Interview Was Ski-Nachwuchs-Hoffnung Alessia Bösch alles opfert, um den grossen Traum zu erreichen

Von Tobias Benz

18.3.2021

Fährt Nachwuchs-Skifahrerin Alessia Bösch schon bald um Weltcup-Punkte?
Fährt Nachwuchs-Skifahrerin Alessia Bösch schon bald um Weltcup-Punkte?
Bild: SRF

Wie wird man eigentlich zum Ski-Crack? Im Rahmen der SRF-Sendung «Morgen sind wir Champions» spricht Nachwuchs-Athletin Alessia Bösch mit «blue Sport» über den steinigen Weg an die Weltspitze.

Von Tobias Benz

18.3.2021

Das Schweizer Ski-Team begeistert im Corona-Winter 2021. Die erfolgreichen Weltmeisterschaften in Cortina d’Ampezzo fesselten selbst nicht-quarantänepflichtige Ski-Fans tagelang vor das TV-Gerät. Auch das anstehende Saison-Finale in der Lenzerheide bietet viel Stoff für Drama und Helden-Geschichten. Die aktuellen Stars tragen klingende Namen wie Lara Gut-Behrami, Michelle Gisin oder Beat Feuz. Doch wie gelangt man dorthin?

Eine, die es wissen will, heisst Alessia Bösch. Das 17-jährige Talent wurde kürzlich ins C-Kader von Swiss-Ski aufgenommen und setzt alles daran, so bald wie möglich im Weltcup um die Punkte zu fahren. Ich will wissen, was es braucht, um zu den aufregendsten Ski-Talenten des Landes zu gehören und rufe sie an.

Grosses Opfer für den grossen Traum

Wie es sich für eine Skirennfahrerin gehört, lässt sie die ersten zwei Piepstöne verstreichen und springt pünktlich auf den dritten in die Leitung: «Hallooo», erklingt eine fröhliche Stimme. Das Gespräch findet aus reisetechnischen Gründen am Montagabend statt. Zwei Tage davor gewinnt sie an den Juniorenmeisterschaften in Zinal den Super-G und holt Gold in der Kombination. Ich gratuliere und liege mit meiner Annahme, sie sei immer noch im Unterwallis natürlich komplett daneben. «Heute war ich in der Schule und im Training», lacht die Engelbergerin. «Morgen Nachmittag reisen wir nach Kronplatz. Wir gehen trainieren.»

Zinal. Engelberg. Kronplatz. Eine völlig normale Viertagestour für die Teenagerin. Pro Jahr lebe sie etwa 250 Tage aus dem Koffer, erklärt sie. «Ich bin dieses Jahr ins C-Kader gestossen. Da ist man nur schon durch die Rennen viel weg. Aber weil es ein nationales Team ist, trainieren wir halt nicht bei mir zu Hause, sondern irgendwo in der Schweiz. Manchmal auch in Italien oder Österreich. Ich muss zudem für jedes Trainingslager und jeden Skitag weg von Zuhause. Dazu kommen alle Rennen und auch die Kondi-Lager im Sommer, wo wir als Team in Magglingen trainieren. Das summiert sich auf ein Jahr gesehen schon ziemlich.»

Alessia Bösch fährt alle Disziplinen extrem gerne. Der Riesenslalom ist aber «am coolsten».
Alessia Bösch fährt alle Disziplinen extrem gerne. Der Riesenslalom ist aber «am coolsten».
Bild: SRF

Ganz nebenbei besucht Bösch auch noch die Sportschule in Engelberg. Den Maturaabschluss erarbeitet sie sich dabei fast gänzlich im Fernstudium. «Am Schluss habe ich denselben Abschluss wie andere Schüler, aber ich kann nebenbei voll trainieren. Das ist megacool organisiert.» Bleibt neben all dem überhaupt noch Zeit für sich selbst? «Ich habe weniger Freizeit als andere. Sagen wir es mal so», lacht Bösch. «Aber ein ‹birebitzeli› bleibt schon.»

Ein «birebitzeli», dass sie dann für Telefon-Interviews opfern muss, denke ich mir und kriege ein schlechtes Gewissen. Sie scheint sich aber überhaupt nicht zu stören. Weder an der gestohlenen Freizeit noch ihrem aufreibenden Alltag. «Ich schätze es sehr, dass ich mein Leben so leben kann. Für mich ist es nicht selbstverständlich und ich würde es für nichts auf der ganzen Welt eintauschen. In meinen Augen lebe ich das perfekte Leben.»

Alessia Bösch
Bild: SRF

Alessia Bösch, 17, kommt aus einer Sportlerfamilie. Als zweifacher Weltmeister bei den Ski Freestylern gehört ihr Bruder Fabian zur Weltspitze. Alessia will es ihm auf den Rennpisten gleichtun. Mit dem Sprung ins C-Kader ist der Engelbergerin ein grosser Schritt Richtung Profikarriere gelungen.

Die Gisin-Familie als «perfekte Vorbilder»

Je länger das Gespräch dauert, desto stärker wird das Gefühl, eine viel ältere und erfahrenere Frau halte den Hörer am anderen Ende der Leitung. Die 17 Jahre sind Bösch überhaupt nicht anzumerken. Hat sie das Handy vielleicht an Michelle Gisin weitergereicht? Der Dialekt würde passen …

Natürlich nicht. Aber auf die zehn Jahre ältere Engelberger Nachbarin angesprochen, verfällt Bösch augenblicklich ins Schwärmen. «Hier ist die Gisin-Familie natürlich sehr populär. Und Michelle ist ein riesiges Vorbild für mich. Zum einen aus sportlicher Sicht, zum anderen auch als Mensch. Sie ist eine megasoziale Person und kümmert sich sehr um uns «Kleinen» im Skiclub. Sie gibt uns Tipps, schaut, was wir machen, interessiert sich für uns und ist sich nie zu schade, an irgendwelchen Skiclub-Events teilzunehmen.» Bösch ist begeistert. «Die ganze Gisin-Familie ist super bodenständig. Die perfekten Vorbilder als Personen im normalen Leben und als Sportler.»

Das grosse Vorbild: Michelle Gisin mit der Kombi-Bronzemedaille an den Weltmeisterschaften in Cortina d'Ampezzo.
Das grosse Vorbild: Michelle Gisin mit der Kombi-Bronzemedaille an den Weltmeisterschaften in Cortina d'Ampezzo.
Bild: Keystone

Der lange Weg an die Weltspitze

Auch die Böschs haben sich längst einen Namen gemacht, der weit über die Grenzen der Zentralschweizer Alpenstadt hinaus bekannt ist. Drei der vier Kinder betreiben Spitzensport. Alessias Bruder Fabian gehört als zweifacher Weltmeister bei den Ski-Freestylern bereits zur Weltspitze. Nun will es ihm seine Schwester auf der Rennpiste gleichtun. «Wenn ich mal gross träumen darf, dann will ich mich zunächst im Weltcup etablieren und vorne mit dabei sein», meint die Alleskönnerin, die von Abfahrt bis Slalom in jeder Disziplin an den Start geht. «Wenn ich noch grösser träume, dann denke ich an die Olympischen Spiele oder eine WM-Medaille. Das wäre natürlich das grösste.»

Bösch weiss, dass sie für das Erreichen dieser Ziele noch viel Arbeit vor sich hat. «Es ist ein beachtlicher Schritt, in ein Swiss-Ski-Kader aufgenommen zu werden. Aber der Weg vom C-Kader bis an die Weltspitze ist ein sehr langer. Es sind diese Dinge, die einem Tag für Tag inspirieren, aufzustehen, zu trainieren, noch härter an dir zu arbeiten und besser zu werden.»

«Gisin am Apparat?», würde ich am liebsten erneut fragen. Es sind Worte, wie man sie sich von gestandenen Top-Athletinnen und Athleten gewohnt ist. Und eines ist nach diesem Gespräch klar: Alessia Bösch ist auf dem besten Weg dahin, eine solche zu werden.


Mehr zu Alessia Bösch und den Schweizer Nachwuchs-Cracks erfahren Sie auf «SRF zwei». Ab dem 17. März läuft im Schweizer Fernsehen die sechsstellige Serie «Morgen sind wir Champions – Ski alpin». Diese Serie begleitet junge Skitalente auf ihrem Weg an die Spitze. Dabei erfahren Zuschauer und Zuschauerinnen mehr darüber, was die jungen Athleten und Athletinnen motiviert, wie sie Beruf und Ausbildung mit dem Skisport vereinen und wie sie ihre Freizeit gestalten.