Nick Kyrgios und Stefanos Tsitsipas liefern sich in Wimbledon einen Abnützungskampf, der sich nach gegenseitigen Provokationen zu einem Tennis-Drama entwickelt. Der Australier verlangt nach dem zweiten Satz gar die Disqualifikation seines Gegners.
Vom ersten Punkt an ist Nick Kyrgios am Samstag in Wimbledon auf Betriebstemperatur und zieht gegen Stefanos Tsitsipas einmal mehr alle Register. Ob mit Stuhlschiedsrichter Damien Dumusois, den Linienrichtern, dem eigenen Trainerteam oder den Zuschauern – Kyrgios wütet ab dem Ende des Startsatzes gleich auf mehreren Nebenschauplätzen. Zwischen den Punkten hadert der Australier lautstark mit allem und jedem.
Als der Linienrichter im Startsatz einen Ball fälschlicherweise out gibt und der Punkt wiederholt werden muss, fordert er dessen Austausch. «Warum holst du dir nicht einen neuen Linienrichter? Er muss nur auf die eine Linie achten», wendet er sich mit einer Bitte an den Unparteiischen, welche von Dumusois natürlich nicht erhört wird – was Kyrgios in den folgenden Minuten beinahe auf die Palme bringt.
Kyrgios verlangt den Ausschluss von Tsitsipas
Mit seinem Verhalten nervt er offenbar auch seinen Gegner. Tsitsipas lässt sich zwar lange nichts anmerken, zum Ende des zweiten Satzes platzt dem Griechen aber der Kragen. Nachdem Kyrgios das Break zum 6:4 und damit der Satzausgleich gelingt, zimmert der Grieche einen Ball wutentbrannt und mit voller Wucht ins Publikum. Nur um Haaresbreite verfehlt er dabei einen Zuschauer. Schiedsrichter Dumusois sanktioniert den Wutausbruch mit einer Verwarnung – und entrüstet damit Gegner Kyrgios, der die Szene aus der Ferne beobachtet.
«Das ist eine Disqualifikation, Bruder», konfrontiert Kyrgios den Stuhlschiedsrichter auf seine Art und verlangt gar den Oberschiedsrichter. Als auch das nichts hilft, kriegt sich der Australier nicht mehr ein. «Bist du dumm?», lautet eine der unzähligen Fragen an Dumusois. «Du bist eine Schande, du änderst die Regeln, wie du willst.» Zudem fragt er wohl nicht ganz zu Unrecht: «Was wäre passiert, wenn ich das gemacht hätte?»
Buhrufe für Tsitsipas
Dass Kyrgios tatsächlich den vorzeitigen Ausschluss seines Kontrahenten fordert, stösst diesem wiederum sauer auf. Im Anschluss zielt Tsitsipas mehrfach mit seinen geschlagenen Bällen direkt auf den Körper von Kyrgios. Und als dieser wieder einmal einen Aufschlag von unten auspackt, drischt Tsitsipas den Return lustlos und unkontrolliert weg. Der Ball trifft glücklicherweise nur die Resultattafel, trotzdem erhält Tsitsipas von Dumusois eine Punktstrafe und von den Rängen gar Buhrufe.
«Er war derjenige, der Bälle auf mich geschlagen hat», beklagt Kyrgios an der Pressekonferenz nach dem Spiel prompt. Von einem Fehlverhalten seinerseits will er nichts wissen: «Abseits von meinem Hin und Her mit dem Schiedsrichter habe ich Stefanos gegenüber nichts Respektloses gemacht», so der 27-Jährige, der in Tsitsipas einen schlechten Verlierer wittert. «Vielleicht sollte er versuchen, zuerst herauszufinden, wie er mich ein paar Mal schlagen kann.»
Tsitsipas fordert: «Das muss aufhören»
Tsitsipas wählt nach der Partie deutliche Worte. «Es ist konstantes Mobbing. Er mobbt seine Gegner», erhebt der Grieche schwere Vorwürfe. «Er war vermutlich in der Schule ein Tyrann. Ich mag keine Tyrannen. Ich mag keine Leute, die andere Leute niedermachen.» Und er fordert Konsequenzen: «Das muss aufhören. Es ist nicht okay. Jemand muss sich mit ihm hinsetzen und reden», fordert der 23-Jährige, der von einer «Zirkusshow» sprach. Kyrgios habe zwar gute Charakterzüge, aber auch «eine sehr böse Seite».
Zugleich zeigt sich Tsitsipas aber auch selbstkritisch und bereut seinen Aussetzer nach dem verlorenen zweiten Satz. «Das war wirklich schlecht von mir. Ich habe mich bei den Leuten entschuldigt. Ich weiss nicht, was durch meinen Kopf gegangen ist», so Tsitsipas.
Auch wenn sich Kyrgios keiner Schuld bewusst sein will, im Platzinterview schlägt er doch noch einige versöhnliche Töne an. «Ich habe grossen Respekt vor ihm. Egal, was auf dem Court passiert, ich liebe ihn», sagt der strahlende Sieger. Ob das nach dem fünften Direktduell der beiden noch auf Gegenseitigkeit beruht?