Schrittchen, Stop, Hüpfer, Schuss Warum hält sich der Trend vom Penalty-Tanzbär?

Martin Abgottspon

7.12.2022

Robert Lewandowski war mit seiner Penalty-Variante an der WM nicht immer erfolgreich.
Robert Lewandowski war mit seiner Penalty-Variante an der WM nicht immer erfolgreich.
Getty Images

Jorghino hat den Penalty salonfähig gemacht. Inzwischen setzen die besten Spieler der Welt auf den verzögerten Anlauf beim Elfmeter. Aus wissenschaftlicher Sicht macht dies nur bedingt Sinn.

Martin Abgottspon

Gleich zwei Torhüter avancierten in den WM-Achtelfinals zu grossen Helden, indem sie ihr Team im Penaltyschiessen fast schon solo in die nächste Runde hexten. Zunächst war es der Kroate Dominik Livakovic, der drei Elfmeter parierte und das japanische WM-Märchen beendete. Am Dienstag liess der Marokkaner Bono gegen Spanien sogar keinen einzigen Treffer vom Punkt zu.

Spaniens Coach Luis Enrique meinte vor der Partie noch, dass Elfmeterschiessen nichts mit Glück zu tun habe. Umso bitterer erscheint diese Aussage, nachdem sein Team wie schon bei der EM 2021 ausgerechnet im Penaltyschiessen kläglich gescheitert ist. Immerhin muss man den Spaniern zugutehalten, dass keiner der Schützen den bizarren Penalty-Tanz aufführte, den man an dieser WM ebenfalls schon öfter gesehen hat.

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Die Torhüter lernen schnell

Kurze Schritte, Pause, weitere kurze Schritte, ein Hüpfer auf das Standbein und Schuss: In etwa so lässt sich der Penalty beschreiben, welchen der Italiener Jorghino schon vor Jahren für sich entdeckt hat. Inzwischen vertrauen auch Weltstars wie Robert Lewandowski, Neymar oder Bruno Fernandes auf den Penalty-Tanz.

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Die Idee hinter dem scheinbaren Theater ist es, den gegnerischen Torhüter frühzeitig in eine Ecke zu schicken. Danach muss man nur noch locker in die andere zielen. Für Jorghino und Lewandowski ging diese Strategie auch lange Zeit auf. Beide zählten in den letzten Jahren zu den sichersten Elfmeterschützen der Welt. Doch diese Zeiten neigen sich allmählich dem Ende entgegen. Denn so trickreich die Schützen auch sein mögen, gibt es eben auch Torhüter, die genauso abgeklärt sind.

Zu ihnen zählt beispielsweise auch Yann Sommer, der sich schon mehrfach als Penalty-Killer ausgezeichnet hat. In der vergangenen WM-Qualifikation parierte er auch zweimal einen Elfmeter von Jorginho. Weil der Nati-Keeper genau wusste, was Jorginho machen wird, blieb er einfach stehen und war dadurch im Vorteil.

Der Ball liegt beim Schützen

Seit letztem Jahr ist es sogar wissenschaftlich belegt, mit welcher Elfmeter-Variante man als Schütze am ehesten im Vorteil ist. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Sporthochschule Köln analysierten dazu alle Elfmeterschiessen der Welt- und Europameisterschaften zwischen 1984 und 2016. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Chancen des Torhüters steigen, je mehr er sich dem Schützen anpasst.

Diese Tatsache zeigt sich besonders gut an dieser WM in Katar. Der Torthüter kann im Penaltyschiessen den Unterschied ausmachen. Ausgefuchste Keeper bereiten sich auch akribisch auf diese Aufgabe vor. Unvergessen bleibt beispielsweise Jens Lehmanns Spickzettel, der nach dem WM-Achtelfinal 2006 gegen Argentinien plötzlich in den Medien landete. «Cruz lange warten rechts», «Ayala lange warten, langer Anlauf rechts», «Aimar, lange warten links», stand auf dem Zettel geschrieben. Das traf zwar nicht immer so zu, am Ende reichte es Deutschland aber dennoch eine Runde weiter.

Ähnlich werden sich auch Livakovic oder Bono auf ihre Gegenspieler vorbereitet haben. Irgendwo ist es auch einfach ein Spiel mit Wahrscheinlichkeiten. Wenn ich weiss, dass mein Gegenüber bei Schere-Stein-Papier zu 70 Prozent in der ersten Runde Stein wählt, ist es immer klug, Papier zu wählen. Das Beispiel lässt sich analog auf das Elfmeter-Verhalten eines Fussballers adaptieren.

Der Ball liegt aktuell also eher bei den Schützen, eben nicht mehr den guten alten Stein zu wählen. Insbesondere beim Elfmeterschiessen.