Der Italiener Matteo Berrettini ist eines der grossen Aushängeschilder beim Swiss Open in Gstaad. Eine Sonderbehandlung als Tennisstar erwartet der 26-Jährige aber nicht.
Matteo Berrettini als «Stehaufmännchen» zu bezeichnen, würde irgendwie nicht passen. Mit seinen 95 kg – verteilt auf 1,96 m – ist der Römer ein Baum von einem Mann. Und doch machte ihm der Körper in diesem Jahr gleich mehrfach einen Strich durch die Rechnung. Unterkriegen lässt sich der Gstaad-Sieger von 2018 und Wimbledon-Finalist des letzten Jahres deswegen nicht. Im Gegenteil: Er strotzt vor Energie und Tatendrang.
Der Frust von Wimbledon
Berrettinis Jahr ist verrückt. Trotz hervorragenden Leistungen ist er auf Platz 15 des ATP-Rankings zurückgefallen. Hauptgrund dafür sind die Punkte, die ihm in Wimbledon aus der Wertung fielen. Der Italiener war der prominenteste Spieler, der nach einem positiven Corona-Test Forfait erklären musste. War der nicht obligatorische Test überhaupt notwendig? «Ich fühlte mich ein paar Tage ziemlich mies», betont Berrettini im Gespräch mit Keystone-SDA. «Und ich wollte sicher sein, dass ich niemanden anstecke.»
Dass es im Rasenmekka sowieso keine ATP-Punkte zu gewinnen gab, ist ein schwacher Trost. Berrettini hatte die beiden Vorbereitungsturniere in Stuttgart und im Londoner Queen's Club gewonnen, seit 2019 ist der Wimbledon-Final gegen Novak Djokovic die einzige Niederlage auf Rasen. Der Römer wäre in der schwächeren Tableauhälfte eingeteilt gewesen, statt ihm erreichte der Sandspezialist Cristian Garin die Viertelfinals und der ungesetzte Nick Kyrgios den Final. Da hätte er sein können – oder müssen.
«Moment», unterbricht Berrettini. «Garin hat hervorragend gespielt, Kyrgios sowieso. Es ist überhaupt nicht sicher, dass ich da einfach durchmarschiert wäre.» Aber: «Es stimmt, ich wäre hervorragend in Form gewesen.» Der Frust war so gross, dass er erst in der zweiten Woche, als es ihm auch körperlich wieder besser ging, das Turnier aus der Ferne mitverfolgte.
Keine Sonderregeln
Hätte das Turnier abgesagt werden sollen? «Das kann ich nicht beurteilen», sagt Berrettini. «Ich bin kein Arzt. Grundsätzlich befolge ich die Regeln und überlasse diese Entscheide denen, die mehr davon verstehen.» Das hält er auch mit den Einreisebestimmungen so. Ob es richtig ist, dass Novak Djokovic voraussichtlich nicht in die USA reisen und am US Open spielen darf, lässt er offen. Klar ist für den Italiener aber eines: «Wenn die Regeln so sind, dann gelten sie für alle, egal ob jemand Tennisspieler, die Nummer 1, 7 oder 15 ist. Ich würde nie für mich eine Ausnahme erwarten.»
Der Rückschlag war umso bitterer, als er bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr ausgebremst wurde. Nachdem er bei den ATP Finals im November zuhause in Turin wegen einer Bauchmuskelzerrung aufgeben musste, erreichte Berrettini am Australian Open erstmals die Halbfinals, wo er dem nachmaligen Sieger Rafael Nadal in vier Sätzen unterlag. Anfang April musste er sich aber am Handgelenk operieren lassen, für Tennisspieler eine der heikelsten Verletzungen, und verpasste die gesamte Sandsaison. «Trotzdem bin ich jedes Mal zurückgekommen, das macht mich stolz.»
Nun holt Berrettini in Gstaad und Kitzbühel quasi eine Mini-Sandsaison nach. «Hey, ich bin auf Sand aufgewachsen», protestiert er gegen die Einschätzung, dass dies seine schlechteste Unterlage sei. «Und die Höhenlage kommt meinem Spiel sicher entgegen.»