Acht Mütter nahmen das Australian Open 2024 in Angriff, die Hälfte davon sind ehemalige Grand-Slam-Siegerinnen. Die Rückkehr an die Spitze ist ein steiniger Weg, den immer mehr versuchen.
Belinda Bencic wird dieser Tage besonders interessiert nach Melbourne schauen. Auch die Olympiasiegerin, die im Frühling ihr erstes Kind erwartet, strebt danach eine Rückkehr auf den Tennisplatz an. Das ist etwas einfacher geworden, dank besserem Umfeld und Änderungen bei den Zulassungskriterien zu den Turnieren. Leicht wird es dennoch nicht.
Ein Knackpunkt, der das Comeback erschweren kann: schwierige Auslosungen, weil man nicht mehr gesetzt ist. So musste Naomi Osaka, die im Juli 2023 Tochter Shai gebar, in Melbourne gleich in der 1. Runde gegen die Weltnummer 19 und ehemalige Masters-Siegerin Caroline Garcia ran. Nach der Niederlage fasste die 26-jährige Japanerin ihre Gefühlslage treffend zusammen: «Das ist mein erstes richtiges Turnier, ich weiss, dass es Zeit braucht.» Aber: «Ich habe hier zweimal gewonnen, ich bin illusorisch genug, um trotzdem zu denken, dass ich wieder gewinnen kann.»
Eine Frage des Alters
Osaka ist eine junge Mutter, das dürfte beim Comeback helfen, so wie dies auch bei Bencic der Fall sein wird. Anders sieht das bei Caroline Wozniacki und Angelique Kerber aus, beides ehemalige Nummer 1 der Welt und Australian-Open-Champion 2018 respektive 2016. Wozniacki ist sogar zweifache Mutter und kehrte bereits am US Open zurück, wo sie in die Achtelfinals vorstiess und der späteren Siegerin Coco Gauff einen Satz abnahm. In Melbourne scheiterte aber auch die 33-jährige Dänin bereits in der 2. Runde. «Wenn du Mutter bist, gibt es plötzlich wichtigeres als Tennis», stellt sie fest.
Das sah bei Angelique Kerber nicht so aus, als sie sich mit ihrem langjährigen Coach Torben Beltz mehrere hitzige Rededuelle lieferte. «Das war schon immer so», meinte die 35-jährige Deutsche nach ihrer Erstrundenniederlage mit einem Lächeln. Rational ist diesen Legenden des Sports klar, dass sie Geduld brauchen und vielleicht nie mehr an frühere Erfolge anknüpfen können. Sind sie aber mal auf dem Platz, setzt der Wettkampfinstinkt ein und sie würden gerne die Zeit überlisten und schneller vorankommen.
Erst drei Champions mit Baby
Die Geschichte macht aber deutlich, wie schwierig das Gewinnen eines Grand-Slam-Titels als Mutter ist. Die Wahrscheinlichkeit ist nur unwesentlich höher als die einer unbefleckten Empfängnis. Genau drei Spielerinnen schafften dies in der Ära des Profitennis. Margaret Court holte die letzten drei ihrer 24 Grand-Slam-Titel 1973 als Mutter, ihre australische Landsfrau Evonne Goolagong schaffte dies 1980 als bisher Einzige in Wimbledon und die Belgierin Kim Clijsters triumphierte am US Open 2009 und 2010 sowie dem Australian Open 2011 nach der Geburt von Tochter Jada.
Es ist also schwierig, aber möglich. Am weitesten brachte es in jüngerer Vergangenheit Victoria Asarenka, die 2020 am US Open erst im Final scheiterte, und vor einem Jahr in Melbourne den Halbfinal erreichte. Gleiches gelang Jelina Switolina in Wimbledon, nur acht Monate nach der Geburt von Tochter Skaï. Ihr Ehemann Gaël Monfils, selbst erfolgreicher Tennisprofi, zeigt sich stolz. «Das ist genial», sagt der Franzose. «Sie sind Mütter und machen beruflich Karriere, sie können weit über den Sport hinaus ein Beispiel sein.»
Offener, mutiger, geduldiger
Für Naomi Osaka, die noch vor kurzem mit Depressionen kämpfte, hat das Muttersein auch einen sehr persönlichen Nutzen. «Ich bin offener geworden, mutiger, geduldiger», verriet sie. «Ich laufe nicht mehr mit Kopfhörern herum und schotte mich ab.»
Auch Belinda Bencic ist sehr zuversichtlich, dass sie ihre erfolgreiche Karriere dereinst wieder aufnehmen kann. Eine Gewissheit hat die 26-jährige Ostschweizerin: Sie wird viele Gleichgesinnte haben, die sie um Rat fragen kann.