Interview Lara Gut-Behramis Work-Life-Balance stimmt endlich wieder

voe, sda

21.1.2021 - 14:02

Lara Gut-Behrami gewann in ihrer Karriere 27 Weltcup-Rennen, zuletzt den Super-G in St. Anton.
Lara Gut-Behrami gewann in ihrer Karriere 27 Weltcup-Rennen, zuletzt den Super-G in St. Anton.
Bild: Keystone

Lara Gut-Behrami kehrt in Crans-Montana an die Erfolgsstätte von letztem Jahr zurück, als sie im Wallis gleich beide Abfahrten gewann. Die Work-Life-Balance der 29-jährige Tessinerin stimmt wieder.

Lara Gut-Behrami, von aussen sieht es so aus, als stünde es um Ihre Work-Life-Balance sehr gut. Sehen Sie selber das auch so?

Ja. Es geht vorwärts. Im letzten Sommer, ja in den letzten Jahren, haben wir einiges unternommen, damit wieder alles stimmt. Nun befinde ich mich in einer guten Lage. So macht mir das Fahren auch viel mehr Freude. Hoffentlich geht es noch weiter vorwärts.

Als ehrgeizig, konsequent und entschlossen sind Sie schon immer wahrgenommen worden – auch in Phasen, in denen es Ihnen nicht gut gelaufen ist. In dieser Saison kommt nun auch wieder eine gewisse spielerische Leichtigkeit hinzu. Wie haben Sie das geschafft?

Mit Arbeit. Und ich habe das Glück, über ein gutes Umfeld zu verfügen. Mit Personen, die mich seit vielen Jahren begleiten. Was ich jetzt erreiche, ist das Ergebnis davon. Natürlich hätte ich es gerne gehabt, dass es in den letzten dreizehn Jahren (seit ihrem Weltcup-Debüt – Red.) an jedem Wochenende um den Sieg gegangen wäre. Aber so geht es eben nicht immer, und das gehört zum Leben einer Athletin. Ich habe immer noch Lust zu kämpfen, jeden Morgen aufzustehen und skifahren zu gehen, um mich zu verbessern.

Sie sind in dieser Saison zu elf Rennen in vier verschiedenen Disziplinen gestartet, nie waren Sie schlechter als Elfte. Wie zufrieden sind Sie momentan mit Ihren Leistungen?

Ich fühle mich wirklich gut. Jeder Lauf, den du gut ins Ziel bringst, verleiht dir wieder mehr Sicherheit und Vertrauen. Du musst weniger nachdenken, kannst dich mehr auf deinen Instinkt verlassen. Zudem: Wenn es einem läuft, dann verkraftet man alles besser, ist man weniger müde und kann man auch von Disziplin zu Disziplin besser umstellen.

Sie haben auch im Riesenslalom, vor allem zuletzt mit Platz vier in Kranjska Gora, wieder den Anschluss an die Weltspitze geschafft.

Im Riesenslalom habe ich wieder einen Schritt vorwärts gemacht. Das ist sehr positiv und die Folge der ganzen Arbeit bezüglich Technik im Sommer.

Diese Arbeit war entscheidend, um die frühere Leistungsstärke wiederzufinden?

Es geht dabei nicht nur um ein Wiederfinden. Ich habe im Dezember 2008 im Weltcup erstmals gewonnen (Super-G-Sieg in St. Moritz – Red.). Sich über so viele Jahre auf diesem Niveau zu halten, ist nicht so einfach. In der Karriere einer Athletin gibt es verschiedene Phasen. Es geht darum, jeden Tag an sich zu arbeiten. In den guten wie auch in den schlechten Momenten.

Aktuell sind es gute Momente.

Seit Anfang Saison bin ich auch im Riesenslalom immer in den ersten zehn. Das bedeutet, dass ich auf sehr hohem Niveau fahre. Natürlich bin ich stolz über das bisher Erreichte. Aber das ändert nichts, dass ich versuchen werde, mich weiterhin zu verbessern.

Was zum Beispiel?

Es gibt immer etwas zu tüfteln. Da sind noch tausend Details, an denen ich arbeiten kann. Sei es im physischen oder mentalen Bereich. Oder auch beim Abstimmen des Materials. Für jede Disziplin hast du ja andere Ski und Schuhe. Nur weil das Set-Up im Riesenslalom stimmt, muss das nicht auch in der Abfahrt der Fall sein. Und zu all dem kommt auch noch der Faktor Glück dazu, weil wir schliesslich einen Outdoor-Sport betreiben.



Im vergangenen Februar gewannen Sie in Crans-Montana fast aus dem Nichts beide Abfahrten. Was hat das bei Ihnen ausgelöst?

Wären wir die Saison zu Ende gefahren, dann hätte mir dieses Super-Weekend wahrscheinlich schon geholfen. Denn vom einen Tag auf den anderen fühlte sich alles wieder leicht an. Aber es gab nach Crans nur noch ein Rennen, dann war alles vorbei. Deshalb war die Wirkung (dieser zwei Siege) nicht wirklich gross. Es wurde ja alles gestoppt, wir standen während vier Monaten nicht mehr auf den Ski. Aber zwei Siege mehr auf dem Konto zu haben ist natürlich schon gut.

Denken Sie ab und zu noch an Crans-Montana 2020 zurück?

Nein.

Aber stimmt es Sie optimistisch für diese Woche, in der in Crans-Montana erneut zwei Abfahrten und ein Super-G im Programm stehen?

Nur weil man einmal auf einer Piste gewonnen hat, heisst das nicht, dass man hier wieder gewinnt. Es wird einem gar nichts geschenkt.

Dann ist das für Sie eine Piste wie jede andere?

Ich habe das Glück, auf einigen Pisten gewonnen zu haben. Auf anderen, auf denen mir das noch nicht gelungen ist, versuche ich, mich dem Sieg anzunähern. Ich nehme Rennen für Rennen.

Wie gross ist eigentlich der Stress, wenn man wie Sie fast jedes Wochenende Rennen fahren muss?

Also zunächst: Ich muss nicht, ich darf. Es ist meine eigene, freie Wahl, Rennen zu fahren. Einsätze in mehreren Disziplinen ist etwas, das ich mir seit jeher gewohnt bin. Ich möchte in einem Winter nicht nur acht Rennen im Riesenslalom oder im Slalom fahren. Das wäre mir zu wenig und zu repetitiv. Ich bin glücklich darüber, dass mein Körper das Programm mitmacht.

Das war nicht immer so?

Im letzten Sommer wurde mir bewusst, dass ich körperlich auch für den Riesenslalom wieder voll bereit bin, dass ich keine Beschwerden zum Beispiel mit den Knie habe. Es hat aber nach meiner Verletzung (Kreuzband- und Meniskusriss im linken Knie, erlitten im Februar 2017 in St. Moritz – Red.) gedauert, bis ich wieder volles Vertrauen in mein Knie hatte. Vor zwei Jahren war das noch nicht der Fall.

Seit Sommer 2019 arbeiten Sie eng mit dem spanischen Konditions- und Skitrainer Alejo Hervas zusammen. Wie gross ist sein Anteil?

Es war ein super Entscheid. Alejo hat mir sehr geholfen, mich zu entwickeln und dass ich mich körperlich wieder so wohl fühle. Er ist sicher ein wichtiger Mosaikstein, dass ich wieder so fahren kann wie jetzt.



In zweieinhalb Wochen beginnt die WM. Wie sehen Ihre Planungen für Cortina aus?

Naja, am Anfang ist der Super-G. Dann folgen die Trainings für die Abfahrt. Danach gibts einen Tag Pause, bevor ich für den Riesenslalom zu trainieren beginne.

Fahren Sie das Parallelrennen?

Ich weiss es noch nicht. Das sehen wir dann.

Wie sehr beschäftigt Sie das Coronavirus?

Ich denke vor allem an die Verantwortung, die wir gegenüber unseren Familien haben. Aber klar, jetzt kommt dann bald die WM. Da wäre es wirklich blöd, wenn es jemanden erwischt und alle müssen in die Quarantäne. Es kann so schnell gehen. Ich hoffe wirklich, wir alle können das wie geplant durchziehen und bleiben gesund.

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