Wimbledon-Blog Der einmalige Auftritt des mystriösen Xylophon-Manns

Aus Wimbledon: Roman Müller

9.7.2018

Sorgte kurzzeitig für Unterhaltung: Der mysteriöse Xylophon-Mann von Wimbledon
Sorgte kurzzeitig für Unterhaltung: Der mysteriöse Xylophon-Mann von Wimbledon
Bild: Getty Images

Das Teilnehmerfeld in Wimbledon lichtet sich, aber nicht so die Eindrücke und Anekdoten von der Church Road. In meinem heutigen Blogeintrag gehts um strenge Hausregeln, unbeliebte Promis und ein Schlaginstrument.

Mein siebter Tag in Wimbledon. Aus einer langsamen Angewöhnung wurde eine – sich durchaus positiv auswirkende – Routine. Zur Routine gehört es unter anderem, dass ich als Journalist beim Gate 16 jeden Tag durch eine Sicherheitskontrolle muss. Bisher war diese relativ locker, ein kurzer Blick in den Rucksack und weiter gehts. Heute aber, total verrückt: Ich musste meine Laptops rausnehmen und beweisen, dass sie funktionieren. Glücklicherweise hat der eine Computer, der jeden Morgen immer wieder aufs Neue streikt, auf Anhieb funktioniert. Während ausgerechnet mein purpurner, klobiger Notfall-Ersatz, den ich für den Fall der Fälle stets mit mir rumschleppe, keinen Wank machte. Der Akku war leer. Der Sicherheitsmann wies mich darauf hin, dass dieser immer geladen sein muss. Sonst gibts Ärger. Es könnte sich ja um eine gefährliche Attrappe handeln. Zu meinem Glück machte er heute eine Ausnahme.

Bei der Eingangskontrolle wird nichts dem Zufall überlassen.
Bei der Eingangskontrolle wird nichts dem Zufall überlassen.
Bild: Getty Images

Es gibt übrigens noch viele andere kuriose Regeln hier in Wimbledon. Beispielsweise darf man auf den Rängen selbst auf den eigenen Handys kein Fussball schauen. Wer dabei erwischt wird, wird von einem Mann mit eindrücklichem Hut persönlich aus dem Stadion begleitet. Ausserdem darf man auf der Ehrentribüne keine kurzen Hosen tragen. Diese Erfahrung musste Jona machen, eine israelische Mitbewohnerin bei meiner Gastfamilie letzte Woche. Jona arbeitet seit Jahrzehnten als «persönliche Sekretärin» für verschiedene Top-Athleten auf der Tour, wie zum Beispiel Milos Raonic.

Sie scheint Unmengen von Leuten aus der Tennisszene zu kennen. Trainer, Spieler, Schlägerbespanner, Butler, Caddies, Yoga-Lehrer. Doch dann dies: Als sie sich vergangene Woche mit ihrem «All Access Pass» in den VIP-Bereich setzte, erhielt sie vom Mann mit eindrücklichem Hut die Rote Karte. Da nützten auch ihre Beziehungen nichts. Tja, Regeln überall. Der einzige Ort in Wimbledon, wo pure Anarchie herrscht, ist das Männerklo der Journalisten – darauf will ich jetzt aber nicht genauer eingehen.

Sie tragen eindrückliche Hüte und setzen die Regeln durch: Scherheitsmänner in Wimbledon.
Sie tragen eindrückliche Hüte und setzen die Regeln durch: Scherheitsmänner in Wimbledon.
Bild: Getty Images

Querrey wehrt sich gegen Wäsche im Freien

Apropos Lokus. Judy, meine Gastmutter, macht mir regelmässig deutlich, welche Spieler sie am liebsten die Toilette runterspülen würde. Sie ärgert sich etwa über das Weiterkommen des «verwöhnten» Millionärs-Sohn Ernests Gulbis und freut sich schelmisch über das Aus des unflätigen Nick Kyrgios. Den Franzosen Nicolas Mahut mag sie. Der sei letztes Jahr bei ihren Nachbarn untergekommen und total sympathisch. Dieses Jahr sei der Amerikaner Sam Querrey dort. Ein total überheblicher Typ, sagt sie. Er habe sich zum Beispiel gewehrt, dass seine Wäsche zum Trocknen im Garten aufgehängt werde. Ein klassischer Fall von Star-Allüren.

Ein weiteres Beispiel: Vor einigen Jahren wurde sie und Gatte Joe von ihrer Vermittlungs-Agentur laut eigener Aussage beinahe schon gezwungen, den österreichischen Star-Tennis-Trainer Günter Bresnig (mitunter der Förderer von Dominic Thiem) bei sich einzuquartieren. Sie haben zugesagt und als sie eines Abends nach Hause kamen, habe er, ohne es sie Wissen zu lassen, mit einer ganzen Entourage eine lustige Gartenparty veranstaltet. Judy war entsetzt.

Sam Querrey verwarf seine Hände, weil er seine Wäsche im Freien aufhängen sollte. 
Sam Querrey verwarf seine Hände, weil er seine Wäsche im Freien aufhängen sollte. 
Bild: Getty Images

Zum Schluss noch mein absolutes Highlight dieser Woche: Hier im Medien-Zentrum gibt es eine Ansagerin, die über Lautsprecher jeweils über verschiedene Wichtigkeiten informiert. Meistens kündigt sie Pressekonferenzen an. Diese Stimme ist mir schon so sehr vertraut, dass ich sie beinahe nicht mehr wahrnehme. Nun, vor ein paar Tagen hat man diesbezüglich eine Innovation eingeführt: Ihre Durchsage wurde von einer Art Xylophon-Fanfare eingeleitet. Wurde da extra ein Musiker eingestellt? Ein wahrhaftiger Xylophon-Mann? Vielleicht mit der Idee, dass man ihren Durchsagen noch mehr Aufmerksamkeit schenkt? Vielleicht war es aber auch nur ein kleines Spässchen. Fakt ist: Der mysteriöse Xylophon-Mann hatte keinen zweiten Auftritt. Er wurde noch in seiner Probezeit entlassen.


Über den Autor
Roman Müller arbeitet seit bald 20 Jahren als Sportjournalist. Er ist seit früher Kindheit mit dem Tennissport verbunden. Als Spieler hat er es nie über R8 herausgebracht, trotz seiner gefürchteten Vorhand und wohl auch wegen kaum vorhandener Trainingsdisziplin. Als Tennisfan ist er jedoch als N1 einzustufen. Er ist stolzer Besitzer von 36 Roger-Federer-Caps, die er nicht sammelt, sondern trägt und somit natürlich befangen ist, was das Thema RF anbelangt. Seine Lieblingsfarben sind Violett und Grün, seine Lieblingszahlen 15, 30 und 40.

Das war im Frühjahr 2013, als ich privat in Wimbledon war. Wenige Monate später sass Turnier-Sieger Andy Murray auf diesem Platz und beantwortete die Fragen der Journalisten.
Das war im Frühjahr 2013, als ich privat in Wimbledon war. Wenige Monate später sass Turnier-Sieger Andy Murray auf diesem Platz und beantwortete die Fragen der Journalisten.
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