Kommentar World Tour Finals: Grosse Bühne, kleines Kino

René Weder

15.11.2018

Mässig bis durchwachsen: Die Leistungen der besten Tennisspieler werden zum Saisonende hin verständlicherweise nicht wirklich besser.
Mässig bis durchwachsen: Die Leistungen der besten Tennisspieler werden zum Saisonende hin verständlicherweise nicht wirklich besser.
Bild: Getty

Die Geschichte wiederholt sich: Die World Tour Finals halten nicht, was sie versprechen. Das Niveau der besten Acht der Saison lässt zu wünschen übrig. Nur noch ein Duell zwischen Federer und Djokovic könnte das Turnier retten.

Das Schlussbouquet zum Jahresende hat seit einigen Jahren einen schweren Stand: Die Spieler sind müde, angeschlagen, fallen nicht selten komplett aus oder sind nach einer langen Saison zumindest mental oft schon in den Ferien. Da führen weder die üppigen Preisgelder (7,5 Millionen Dollar insgesamt) zum gewünschten Effekt, noch geben die Aussichten auf viele Punkte in der Weltrangliste – maximal sind es 1500 – den Spielern den nötigen Extrakick. Können oder wollen sie einfach nicht mehr?

«Ich hoffe, es hat euch trotzdem gefallen»

Bei der diesjährigen Ausgabe ist die tiefe sportliche Qualität des Turniers offensichtlich: Die Partie zwischen Roger Federer und Kei Nishikori am vergangenen Sonntag etwa war eine einzige und nicht für möglich gehaltene Fehlerorgie. Nur weil der schwach spielende Japaner einen noch desolateren Kontrahenten auf der Gegenseite hatte, konnte er das Spiel für sich entscheiden. Gegen Dominic Thiem zeigte Roger Federer dann Aufwärtstendenzen, aber es war in erster Linie der Österreicher, der für den Ausgang der Partie verantwortlich zeichnete. «Ich habe sehr, sehr schlecht gespielt», sagt Thiem danach. Und fügt ratlos an: «Ich weiss nicht, woher all die Fehler kamen». Auf die Partie zwischen Anderson und Nishikori (6:0 und 6:1) gehen wir an dieser Stelle nicht weiter ein. Aber Sie wissen, worauf es hinausläuft.

Auch die andere Gruppe servierte den Tennis-Fans, die bis zu 400 Franken pro Ticket bezahlen, bestenfalls Magerkost. Novak Djokovic kommentierte seinen Zweisatzsieg am Mittwoch gegen Alexander Zverev folgendermassen: «Das war kein fantastisches Match», wie die Interviewerin gutmütig zu suggerieren versuchte, sondern: «Alexander war heute weit von jenem Niveau entfernt, das er spielen kann. Ich konnte erst ab Mitte des zweiten Satzes davon profitieren.» Dann entschuldigt er sich beim Publikum: «Ich hoffe, es hat euch trotzdem gefallen.»

Ist die Tennis-Saison schlicht zu lang?

Gefallen hat es Ihnen kaum, aber wenigstens kommt man nahe an die Grössten der Szene ran («Fans» wie Ronaldo oder Kroos inklusive). Wobei neben Djokovic und Federer Zugpferde wie Nadal, Murray oder Wawrinka in diesem Jahr gar nicht dabei sind. Immerhin stimmt das Rahmenprogramm, das für Fotos und Videos auf Social Media herhalten muss. Angefangen beim Einmarsch der Spieler, über die Begrüssung, hin zum Siegerinterview, wo alles in die Waagschale geworfen wird, den Zuschauern glaubhaft machen zu wollen, welch wunderbare Partie sie gerade gesehen haben sollen.

Doch die Spieler machen da nicht richtig mit. Wie kommentierte Federer nach dem Nishikori-Match vielsagend? Das war «Kampf und Krampf» – und dabei wird es wohl bleiben. Letzte Hoffnung bleibt ein potenzieller Halbfinal oder Final zwischen Roger Federer und Novak Djokovic. Da würde immerhin die Affiche dem Turnier-Versprechen gerecht. Nicht so wie im letzten Jahr, als sich David Goffin und Grigor Dimitrov im Endspiel gegenüberstanden.

Übrigens: Ab 2019 wird die Saison für die meisten Spieler dann noch etwas länger. Dann werden im neuen Davis-Cup-Format nicht zwei Nationen im Endspiel stehen, sondern ganze 18 Teams in der Woche nach den ATP Finals involviert sein. Die negativen Auswirkungen dürften sich dann weiter akzentuieren: Noch müdere Spieler, noch mehr Verletzungen – und noch weniger Qualität. 

Zurück zur StartseiteZurück zum Sport