Nach dem enttäuschenden Ausscheiden an der WM haben die Verantwortlichen des Nationalteams einige Massnahmen zur Professionalisierung ergriffen. Diese sollen auch bei der EM-Qualifikation helfen.
Es war ein emotionales Ende. Im Bauch des Lusail-Stadions in Katar gab die Delegation der Schweizer Nationalmannschaft nach dem sang- und klanglosen Ausscheiden im WM-Achtelfinal gegen Portugal (1:6) auf mehreren Ebenen ein besorgniserregendes Bild ab.
Zwei Monate später hat sich die Situation beruhigt. Im SFV hat man sich die Zeit genommen, das Turnier im Wüstenstaat eingehend zu analysieren. Pierluigi Tami, der Direktor der Schweizer Nationalteams, war bei dieser Aufarbeitung eng involviert. Er sagt, dass die Schweiz als Weltnummer 12 als WM-Achtelfinalist dort stehe, wo sie aktuell hingehöre, während ein Vorstoss in die Viertelfinals einen Exploit benötigen würde, zu dem die Schweiz noch nicht fähig gewesen sei. «Es gibt Dinge, bei denen wir Grenzen haben, die wir versuchen können zu verschieben», sagt Tami. «Bei anderen sind wir auf einen Exploit angewiesen.»
Ein fittes Quartett
Der 61-Jährige möchte sich auf die Sachen konzentrieren, bei denen er das Potenzial sieht, dass eine Veränderung die Schweiz näher an ihr Ziel eines WM-Viertelfinals bringen könnte. Eine Erkenntnis der Analyse ist, dass die meisten Spieler der Nationalmannschaft aktuell nicht in der physischen Verfassung sind, um alle vier Tage eine Partie auf dem Niveau einer WM-Endrunde zu spielen. Das ist auch die Erklärung des Tessiners dafür, dass die Schweiz in Katar physisch gerade im Spiel gegen Portugal gegen einen ausgeruhten Gegner deutlich unterlegen war.
Die Auswertung diverser Statistiken, sagt Tami, habe ergeben, dass die Schweiz dieses Spiel höchstens 1:3 hätte verlieren sollen. Die weiteren drei Gegentore seien ausschliesslich der ungenügenden physischen Verfassung der Mannschaft geschuldet. Einzig Captain Granit Xhaka, Remo Freuler, Djibril Sow und Manuel Akanji könnten laut Tami durch die Erfahrungen in ihren Klubs diesen hohen Spielrhythmus mitgehen.
Eine Massnahme, die der SFV im Zuge dieser Erkenntnis ergriffen hat, ist die am Dienstag bekannt gewordene Trennung von Athletiktrainer Oliver Riedwyl. Dieser wird zwar weiterhin verschiedene Aufgaben im SFV wahrnehmen, bei der A-Nationalmannschaft der Männer soll sich aber in Zukunft eine Person anders als Riedwyl Vollzeit um Fitness und Athletik der Spieler kümmern können. Tami sagt, er habe schon vor zwei Jahren überlegt, ob in diesem Bereich eine Veränderung nötig wäre.
Das Auswahlverfahren ist im Gang, bis im März soll die Lücke geschlossen sein. Tami erhofft sich von diesem Schritt, dass der Austausch mit den Klubs intensiviert und dadurch mehr Kontinuität geschaffen wird, was schliesslich zu einer Leistungssteigerung führen soll. «In den Klubs wird heute bereits sehr wissenschaftlich gearbeitet», sagt Tami. «Deshalb müssen wir uns auch in diese Richtung bewegen.»
«Zehn Jahre zu spät»
Einher geht dieses Vorhaben mit der Verpflichtung eines Ernährungsberaters, der die Spieler künftig begleiten soll. «Es gibt zwar Verbände, die niemanden in diesem Bereich beschäftigen, aber die Top-Nationen schon», sagt Tami. «Wir sind diesbezüglich etwa zehn Jahre zu spät dran.» Er ergänzt, dass zur besseren Umsetzung der Vorgaben des Ernährungsberaters ein zweiter Koch angestellt werde, der den langjährigen Koch des Nationalteams, Emil Bolli, unterstützen soll.
Die Professionalisierung abseits des Fussballplatzes geschieht natürlich auch im Hinblick auf die nächsten Aufgaben, die das Team von Trainer Murat Yakin erwarten. Ende März stehen die ersten beiden Partien der EM-Qualifikation gegen Belarus (25.3) in Novi Sad und gegen Israel (28.3) in Genf für das Turnier 2024 in Deutschland an.
Tami sagt: «Wir sind in dieser Gruppe Favorit und müssen unbedingt mit der richtigen Einstellung und Bescheidenheit in diese Qualifikation starten.» Insgesamt zehn Partien gegen Belarus, Israel, Rumänien, Andorra und Kosovo bestreitet die Schweiz bis am 21. November. Gefordert ist einer der ersten beiden Ränge. Für Tami ist klar: «Wenn wir es nicht schaffen, wäre das eine Katastrophe.»