Lindsey Vonn ist zurückgetreten, Ilka Stuhec wieder da und Mikaela Shiffrin auch in der Abfahrt vermehrt ein Faktor: In Lake Louise stehen die Speedfahrerinnen vor dem Auftakt in den neuen Winter.
Sie war in der letzten Saison nur noch sporadisch da und doch allgegenwärtig. Jetzt, nachdem sie sich in Are mit kaputtem Knie zu einer letzten WM-(Bronze)medaille geschleppt hatte, ist Lindsey Vonn endgültig abgetreten. Der Körper der 82-fachen Weltcupsiegerin und schillernden Figur im Skiweltcup der Frauen der letzten 15 Jahre spielte nicht mehr mit. Bühne frei also für andere.
Vonns US-Landsfrau Mikaela Shiffrin hat sich längst als neues Aushängeschild etabliert. Die Dominanz der 24-Jährigen ist in den meisten Disziplinen inzwischen erdrückend. Nur noch in der Abfahrt war die Amerikanerin im letzten Winter eine Nebendarstellerin. Was sich allerdings ändern könnte. Dem Vernehmen nach intensivierte Shiffrin das Abfahrtstraining in der Zwischensaison merklich. Es wäre der nächste Schritt der Ausnahme-Athletin.
Dennoch eröffnet Vonns Abschied neue Perspektiven. Beat Tschuor, der Cheftrainer der Schweizer Frauen, hofft, «dass eine Schweizerin in die Lücke springt». Lara Gut-Behrami befand sich einst auf gutem Weg zur neuen Skiprinzessin, hatte in den letzten Jahren aber Probleme. Corinne Suter und Michelle Gisin, die Schweizer Allrounderin schlechthin, sind Kandidatinnen – im sportlichen Bereich, versteht sich. Ambitionen, Vonn als Schillerfigur der Szene abzulösen, hegen die beiden auf dem Boden gebliebenen Athletinnen nicht.
Goggia, Stuhec und Shiffrin als Messlatte
Um sich auf sportlichem Weg ins internationale Rampenlicht zu befördern, müssen die Schweizer Speedfahrerinnen eine Schippe drauflegen. In der Abfahrt standen letzte Saison die drei Österreicherinnen Nicole Schmidhofer, Stephanie Venier und Ramona Siebenhofer zuvorderst, begünstigt durch das verletzungsbedingte Aus von Ilka Stuhec und den verspäteten Einstieg von Sofia Goggia.
Im Super-G, in welchem sich Shiffrin vor Schmidhofer und Tina Weirather durchsetzte, war Gut-Behrami als Siebte der Gesamtwertung die beste Schweizerin. Die Italienerin Goggia, die neu vom Walliser Stefan Abplanalp gecoachte Slowenin Stuhec und – zumindest im Super-G – Shiffrin dürften die Messlatte setzen. Michelle Gisin ist ausser in den Parallelrennen in allen Disziplinen vorne dabei, Tschuor relativiert aber: «Es fehlen die Big Points», sprich: Siege.
Die Vorbereitung spricht nicht gegen die Schweizerinnen. Vor dem Abstecher nach Nordamerika suchten einige Nationen den Schnee im Sommer während einigen Wochen vergebens. Beat Tschuor konnte derweil dank den guten Bedingungen auf den Gletschern von St. Moritz und Saas-Fee bereits vor den letzten Trainingstagen in Nakiska und Panorama in Kanada festhalten: «Wir trainierten sehr gut.»
Tschuor verweist zwar auf die dünne Breite im Schweizer Team, er ist aber überzeugt, dass Corinne Suter zu einigem imstande ist, nachdem es «in der letzten Saison Klick gemacht» hat. «Ich glaube, sie hat noch einmal einen Schritt getätigt. Sie ist reifer und selbstbewusster geworden und arbeitet jetzt noch professioneller», sagt er. Und mit Joana Hählen, Jasmine Flury und der Liechtensteinerin Tina Weirather seien im Training Athletinnen zugegen, welche die zweifache WM-Medaillengewinnerin von Are herausfordern würden.
Lara Gut-Behrami angestachelt
Lara Gut-Behrami nimmt mit veränderten Voraussetzungen einen neuen Anlauf. Nach ihrer durchwachsenen letzten Saison, die von Problemen im Riesenslalom und zwar soliden, aber nicht herausragenden und grösseren Schwankungen unterlegenen Leistungen in den Speed-Disziplinen geprägt war, kam es in ihrem Umfeld zu Umstellungen. Sie trainiert nach wie vor mit ihrem Privatteam, musste aber finanzielle Einbussen seitens des Verbandes in Kauf nehmen. Anstelle des früheren Konditionstrainers Patrick Flaction fungiert neu der Spanier Alejo Hervas. Dessen Funktionen gehen über jene des Konditionstrainers hinaus. Von ihrem Vater Pauli Gut hat sich die 28-Jährige etwas abgenabelt.
Dass die Tessinerin bei Swiss-Ski nur noch ein reduziertes Sondersetting geniesst, verdeutlicht auch der Umstand, dass sie vom Verband keine eigene Medienbetreuerin mehr zur Verfügung gestellt bekam. «Ich muss auch an die anderen Athletinnen denken. Diese waren zum Teil erfolgreicher, und das Budget muss fair verteilt sein», begründet Tschuor. Der Bündner glaubt, dass sich Gut-Behrami dadurch auch angestachelt fühlt. «Sie ist heiss und will es den Leuten zeigen», sagt er.