Auf dem Weg zurück an die nationale Spitze hat Rekordmeister GC die erste Etappe – den Wiederaufstieg – erfolgreich gemeistert. Der nächste Schritt soll unter Giorgio Contini getätigt werden. Es ist die richtige Wahl, aber für wie lange?
Wer an die Macht der Bilder und ans Schicksal glaubt, der wird auch an Giorgio Contini und die Grasshoppers glauben. Weil selten etwas auf den ersten Blick so gut harmoniert wie der 47 Jahre alte Trainer aus Winterthur und der 135-jährige Schweizer Rekordmeister aus Niederhasli. Bereits die erste Trainingseinheit dient diesbezüglich als Offenbarung. Contini erscheint im schwarzen Trainingstrikot, links darauf prangt das Logo des Zürcher Fussballklubs, hervorgehoben durch zwei Sterne, die schützend darüber stehen und strahlen, und auf die glorreiche Vergangenheit mit 27 Meistertiteln verweisen. Rechts die Initialen des neuen Trainers: GC!
Giorgio Contini und der Grasshopper-Club, das wirkt auch auf den zweiten Blick wie eine gute Lösung. Die aus China gemanagten Hoppers setzen nicht nur auf einen Coach, der die Liga und die Begebenheiten in der Schweiz gut kennt, Contini weiss auch bereits um die Tücken einer Partnerschaft mit einem internationalen Konglomerat. Drei Jahre stand er zuletzt bei Lausanne-Sport vor, dessen Mutterkonzern Ineos hauptamtlich in der chemischen Industrie wirtschaftet, sich aber zwecks Imagepflege daneben auch immer wieder grossen Sportprojekten widmet; etwa als Hauptsponsor eines Rad- oder Formel-1-Teams, als Ausrichter eines Weltrekord-Versuchs unter Laborbedingungen (Ineos 1:59 Challenge) oder eben als Eigner von Fussballklubs. Neben Lausanne gehört dem britischen Konzern auch der französische Erstligist OGC Nice.
Ähnlich, aber doch so anders
Neben diesen Grossprojekten kommt der in der Challenge League übernommene Waadtländer Fussballklub für Ineos kaum über die Bedeutung des Amuse-Gueule in einem Fünfgang-Menü hinaus. Was Contini entsprechend zu spüren bekam. Bei Personalfragen wurde er von der Führung kaum beigezogen, Leihspieler aus Nizza wurden ohne Rücksprache mit ihm engagiert, es galt zu essen, was auf den Tisch kam. Die Führung habe während seiner Zeit den Kurs gewechselt, sagte Contini gegenüber dem «Blick». Nun wähnt er sich bei einem Klub mit ähnlichen Vorzeichen in anderer Ausgangslage.
Contini wurde bei GC geholt, um gemeinsam den nächsten Schritt zu machen. Seine Funktion geht auf dem Campus in Niederhasli allerdings über jene des «lokalen» Repräsentanten hinaus, zu dem sie ihn bei Lausanne-Sport bisweilen machen wollten. In Zürich ist Contini gemäss eigener Aussage in jeden Transfer involviert. Auch für Spieler die vom Partnerklub aus der Premier League, den Wolverhampton Wanderers kommen, gilt unter ihm das Leistungsprinzip.
Indizien, dass bei GC der Trainer entscheidet und nicht etwa die Besitzer der chinesischen Fosun-Gruppe oder deren Partner, liefert der Fall Vasco Paciencia. Der Bruder von Bundesliga-Stürmer Gonçalo Paciencia ist Klient der Spieleragentur Gestifute von Jorge Mendes, an der Fosun durch eine Tochtergesellschaft Anteile besitzt, und einer der GC-Neuzuzüge. Der 21-jährige Mittelstürmer wurde leihweise aus dem Nachwuchs von Benfica Lissabon übernommen, überzeugte Contini nicht restlos und muss sich darum auch in Zürich vorerst in der U21 für weitere Aufgaben empfehlen. GC scheint auch für Contini der richtige nächste Schritt zu sein.
Das nächste Level
Und doch bleibt eine gewisses Skepsis, wenn es um den Schweizer Rekordmeister und dessen Umgang mit Trainern geht. Zuletzt waren die Entscheide der Führungscrew diesbezüglich nicht immer nachvollziehbar. Passend dazu, dass Geschäftsführer Jimmy Berisha nach dem geschafften Wiederaufstieg dem mehrfachen Interimscoach Zoltan Kadar vermeintlich den Cheftrainerposten darbot (Video unten), später aber doch zurückruderte.
Bei Contini wird sich in erster Linie die Frage stellen, wie viel Geduld man ihm in Zürich entgegenbringt. Die chinesische Führung will den Zürcher Verein zurück an die nationale Spitze führen, womöglich sogar wieder in Europa eine tragende Rolle spielen lassen, so klar ist das alles nicht. Im Interview mit der «NZZ» sagte GC-Präsident Sky Sun einzig, dass es sich bei GC um ein langfristiges Projekt handeln soll. Aber eben auch: «Die letzten Jahre waren schwierig, aber das Potenzial ist riesig.» Irgendwann soll also ein Gegenwert aus dem Engagement gezogen werden. Klar ist, je früher desto besser.
«Das neue GC wird Zeit brauchen», sagte Contini gegenüber dem «Blick». Wird er diese auch erhalten? Sportchef Seyi Olofinjana – wie Präsident Sun ein Mann mit Vergangenheit in Wolverhampton – sagte zur Amtsübernahme von Contini gegenüber «20 Minuten»: «Wir hatten Interviews mit erfahreneren und qualifizierteren Trainerkandidaten.» Nach Wunschlösung klingt dies nur sehr diskret. Contini sei aber die beste Lösung, um GC aufs nächste Level zu bringen, fuhr der 41-Jährige fort. Das nächste Level: Es liegt bei GC wohl irgendwo zwischen Klassenerhalt und Europacup-Platz.