Fast unbemerkt, quasi unter dem Radar, manövrierte sich Felix Auger-Aliassime an den Swiss Indoors in die Halbfinals. Dabei müsste der gesamte Fokus auf den 22-jährigen Kanadier gerichtet sein.
Felix Auger-Aliassime, die Nummer 9 der Welt, überzeugte in der Halle in dieser Saison wie kein anderer. An allen Indoor-Turnieren, an denen er die Startrunde überstand, erreichte er den Final. Nach Turniersiegen in Florenz und Antwerpen ist er seit elf Einzeln unbesiegt. Und beim Sieg im Achtelfinal über Miomir Kecmanovic (6:1, 6:0) spielte er so gut «wie noch nie vorher in meinem Leben».
Und das heisst etwas: Felix Auger-Aliassime besiegte schon Alexander Zverev in Wimbledon (2021) und Novak Djokovic vor einem Monat am Laver Cup. Obwohl in der Weltrangliste noch nie besser als auf Platz 8 klassiert, gilt der ehrgeizige Kanadier als einer der heissesten Anwärter auf die Nachfolge von Nadal, Djokovic und Federer.
Entdeckt mit 7
Entdeckt wurde Auger-Aliassime mit sieben Jahren in Montreal von Sylvain Bruneau, einem kanadischen Nationaltrainer. Aus einer Hundertschaft Kinder stach Felix heraus. Derweil die meisten herumalberten, machte Felix Ernst. «Er konnte sich auf eine Art konzentrieren, wie das Siebenjährige eigentlich nicht können. Er war... anders!»
Von dem Moment an, als jemand Felix Auger-Aliassime sagte, er habe das Zeug zum Profi, befand sich der dunkelhäutige Junge auf einer Mission. Auger-Aliassime: «Es tönt wahrscheinlich etwas wild: Aber ich wusste schon als Siebenjähriger genau, was ich in meinem Leben anfangen will.» Die ehemaligen Trainer sagen, dass Felix besessen davon gewesen sei, Tennisprofi zu werden.
Der Sohn von Sam Aliassime, geboren und aufgewachsen in Togo, und von Marie Auger, einer kanadischen Lehrerin, hält Kurs. Profi ist er seit fünf Jahren, und die Resultate werden besser und besser. Im vergangenen Jahr debütierte Felix Auger-Aliassime bei Olympia, er führte Kanada zum Gewinn des ATP Cup und erreichte am US Open 2021 als Jüngster seit 2009 einen Grand-Slam-Halbfinal.
Federers Lob von 2015
Die Insider nahmen Felix Auger-Aliassime schon vor langer Zeit zur Kenntnis. «Er ist einer jener Spieler, dem die Zukunft des Männertennis gehört», sagte Roger Federer 2015, «ein sehr kompletter, eleganter Spieler». Damals gewann Auger-Aliassime vier Juniorenturniere und wurde mit 15 im kanadischen Granby der jüngste Spieler aller Zeiten, der an einem ATP-Challenger eine Runde überstand.
Für den nächsten Schritt, nachdem er rund drei Jahre lang um Platz 20 herumgeturnt war, brauchte Auger-Aliassime indes neue Impulse. Der junge Kanadier verlor seine ersten acht Finals auf der Tour. Er wollte einen neue Cheftrainer, einer der weiss, wie man gewinnt. Ganz oben auf seiner Wunschliste stand «Onkel Toni», der Onkel von Rafael Nadal. Felix Auger-Aliassime hatte Nadal als Kind bewundert. Er erkundigte sich bei Toni Nadal, ob es allenfalls eine Möglichkeit gebe, etwas zusammen zu machen. Und zu seiner positiven Überraschung, sagte Onkel Toni zu.
Onkel Toni
Unter den Fittichen von «Onkel Toni» Nadal (obwohl, wie auch in Basel nicht, nur selten vor Ort) startete Felix Auger-Aliassime durch. In Rotterdam gewann er Anfang Jahr sein erstes Turnier. Zuletzt kamen in Florenz und Antwerpen zwei weitere Titel dazu.
In Basel strebt Auger-Aliassime nach dem dritten Turniersieg in drei Wochen. Und doch weiss er, dass noch ein langer Weg bis ans Ziel seiner Träume vor ihm liegt: «Wie gut ich werden kann, hängt primär von mir selber ab – wie konzentriert ich arbeite, wie seriös ich den Sport nehme und wie hartnäckig ich in den nächsten Jahren meine Ziele verfolge. Wenn ich all das sehr gut mache, dann kann ich es so weit schaffen, wie ich das will. Aber 'yeah', von Zeit zu Zeit werde ich auch verlieren, aber hoffentlich immer nach einem guten Fight.»