Hochstapler im Fussball Hochstapler im Fussball, Teil 4: Der Anti-Fussballer, der es in die Premier League schaffte

Von Jan Arnet

20.12.2019

Ali Dia gab am 23. November 1996 sein Premier-Leauge-Debüt für Southampton. Es sollte sein letztes Spiel bleiben.
Ali Dia gab am 23. November 1996 sein Premier-Leauge-Debüt für Southampton. Es sollte sein letztes Spiel bleiben.
Bild: Twitter

In einer fünfteiligen Serie erzählt «Bluewin» die Geschichten von Hochstaplern, die es im Fussball ohne viel Talent oder Geld weit gebracht haben. Ihr Schlüssel zum Erfolg war Lug und Trug. Teil 4: Ali Dia.

Stellen Sie sich vor, Sie wären der Manager eines Fussballvereins und kriegen eines Tages einen Anruf von Lionel Messi höchstpersönlich. Der Weltfussballer sagt Ihnen, dass er einen talentierten Cousin hat, der auf der Suche nach einem Verein ist. Würden Sie da nicht auch hellhörig werden? Der Apfel fällt bekanntlich nicht weit vom Stamm.

So staunt auch Graeme Souness im Herbst 1996 nicht schlecht, als sein Telefon klingelt und sich der amtierende Weltfussballer George Weah auf der anderen Seite der Leitung meldet. Der Superstar der AC Milan erzählt dem damaligen Southampton-Coach von seinem Cousin Ali Dia: «Er hat schon 13 Länderspiele für den Senegal absolviert und für PSG gespielt. Vielleicht wäre er einer für deine Mannschaft.»

Ein Nationalspieler Senegals – klingt schon mal ganz gut. Eigenartig nur, dass George Weah aus Liberia stammt. Aber das ist Souness scheinbar egal. Zeit für ausgiebige Recherchen hat er ohnehin nicht. Southampton befindet sich im Abstiegskampf und den Trainer plagen grosse Personalsorgen, also stattet er Ali Dia – ohne ihn spielen gesehen zu haben – mit einem Vertrag aus. Der Presse sagt er: «Dia hat mit George Weah in Paris gespielt und letzte Saison in der 2. Bundesliga. Wir werden sehen, ob er uns weiterhelfen kann.»

Beim Debüt ein- und wieder ausgewechselt

Beim ersten Training staunen nicht nur die Journalisten, sondern auch die Southampton-Spieler nicht schlecht, als sie sehen, wie sich Ali Dia über den Platz bewegt. Es sieht nämlich nicht so aus, als hätte der 31-Jährige schon jemals professionell Fussball gespielt – geschweige denn für einen Top-Klub wie Paris St. Germain. «Wir dachten, er hätte das Probetraining im Lotto gewonnen», erinnert sich Vereinslegende Matt Le Tissier später.

Ausgerechnet Le Tissier ist es dann aber, der dafür sorgt, dass Ali Dia tatsächlich einmal Premier-League-Luft schnuppern darf. Zwar merkt auch Trainer Souness, dass es dem Senegalesen offensichtlich an Talent fehlt und schickt seinen neuen Spieler erstmal zur Reservemannschaft. Weil vor dem Spiel gegen Leeds am 23. November aber weitere Stürmer ausfallen und Souness mit Le Tissier nur noch einen Offensivmann im Kader hat, bietet er Ali Dia fürs Spiel auf. 

Der Stürmer sitzt auf der Bank und sieht in der 33. Minute, wie einer seiner Mitspieler verletzt am Boden liegt – es ist Le Tissier. Souness hat keine Wahl: Jetzt muss er seinen letzten Angreifer bringen. So kommt Dia tatsächlich zu seinem Debüt in der Premier League. Doch schon nach wenigen Minuten ist klar, dass das nicht gut enden wird. Dia irrt orientierungslos über den Rasen, keine Aktion gelingt. «Es war unglaublich. Er rannte wie Bambi auf dem Eis herum. Es war wirklich peinlich zu sehen», wird Le Tissier Jahre später der Zeitung «Liverpool Echo» sagen.

Unglaublich aber wahr: Um ein Haar «krönt» Dia seinen katastrophalen Auftritt noch mit einem Tor. Doch der Stürmer scheitert am Leeds-Goalie – und wird dann noch vor Spielende von Souness wieder ausgewechselt. Obwohl Southampton in der 85. Minute mit 0:1 in Rückstand liegt, nimmt der Coach seinen einzigen Stürmer 53 Minuten nach der Einwechslung wieder vom Platz und ersetzt ihn durch einen Innenverteidiger. Die Partie endet schliesslich 0:2 aus Sicht der Saints. 

Es wird Dias letzter Auftritt in der Premier League bleiben. Souness wirft seinen Neuzugang aus dem Team, der Vertrag wird aufgelöst. Doch die Legende lebt weiter. Auch heute noch singen die Southamton-Fans, wenn sie mit einem neuen Spieler nicht zufrieden sind: «Ali Dia – he's a liar, he's a liar» («Ali Dia, er ist ein Lügner, er ist ein Lügner»). 

Nur wenige Monate nach seinem einzigen Spiel in Englands höchster Spielklasse beendet Ali Dia seine Karriere. Bleibt die Frage, was George Weah, der seinen Cousin Souness ans Herz gelegt hatte, zur Geschichte zu sagen hat? «Ich kenne keinen Ali Dia und habe auch Graeme Souness nie angerufen.»

Morgen Samstag folgt Teil 5 der «Bluewin»-Serie über Hochstapler im Fussball: Der kommende Juve-Star, der nur auf Social-Media existiert

Die Serie

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