Trainer Niko Kovac und vier Stammspieler weg: Viele prophezeiten der Eintracht ein sehr schwieriges Jahr in der Liga. Doch Nachfolger Adi Hütter wechselte den Stil – und schuf eine furiose und gefürchtete Angriffsreihe.
Adi Hütter und Fredi Bobic wollten gar nicht mehr aufhören, sich zu herzen. Die beiden Macher des derzeitigen Erfolgs bei Eintracht Frankfurt klatschten im Kabinentrakt freudig ein und umarmten sich innig.
Gut möglich, dass sie sich gegenseitig beglückwünschten für eine kaum für möglich gehaltene Serie des Pokalsiegers: Nach elf Bundesliga-Spieltagen haben die Hessen Rang vier übernommen – und stehen derzeit vor Rekordmeister FC Bayern mit Ex-Trainer Niko Kovac. «Es ist wirklich ein toller Moment, wenn man auf die Tabelle schaut», sagte Trainer Hütter.
Auf den Höhenflug angesprochen, blickte der Österreicher lange und beinahe ein wenig ungläubig auf die aktuelle Tabelle. «Wir waren schon mal weiter unten», scherzte Hütter nach dem am Ende furiosen 3:0 über den FC Schalke 04 – es war der achte Sieg in den vergangenen neun Pflichtspielen. Der Erfolg der Eintracht, die im Sommer schwerwiegende Abgänge zu verkraften hatte, kommt in dieser Form völlig überraschend. Hütter hatte als Nachfolger von Pokalsieger Kovac im Sommer gleich gemerkt: Hohe Erwartungen, mieser Start.
«Wir haben uns gemeinsam aus dem Sumpf gezogen»
«Am Anfang haben wir so richtig eine auf den Deckel bekommen», sagte Hütter. Er übertrieb damit keineswegs. Nach dem 0:5 gegen Bayern München im Supercup sass der neue Eintracht-Coach mit bedröppelter Miene relativ bedient neben seinem Vorgänger, der den Kantersieg so leicht erklärte, wie er ausgesehen hatte. Ein nachdenklicher Hütter und ein fröhlich-ausgelassener Kovac: Das sind Bilder, wie man sie in diesem Herbst nicht mehr gesehen hat.
«Wir haben uns gemeinsam aus dem Sumpf gezogen. Das ist eine schöne Momentaufnahme», befand der 48-Jährige. Auf den Rängen gleicht die Stimmung bei den Hessen seit Wochen einer Dauer-Party. Nach quasi jedem Spiel tanzen die Anhänger den Walzer, das 3:0 gegen zum Ende auseinanderbrechende Schalker flankierte die Kurve mit lautstarken Gesängen «Deutscher Meister wird nur die SGE». Und Hütter? «Ich höre nur, dass es laut ist.»
Das Team um Matchwinner Luka Jovic, der nach seinem Doppelpack die Torschützenliste der Bundesliga allein anführt, trägt die Handschrift von Hütter. Aus der bissigen und kompakten Kovac-Eintracht ist eine spielstarke und kombinationssichere Hütter-Eintracht geworden, die der Österreicher immer öfter mit drei Stürmern loslässt. «Wir sind alle sehr glücklich. Das ist eine Mannschaft, die auf dem Weg ist, von einem durchschnittlichen zu einem grossartigen Team zu werden», sagte Jonathan de Guzman am Sonntag.
Von den Abgängen spricht keiner mehr
Vor allem die deutlich verbesserte Offensive ist ein Verdienst von Hütter. Neben Jovic traf auch Sebastien Haller erneut, der im Sommer heiss umworbene Ante Rebic läuft nun als Spielmacher auf und glänzt derzeit auch ohne eigene Tore. «Es ist doch schön, dass wir mit allen Drei spielen. Das macht Spass», sagte Ex-Stürmer Bobic bei Sky.
Für den Sport-Vorstand gilt ähnliches wie für Hütter: Im Sommer stand er nach den vier Abgängen von Lukas Hradecky, Marius Wolf, Omar Mascarell und Kevin-Prince Boateng noch in der Kritik, heute spricht von dem abgewanderten Quartett keiner mehr. Mascarell sass bei der Niederlage am Sonntag 90 Minuten auf der Schalker Bank. Und Bobic? Hat mit Vize-Weltmeister Rebic verlängert und Shootingstar Jovic mit einer Kaufoption zum Spottpreis ausgeliehen.
«Wenn er begreift, dass er ein paar Meter nach links und rechts machen muss, dann kann er Weltklasse werden», sagte Bobic über den erst 20 Jahre alten Serben. Nicht schlecht für eine kolportierte Summe von etwas mehr als zehn Millionen Euro.