalent erhält erstmals an dieser EM Auslauf. Und es fehlte nur wenig und sie wäre der umjubelte Star gewesen. Doch mit ihrem Hammer in der 80. Minute bleibt sie an der starken Torhüterin hängen. Zu kurz für eine Benotung.


Portrait von Sandrine Mauron, Spielerin der Schweizer Fussballnationalmannschaft der Frauen, fotografiert am 5. April 2022 in Zuerich. (KEYSTONE/SFV/Severin Bigler)
Ø 

Ab 83. Minute für Wälti

Sandrine Mauron

Zu kurz für eine Benotung.


Telegramm

Schweiz – Niederlande 1:4 (0:0)

Bramall Lane, Sheffield. – 22'596 Zuschauer. – SR Demetrescu (ROU). – Tore: 49. Crnogorcevic (Eigentor) 0:1. 53. Reuteler (Bachmann) 1:1. 84. Leuchter (Wilms) 1:2. 89. Pelova 1:3. 94. Leuchter (Pelova) 1:4.

Schweiz: Thalmann; Maritz, Calligaris, Bühler (58. Kiwic), Aigbogun (58. Stierli); Wälti (83. Mauron), Maendly (58. Fölmli); Crnogorcevic, Sow (72. Xhemaili), Reuteler; Bachmann.

Niederlande: Van Domselaar; Wilms, Van der Gragt, Nouwen (64. Casparij), Janssen; Groenen, Roord (64. Pelova), Spitse; Van de Donk (95. Egurrola), Beerensteyn (74. Leuchter), Martens (74. Brugts).

Bemerkungen: Schweiz komplett. Niederlande ohne Miedema (Corona-Isolation). Zuschauerrekord für EM-Spiel ohne Gastgeber. 56. Pfostenschuss Sow. 86. Thalmann lenkt Schuss von Brugts an den Pfosten.