Brasilien rutscht in der WM-Qualifikation immer mehr in die Krise. Der Rekordweltmeister ist so schlecht wie schon lange nicht mehr.
Keine Zeit? blue Sport fasst für dich zusammen
- Brasilien hat in der WM-Qualifikation gegen Paraguay überraschend verloren. Im Chaco Defenders Stadium blieb die «Seleção» torlos und verlor mit 0:1.
- Durch die Niederlage am achten Spieltag rutscht Brasilien in der Qualifikation zur WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko auf den 5. Rang ab.
- Vor allem die Offensive um Vinícius Júnior, Rodrygo und Endrick ist erschreckend harmlos.
Lange Zeit war die WM-Qualifikation für Brasilien ein Selbstläufer. In jeder Kampagne von 2006 bis 2022 belegte die Seleção in der Südamerika-Ausmarchung den ersten Rang. Die Samba-Kicker holten noch 2022 45 von 51 möglichen Punkten. Die 0:1-Pleite gegen Erzrivale Argentinien im November 2023 war die erste Heim-Niederlage in der WM-Quali überhaupt. Oder in anderen Worten: In den letzten 19 Jahren (2003-2022) verlor Brasilien in 71 Spielen nur 5 Mal.
Doch von der einstigen Überlegenheit ist nichts mehr zu sehen. Bei der Copa América im Sommer dieses Jahres war bereits im Viertelfinale Endstation. Ronaldinho kritisierte die Seleção schon vor dem Turnier: «Das ist vielleicht eine der schlechtesten Mannschaften der letzten Jahre, sie hat keine respektablen Führungsspieler, sondern grösstenteils nur durchschnittliche Spieler».
«Ich verfolge den Fussball schon seit meiner Kindheit, lange bevor ich daran dachte, Spieler zu werden, und ich habe noch nie eine so schlechte Situation gesehen wie diese. Es fehlt die Liebe zum Trikot, die Entschlossenheit und das Wichtigste von allem: der Fussball», monierte der Weltmeister von 2002.
Trainer Dorival spuckt grosse Töne – nächste Pleite folgt
Ronaldinho und Co. dürften nun noch mehr im Panik-Modus sein. Der fünfmalige Weltmeister musste sich am Dienstag in Paraguay mit 0:1 geschlagen geben. Die Seleção kassierte damit bereits die vierte Niederlage aus den vergangenen fünf Qualifikationsspielen und ist aktuell nur Fünfter. Die ersten sechs Nationen der Zehnergruppe qualifizieren sich für die Endrunde in zwei Jahren in den USA, Kanada und Mexiko. Der Siebte muss an den internationalen Playoffs teilnehmen.
Dabei kündigte Brasiliens Trainer Dorival Júnior, der Anfang Jahr den Posten vom glücklosen Fernando Diniz übernahm, vor dem Spiel noch grossspurig an, sein Team werde bei der nächsten WM (2026) im Final stehen. Ob das klug war, darf man anhand der aktuellen Verfassung des Rekord-Champions bezweifeln.
Die Krisenstimmung hat viel mit der Absenz von Neymar zu tun. Seit Oktober vergangenen Jahres fällt der Superstar mit einem Kreuzbandriss verletzt aus. Die Absenz des Unterschiedsspielers wiegt schwer. Denn Neymar hat in der Nationalmannschaft eigentlich immer geliefert – 79 Tore in 128 Länderspielen.
Neymar fehlt – Vinícius überfordert
Die Offensive gegen Paraguay bildeten Vinícius Júnior, Rodrygo und Endrick – auf dem Papier ist also der Sturm hochklassig besetzt. Doch auf dem Platz waren die Real-Profis praktisch unsichtbar.
Speziell bei Vinícius – der immerhin zu den Favoriten auf den Ballon d'Or gehört – scheint das Brasilien-Trikot eine (zu) grosse Last zu sein. Führungsspieler sucht man gegenwärtig vergebens. Captain bei Brasilien ist etwa Danilo – der Routinier ist aktuell bei Juve nur Ergänzungsspieler.
«Die Qualifikation ist nicht einfach, es ist eine schwierige Zeit, und wir müssen wissen, wie wir damit umgehen. Es ist eine Zeit des Übergangs, und uns fehlt das Selbstvertrauen», gestand Verteidiger Marquinhos.
Coach Dorival mahnte zu Geduld: «Bleibt ruhig, wir werden zuerst das Vertrauen der brasilianischen Nationalmannschaft zurückgewinnen. Wir haben Spieler von höchstem Niveau, die bei den grössten Vereinen im europäischen Fussball und in Brasilien spielen. Ich habe keine Angst zu sagen, dass wir in zwei Jahren eine ausgeglichene, aggressive Mannschaft sein werden, so wie es die Fans von uns erwarten, und wir werden mit Sicherheit selbstbewusster sein als jetzt.»
Auf die Rückkehr von Heilsbringer Neymar will Dorival nicht zählen. «Er muss erst wieder für seinen Verein spielen. Bis dahin gibt es nichts, was wir tun können (...). Wir hoffen auf seine Genesung, aber wir müssen warten.»
Syl Battistuzzi